Jahn-Abstiegsfinale in Rostock: Fressen oder gefressen werden im ausverkauften Hansa-Stadion

Rostock. Eine Halbzeit in Sandhausen zum Vergessen. Die Chancen auf den Klassenerhalt schwinden. Bei Hansa Rostock (15.) bekommt Vorletzter Regensburg am Samstag, 13 Uhr, eine Gnadenfrist. Der angefressene Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic fordert: „Fressen oder gefressen werden!“

Bei der 0:3-Hinspiel-Pleite gegen Hansa Rostock geht für den SSV Jahn alles schief: Erst muss Scott Kennedy verletzt raus, während der Behandlung kassiert Regensburg das 0:1, dann schießt Kai Pröger auch noch den eingewechselten Steve Breitkreuz ab. Bild: jrh

Cheftrainer Mersad Selimbegovic ist kein Mann lauter Worte. Als leidgeprüfter Zeitzeuge des Krieges in Bosnien-Herzegowina hat er schon ganz andere Stürme überstanden. Nach der desaströsen Leistung und der 1:2-Niederlage beim Tabellenletzten Sandhausen sind dem 41-Jährigen aber Enttäuschung und Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben.

„Ich wollte vor dem Spiel in Sandhausen nicht zu viel Druck aufbauen,“ erklärt der gelernte Innenverteidiger die vor dem ersten Abstiegsduell zur Schau getragene Gelassenheit. „Jetzt haben wir uns selbst Druck aufgebaut – jetzt gibt es kein, können wir … oder wenn wir …, jetzt müssen wir.“ Das sei Wettkampf. „Deshalb hatte ich überhaupt kein Verständnis für unseren Auftritt in der ersten Halbzeit.“ Solche Spiele müssten einen reizen, nicht hemmen. „Du musst dich im Zweikampf durchsetzen, nicht ausweichen – die Chance, die wir immer noch haben, ist ein Gottesgeschenk.“

Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic zeigt sich bei der Pressekonferenz vor dem existenziellen Auswärtsspiel bei Hansa Rostock deutlich angefressen. Bild: jrh

Nur keine Herden-Panik!

Im bis auf den Gästebereich ausverkauften Ostsee-Stadion erwartet Selimbegovic von den Hanseaten einen Orkan: „Die gehen raus und wollen uns auffressen, so stelle ich mir das vor, in diesem Stadion, das eine Wucht entwickeln kann.“ Wenn man nur einen Millimeter zurückweiche, werde man davon mitgerissen. Dazu fällt dem Bosnier eine Story aus den Savannen der USA ein, wo ein tödlicher Sturm herrsche: „Es kommt vor, dass eine Herde von Kühen vor diesem Wind wegrennt. Und weißt du, was passiert mit dieser Herde? Die verlieren 50 Prozent, weil die rennen und rennen, aber der Wind ist schneller, oder sie trampeln sich nieder oder springen in den Tod.“

Es gebe aber auch kluge Kühe: „Die laufen in den Wind rein und kommen schnell durch.“ Diese Herden hätten nur geringe Verluste. „Das ist die einzige Chance. Wenn du eine haben willst, musst du dagegenhalten.“ Dagegenhalten müssen die Oberpfälzer trotz Rot-Sperren der beiden Außenverteidiger Bene Saller und Leon Guwara, für den Lasse Günter einspringt. „Für mich ist das wenig nachvollziehbar, weil bei beiden Roten Karten vorher ein Foul gegen uns nicht gepfiffen wurde – und dann gleich zwei Spiele.“ Der Verein habe angesichts einer Sperre eines Magdeburgers von lediglich einem Spieltag vergeblich versucht nachzuhaken. „Jetzt muss man das so akzeptieren.“

Strafmaßnahmen gegen Leistungsverweigerer?

Mit Ausreden will sich der Trainer ohnehin nicht mehr aufhalten: „Trotzdem braucht keiner nach Ausreden zu suchen“, wischt Selimbegovic die Suche nach Sündenböcken vom Tisch. „War es Ecke, war es keine Ecke vor dem zweiten Tor? War es Elfmeter bei Owusu, war es kein Elfmeter? Es ist doch im Endeffekt alles egal – es liegt an uns! Es ist egal wer pfeift, was er pfeift, wo der Gegner steht, wo du spielst, gegen wen du spielst.“ Man müsse an jedem Spieltag versuchen, seine Grenzen zu überwinden und nicht abwarten, dass es ein anderer das für einen mache.

