Jetzt hilft nur noch ein Wunder: Harmlos-Jahn bei Bieder-Hansa punktlos

Rostock. Am Einsatz hat es nicht gelegen. Zu Beginn eines chancenarmen Abstiegsduells merkt man den Regensburgern den Willen an, den Angsthasen-Kick von Sandhausen vergessen zu machen. Aber gegen den Harmlos-Jahn reicht biederen Rostockern eine solide Abwehr und zwei Abschlüsse.

Damals noch im Jahn-Trikot: Der eingewechselte Ayguen Yildirim vergibt in der 93. Minute die erst zweite Torchance für Regensburg in Rostock. Bild: jrh

Rechnerisch ist der Klassenerhalt noch zu schaffen. Aber wer glaubt nach der verdienten Doppelpleite gegen die direkten Abstiegskonkurrenten Sandhausen und Rostock ernsthaft noch an ein Oberpfälzer Fußballwunder? Fest betoniert auf Platz 17, nach dem Sonntagsspiel möglicherweise sogar als Schlusslicht müsste der an Harmlosigkeit kaum mehr zu überbietende SSV Jahn ausgerechnet gegen den HSV, in Braunschweig und gegen den SV Heidenheim das Ruder herumreißen.

Wobei: Hoffnungslose Optimisten könnten darauf spekulieren,

  • dass sich der Hamburger Sportverein treu bleibt und abermals den Aufstieg gegen vermeintlich leichte Gegner vermasselt,
  • der Eintracht aus Braunschweig nach geschafftem Klassenerhalt der letzte Biss fehlt
  • und der SV Heidenheim nach schlecht ausgeschlafenem Aufstiegsrausch nur noch über den Platz torkelt – wie beim 4:3-Sieg Regensburgs in Köln, bevor Achim Beierlorzer in diese Richtung seine bisher einzige erfolgreiche Station verließ.

Aber selbst dann bleibt die Frage: Wer soll in der momentanen Form einen gefährlichen Pass vors Tor schlagen und wer diesen dann auch noch verwerten?

Time out: Jahn-Trainer Mersad Selivbegovic bemerkt mit bangem Blick auf die Uhr, dass die Zeit für den SSV in der Zweiten Bundesliga abläuft. Bild/Collage: jrh

94 Minuten für Jahn-Masochisten

In 94 trostlosen Minuten, die nur noch masochistische Jahn-Fans mit Würde ertragen, kann man Kaan Caliskaners Kopfball und Ayguen Yildirims Abschluss nach Kopfballverlängerung von Andreas Albers in der Nachspielzeit (93.) mit einigem guten Willen als brisante Strafraumszenen werten. Ansonsten hatte Regensburg Glück, dass der großzügige Schiri Frank Willenborg nach Jan Elvedis langem Bein von hinten Dank Lukas Hinterseers theatralischen Bocksprungs nicht auf den Punkt zeigte.

Eines muss man den Regensburgern zugutehalten: Sie halten sich an den Matchplan des Gegners. Als hätte ein Rostocker Fan das Drehbuch für die Abschiedstournee der Oberpfälzer entworfen, nudelt wie im Hinspiel erneut Kai Pröger eine abgefälschte Flanke zum 1:0 (34.) aus spitzem Winkel über die Torlinie. Und wenn ein Stürmer wie John Verhoek seit Wochen Ladehemmung hat, dann reicht eine haltstündige Therapie gegen den SSV Jahn für einen Abstauber zum 2:0 (80.).

Kampf und Krampf ohne Torraumszenen

Der an der Seitenlinie verzweifelnde Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic hält Wort und setzt nach dem Angstschweißspiel von Sandhausen unter anderem den enttäuschenden Mittelfeldregisseur Max Thalhammer auf die Bank. Mit Christian Viet für Konrad Faber, Lasse Günther für den gesperrten Leon Guwara, Scott Kennedy und Andreas Albers für Charalambos Makridis gibt es weitere Startelfveränderungen. Dass der Coach außerdem zur bislang immer erfolglosen Dreierkette zurückgreift, zeigt auch Mut zur Lücke im Trainerteam.

