Angsthasen-Jahn bei Schlusslicht Sandhausen Richtung Dritte Liga

Sandhausen. Erst nach dem 0:2 ist beim SSV Jahn so etwas wie ein Mut der Verzweiflung zu erkennen. Nach einer erbärmlichen ersten Halbzeit reicht aber eine 20-Minuten-Offensive der Regensburger nicht einmal für einen Punkt bei Schlusslicht SV Sandhausen.

Der SV Sandhausen jubel über einen in der Summe verdienten 2:1-Sieg gegen Jahn Regensburg. Bild: jrh

Was war das denn bitteschön für ein Plan? Wollte Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic allen Ernstes erst einmal die heimschwächste Mannschaft der Zweiten Fußballbundesliga kommen lassen, um auf deren Fehler zu warten? Oder waren die schlotternden Beine der abstiegsbedrohten Regensburger einfach zu schwer für diese Aufgabe?

Der SSV Jahn hätte sich für sein schlechtestes Saisonspiel keinen besseren Moment aussuchen können: Ausgerechnet beim ersten Endspiel um den Klassenerhalt beim Tabellenletzten lassen die Oberpfälzer über weite Strecken alles vermissen, was für die Existenzsicherung im Millionenspiel Fußball nötig gewesen wäre: Mut, Entschlossenheit, Leidenschaft.

Urbig findet keinen Abnehmer

Bezeichnend: Der beste Regensburger, Jahn-Keeper Jonas Urbig, sucht immer wieder verzweifelt nach einem Mitspieler, der den Ball haben möchte. Keiner will die Verantwortung für einen möglichen, entscheidenden Fehlpass in der eigenen Hälfte übernehmen. Dem jungen Torwart bleibt nichts anders übrig, als die Kugel ein ums andere Mal auf gut Glück nach vorne zu dreschen.

Bezeichnend: Wieder einmal kommt aus dem Mittelfeld so gut wie kein Impuls. Max Thalhammer verzögert die Bälle eher, als dass er den öffnenden Ball spielt. Über die Flügel? Fehlanzeige. Dass Charalambos Makridis mit auf dem Platz ist, merkt man erst nach der Pause bei seiner Auswechslung. Leon Guwara, der sich in der Schlussphase (85.) – als der Jahn endlich mal so was wie ein Powerplay aufzieht – die für Regensburg inzwischen gewohnte Rote Karte abholt, bringt so gut wie keinen Pass auf den eigenen Mann.

Prince Owusu ist beim Abstiegsduell in Sandhausen nicht nur wegen seines Anschlusstreffers ein Lichtblick im Jahnteam. Bild: jrh

Nur der Prince liefert ab

Konrad Faber als Saller-Ersatz zeigt keinen einzigen seiner schnellen Flügelläufe, mit denen er zu Beginn der Saison noch positiv auffiel. Stattdessen begleitet er Merveille Papela beim 1:0 (16.) über zehn Meter, ohne ihn zu stören. Der in der zweiten Hälfte eingewechselte Andreas Albers: ein Schatten seiner selbst. Der wuselige Ayguen Yilidirim: schaut ausschließlich in den Boden und sieht keinen Mitspieler. Einzig Prince Owusu überzeugt nicht nur wegen seines Anschlusstreffers zum 1:2 (64.) – er gewinnt fast jedes Kopfballduell, ist dann aber auf sich allein gestellt.

Dabei ist es ungerecht, einzelne Spieler bei diesem Fehlpass-Festival an den Pranger zu stellen. Die ganze Mannschaft enttäuscht in dieser Saison immer dann, wenn sie es selbst in der Hand hätte, auf ganzer Linie. Dass es eine Reihe von Spielen gab, die die Regensburger gewinnen hätten können, wenn nicht müssen, widerspricht dieser Bestandsaufnahme nicht. Dass die Vorentscheidung durch Dario Dumic‘ Kopfball (52.) nach einer dritten Ecke fällt, die es gar nicht hätte geben dürfen, weil die erste fälschlicherweise durch einen Pfostenschuss zustande kam: geschenkt!

Kein Handlungsbedarf?