Umso unverständlicher das Verhalten seiner Mannschaft in Sandhausen: „Ich kann nicht verstehen, dass man dort mit Handbremse oder Angst spielt.“ Man habe nicht einmal vier Pässe hintereinander gespielt. „Es war immer ein langer Ball, dann ein Kampf um den zweiten Ball.“  Die entsprechende Kritik sei klar adressiert: „Es geht um Punkte, die bringen den Verbleib in der Liga, der elementar wichtig für diesen Verein ist.“ Ein paar Ansprachen habe es bereits gegeben, das letzte Wort sei aber noch nicht gesprochen: „Letztes Mal hat sich der Kader von allein aufgestellt, das kann diesmal anders sein – wenn ich der Meinung bin, dass der eine oder andere nicht bereit ist, das zu liefern, was ich sehen will, dann kann er zu Hause bleiben.“

Seit der Verletzung von Scott Kennedy, die den Kanadier die WM kostete, ging es bei Regensburg bergab. Bild: Jahn

Alois Schwartz: „Dreck unterm Fingernagel“

Auf der anderen Seite warnt Hansa-Trainer Alois Schwartz vor dem angeschlagenen Boxer aus der Oberpfalz: „Regensburg ist für uns eine harte Nuss, die wir knacken müssen.“ Man treffe auf eine Mannschaft mit vielen erfahrenen Spielern: „Elvedi, Breitkreuz, Gimber, Thalhammer, Owusu, Albers – da kommt eine Wucht auf uns zu, das ist eine sehr robuste Mannschaft, da gilt’s wieder alles abzurufen.“ Die negativen Jahn-Ergebnisse wolle er nicht überbewerten: „Die letzten Spiele der Regensburger waren immer sehr, sehr eng, es hätte auch in die andere Richtung ausgehen können.“

Alles andere als einen Selbstläufer erwarte er deshalb: „Auch wenn sie hinter uns stehen, das ist eine gute Mannschaft, da müssen wir alles abrufen.“ Nach zwei Hansa-Siegen in Folge sei dennoch noch nichts erreicht: „Das ist eine Momentaufnahme, die haben wir uns erarbeitet, das wollen wir nicht mehr hergeben.“ Eng, wie die Zweite Bundesliga nun mal sei – Hansa schlägt Kaiserslautern, die schlagen den HSV, spielen in Regensburg 0:0 – komme es darauf an, die vielen kleinen Dinge richtigzumachen: „Ich sag‘ immer, klein wie der Dreck unterm Fingernagel.“

Hansa-Trainer Alois Schwartz hat nach zwei Siegen in Folge wieder gut lachen: Im Februar war er von Schlusslicht Sandhausen entlassen und im März von Rostock angeheuert worden. Bild; jrh

Geheimwaffe Breier auf der Bank

Dabei lässt sich Schwartz auch den etwas glücklichen Dreier in Kaiserslautern nicht madig machen, wo Kritiker meinten, man bekomme ohne Entlastung nicht jedes Mal eine 1:0-Führung über die Zeit: „Ballbesitz steht in keiner Tabelle, die Tabelle ist unser Arbeitszeugnis“, hält der Trainer entgegen, der im Februar von Schlusslicht Sandhausen entlassen und im März von Rostock angeheuert worden war. „Ich denke, dass die Räume da waren, um den Druck rauszunehmen.“ Deshalb habe er ab der 70. Minute auch munter gewechselt, um demselben die Luft rauszulassen.

„Da hätte man vielleicht mehr daraus machen können.“ Wenn’s aber nicht gehe, dürfe man die Ruhe, die Ordnung nicht verlieren. „Wir haben die Box gut verteidigt, da haben alle mitgemacht in der Arbeit nach hinten, das ist die Basis.“ Eine Geheimwaffe behält Schwartz vorerst noch auf der Bank – Pascal Breier, der beim Pokal-Aus vergangenes Jahr in der 121. Minute das 3:3 erzielte und damit das Elfmeterschießen erzwang: „Wenn man Pascal dann reinwirft, das Adrenalin beim Gegner etwas hochgeht, das kann was bringen, es muss aber auch der Spielverlauf hergeben.“

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