Sein Rostocker Pendant Alois Schwartz sieht dagegen keinen Änderungsbedarf zum gleichwohl glücklichen 1:0-Sieg in Kaiserslautern. Eine halbe umkämpfte Stunde lang bleibt lediglich Steve Breitkreuz‘ verlängerter Freistoß an den zweiten Pfosten in Erinnerung, als Hinterseer Bene Gimbers Kopfball vor der Torlinie klärt – dann aber ohnehin auf Abseits entschieden wird (18.). Auf Regensburger Seite fällt Prince Owusu an allen Ecken und Enden mit großem Kämpferherz auf.

Am fehlenden Willen ist der SSV Jahn nicht gescheitert. Besonders Prince Owusu wirft sich in jeden Zweikampf. Bild: jrh

Und noch ein Slapstick-Tor

Dafür holt sich der SSV Jahn brav das nächste Slapstick-Gegentor ab. Dennis Dressel lupft die Kugel an den Fünfer, Hinterseer schlägt ein Luftloch, Regensburg-Schreck Pröger reagiert am schnellsten und wurstelt das Ding an Keeper Jonas Urbig vorbei aus spitzem Winkel ins lange Eck, 1:0 (34.). Die Reaktion der Regensburger? Mit durchaus redlichem Bemühen versuchen die Rot-Weißen den Ball irgendwie und meist genauso ideenlos wie ungenau in die Schachtel namens Strafraum zu befördern.

Klar, dass Selimbegovic neue Register ziehen muss und für den erneut enttäuschend blassen Sarpreet Singh den wuseligen Yildirim ins Geschehen wirft. Rostock zieht sich ein Stück weiter zurück, wartet auf Kontergelegenheiten. Eine der wenigen passgenauen Hereingaben köpft Caliskaner unbedrängt aus sieben Metern zentral über die Latte (56.).

John Verhoek vor der Tor-Therapie-Stunde gegen den SSV Jahn. Bild: jrh

Aufbauhilfe für John Verhoek

Je mehr Sand durch die Uhr rieselt, desto hilfloser wirkt der angeschlagene Boxer, von dem der Jahn-Trainer bei der PK noch sagte: „Man muss einstecken, aber dann auch wieder austeilen können.“ Mehr als einige Höflichkeitsfouls können die höchst versetzungsgefährdeten Oberpfälzer beim Rausgeben aber nicht vorweisen. Im Gegenteil: Der eben eingewechselte Verhoek ist freistehend am Fünfer so überrascht von der Kugel, dass er sie freiwillig bei Urbig ablädt (62.).

Da Regensburg weiter meilenweit von einem Ausgleichstreffer entfernt ist, entschließt sich Rostock doch noch, den Sack zuzumachen: Kevin Schumacher geht Richtung Grundlinie, seine scharfe Hereingabe wird zum Torschuss, Urbig reagiert glänzend, kann den Ball aber nur noch nach vorne parieren, Verhoek köpft zur 2:0-Vorentscheidung ein (80.). Yildirims einziger und letzter Schuss nach Albers Kopfballverlängerung zischt Zentimeter am linken Pfosten vorbei (90.+3). Aus, vorbei, Für Rostock springt vorübergehend auf Platz 13, Regensburg versinkt im Abstiegsstrudel.

Mehr Krampf als Kampf: Mit Bodenringen gewinnt man kein Abstiegsduell, Bild: jrh

Und nun, Herr Werner?

Man darf gespannt sein, was dem bislang unsichtbaren Sportchef Tobias Werner bei den anstehenden Vertragsverlängerungen an der Schwelle zur Dritten Liga einfällt, um nach dem wahrscheinlichen Abstieg zumindest den Fall ins Bodenlose zu verhindern. Vor dem Heimspiel gegen Kaiserslautern hatte er sich noch geweigert, darüber überhaupt nachzudenken. Wollen wir hoffen, dass es sich dabei lediglich um eine nachvollziehbare Durchhalteparole handelte.

* Diese Felder sind erforderlich.