Dass Pech und fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen dazu kamen, kann nach einem saisonübergreifenden Abwärtstrend ebenfalls nicht darüber hinwegtäuschen, dass der SSV Jahn nichts mehr mit den Mentalitätsmonstern der ersten beiden Zweitliga-Spielzeiten zu tun hat. Jahr für Jahr musste Regensburg prägende Spieler ziehen lassen und konnte sie nicht mehr adäquat ersetzen. Ein direkter Vergleich zeigt den Unterschied: Chima Okoroji, der über seine linke Seite zu Beginn viel Druck entwickelt und die Vorlage zum 2:0 serviert hat, hat den Jahn über Paderborn verlassen, um beim Tabellenletzten zu landen. Diese Wucht hätte man sich auch von Guwara gewünscht.

Warum die Verantwortlichen – alter Sportchef, neuer Sportchef – vor diesem Hintergrund und nach den Erfahrungen der vorangegangenen Saison, als man nach 28 Punkten in der Hinrunde mit Müh’ und Not die Klasse halten konnte, in der Winterpause nur beim Torwart Handlungsbedarf sah, wird ihr Geheimnis bleiben.

Sandhausen schaukelt das 2:1 schlussendlich gemütlich über die Zeit. Bild: jrh

Nur Kampf und Krampf

Apropos Leon Guwara: Der Auftakt für den SSV Jahn ist durchaus vielversprechend. Mit seinem ersten Abschluss trifft er die Werbebande (3.). Das war’s dann aber auch mit dem Zeichen setzen. Anschließend geht auf beiden Seiten erste einmal nichts außer Kampf und Krampf. Sandhausen merkt, dass man die Regensburger in dieser Form nicht zu fürchten braucht und wird mutiger. Papela lässt erst Faber, dann auch noch Kapitän Bene Gimber stehen und zieht von der Strafraumgrenze ab –Jan Elvedi fälscht den Ball unhaltbar für Urbig zum 1:0 (16.) ab.

Aus dem Zufall geboren, fallen den Oberpfälzern dennoch einige Bälle vor die Füße: Frei stehend vor dem Tor verpasst Owusu den Ball (20.). Kurz vor dem Pausenpfiff ist erneut Owusu bei einem überraschenden Pass zur Stelle und setzt einen Flugkopfball aus sechs Metern an den Querbalken (46.).

Auflösungserscheinungen nach dem 2:0

Immerhin, Jahn-Trainer Selimbegovic hat erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Yildirim und Albers kommen für Makridis und Singh. Aber zunächst zeigen eher die Gastgeber Lust auf die Vorentscheidung – Papela darf erneut unbedrängt draufhalten. Sein Schuss prallt vom Pfosten ins Aus, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf (50.): Bundesliga-Schiri Deniz Aytekins einziger, wenn auch folgenschwerer Fehler – denn nach der daraus folgenden Eckenserie setzt sich Dumic gegen den kleineren Guwara durch und köpft Okorojis Vorlage zum 2:0 unhaltbar in den Regensburger Kasten (52.).

Anschließend zeigen sich erste Auflösungserscheinungen bei den Gästen. Nach vorne geht erst einmal gar nichts mehr und hinten ist die Regensburger Defensive offen wie der Pazifische Ozean. Okoroji (56.) vergibt knapp, Urbig rettet mit Monsterreflex gegen Alexander Essweins Schuss aus acht Metern (58.). Dass es trotzdem noch einmal spannend wird, haben die Rot-Weißen dem Zufall und Prince Owusu zu verdanken, der gedankenschnell und artistisch eine eher schwierige Hereingabe volley unter die Latte knallt (65.).

Rot, Ende, Aus

Ein Wirkungstreffer für Sandhausen, das sich jetzt nur noch hinten reinstellt und die Bälle nach vorne drischt. Owusu verzieht in der Folge denkbar knapp (77.), SV-Keeper Drewes pariert Yildirims Abschluss, der frei vor ihm auftaucht (83.). Als die tapferen Jahn-Fans gerade anfangen, wieder an eine Wende zu glauben, sorgt die Rote Karte für Guwara für den nächsten Tiefschlag – mit viel zu hohem Bein traf der Linksverteidiger Christian Kinsombi am Kopf.

Es gibt Mannschaften, die so etwas wegstecken – oder erst recht eine kreative Wut entwickeln. Nicht so der SSV. Sandhausen hat anschließend kaum mehr Mühe, das 2:1 bis zum Ende der 96. Minute über die Zeit zu schaukeln. Der SVS zieht damit mit den Oberpfälzern nach Punkten gleich und gastiert am Sonntag bei der direkten Konkurrenz aus Braunschweig (13.30 Uhr). Der Jahn reist bereits am Samstag zum nächsten Endspiel (13 Uhr) nach Rostock.

* Diese Felder sind erforderlich.