Jahn in Liga 3: Hexer Gebhardt und Joker Huth retten Dusel-Punkt gegen Chancenwucher-Löwen

Regensburg. Es ist der schmeichelhafteste Punkt für den SSV Jahn in dieser Saison. Die Löwen lassen mindestens Chancen für ein 3:0 liegen. Genauer: Keeper Felix Gebhardt verhext den glücklosen Fynn Lakenmacher bei zwei 1:1-Situationen. Und am Schluss springt Joker Elias Huth am höchsten.

Jahn-Hexer Felix Gebhardt bringt Löwen-Spitze Fynn Lakenmacher zur Verzweiflung. Foto: jrh

Taktische Finte mit Ansage von Löwen-Trainer Argirios Giannikis: 1860 dreht den Spieß einfach um, spiegelt das übliche Jahn-Pressing und überlässt den Regensburgern ansonsten den Ball, mit dem sie vor einer dicht gestaffelten und höchst aufmerksamen blauen Defensive wenig anfangen können. Giannikis hatte diese Herangehensweise angekündigt, die Elf von Jahn-Trainer Joe Enochs findet dennoch kein Mittel dagegen.

So laufen die Regensburger schon zu Beginn in besorgniserregende Konter der Gäste, ohne sich selbst auch nur den Hauch einer Torchance zu erspielen. Man merkt den Oberpfälzern zwar den Willen zum Widerstand an. Anstatt konstruktiver Attacken verdaddeln die hyperaktiven Regensburger allerdings immer wieder hektisch die Kugel und eröffnen Räume auf der anderen Seite.

Hektische Ballverluste

Etwa als Fynn Lakenmacher im Mittelfeld den Ball klaut, sich mit Julian Guttau, Eliot Muteba und Morris Schröter vor den Kasten kombiniert und Lakenmacher dann plötzlich alleine vor dem Jahn-Keeper auftaucht: Felix Gebhardt rettet den SSV mit glänzendem Stellungsspiel und Fußabwehr vor dem Blitz-Rückstand (4.). Die Löwen sind wacher, entschlossener und man muss befürchten, dass sie nach dem Muster Regensburgs in Münster, schon in den ersten 30 Minuten die Vorentscheidung erpressen wollen.

Ganz anders die Offensivbemühungen des – nach Ulms Heimsieg gegen Münster – aktuellen Tabellenzweiten: Konrad Faber sucht den Sturmriesen Noah Ganaus in der Mitte, die Flanke gerät viel zu weit (11). Dem schließt sich der hyperaktive Rasim Bulic an: Sein Steilpass auf Bene Saller auf der rechten Außenbahn ist um Meilen zu optimistisch (15.). Noch grotesker ist die Idee von Oscar Schönfelder, der mangels Anspielstation zu Gebhardt zurückspielen will, stattdessen ins Aus zur Ecke für 1860 verzieht (23.).

Jahn-Defensivallrounder Oscar Schönfelder fällt gegen 1860 mehr durch Diskutieren als Brillieren auf. Foto: jrh

Ratlos, hilflos, verzweifelt

Die Hilflosigkeit im Spielaufbau ist den Regensburgern ins Gesicht geschrieben. Wiederholt blicken Robin Ziegele, Bene Saller oder Louis Breunig ratlos in die Ferne, um dann mit dem Ball am Fuß abzubremsen und mit Rückpass auf Nummer sicher zu gehen. Die Folge: Dominik Kother, dem selbst ungewohnt oft die Bälle verspringen, weiß sich nach kurzem Antritt nicht anders zu helfen als mit einem Verzweiflungsschuss aus rund 30 Metern ins Nirwana (29.).

Genervt von der undurchdringlichen Löwenmauer und der hart am Mann ackernden 60-Abwehr verliert sogar der einzige Jahn-Akteur mit Überblick, arg bedrängt und gezupft von Guttau, die Nerven: Kapitän Andi Geipl gibt seinem Widersacher einen Schwinger mit dem rechten Arm auf den Rücken mit auf den Weg – hektische Rudelbildung, Schiri Sören Stork behält ruhig Blut und belässt es bei einer Gelben Karte (43.).

Löwen-Fans feiern die bis dahin verdiente Führung im Jahn-Stadion. Foto: jrh

Ballverlust, Konter, Rückstand

Nach dem Pausenpfiff versucht sich Löwe Michael Glück in der Mitgestaltung einer hitzigen Derby-Atmosphäre: An der Strafraumkante grätscht er Ganaus anstatt den Ball weg und holt sich Gelb ab (47.). Vor Geipls Freistoß hat Bulic noch die etwas befremdliche Idee, den Richtung Mauer startenden Leroy Kwadwo festzuklammern – wofür auch immer. Der anschließende Freistoß ist einmal mehr zu unplatziert (50.).

Jetzt möchte auch Ziegele seinen Beitrag zur blauen Aufregung leisten, indem er Kwadwo mit Wucht an der Seitenlinie weghaut – auch er sieht das leuchtende Kärtchen (51.). Ballverlust von Saller auf der linken Außenlinie in der Münchener Hälfte, Konter über Muteba und Guttau, der Schröter bedient. Der erwischt Breunig auf dem falschen Fuß, hat freie Schussbahn und netzt mit links ins rechte untere Eck ein, 0:1 (54.).

Gute Stimmung vor dem Derby gegen die Löwen im Jahn-Stadion. Foto: jrh

Effektiver Mordsdusel

Anschließend verliert der Jahn minutenlang völlig die Ordnung. Schröters Freistoß kann Glück unbedrängt mit dem Kopf an die Latte schnalzen (57.). Der vor allem durch lamentierendes Gestikulieren aufgefallene Schönfelder bringt immerhin eine verwertbare Flanke von links auf den zweiten Pfosten, wo der oft verträumt agierende Ganaus das Außennetz anvisiert (65.). Gefährlich wird’s wieder nur vor dem Jahn-Tor: Der eingewechselte Abedenego Nankishi dribbelt ein Loch ins Jahn-Mittelfeld, bedient den alleine auf Gebhardt zusteuernden Lakenmacher – der Jahn-Hexer pariert mit Karatefuß (72.).

Und dann erinnert sich der Jahn daran, dass man doch die Mannschaft ist, welche die meisten Tore in der letzten Viertelstunde erzielt: Erste präzise Ecke von Kother, der eingewechselte Joker Elias Huth steht und springt goldrichtig und köpft die Kugel fast unbedrängt wuchtig unter die Latte, 1:1 (81.). Das nennt man dann wohl gnadenlose Effektivität – oder eben Mordsdusel!

Joker Elias Huth rettet dem Jahn einen Punkt gegen bessere Löwen. Foto: jrh

Mentalität im Schlussspurt dringend gefragt

Nankishi unterwegs zur erneuten Löwen-Führung? Gebhardt, wieder gedankenschnell, spitzelt die Kugel 30 Meter vor seinem Kasten in letzter Sekunde weg (87.). Auf der anderen Seite behauptet Ganaus den Ball im 16er, seinen Drehschuss kann der überraschte Löwen-Keeper Marco Hiller gerade so abwehren (88.). Der Jahn jetzt in der vierminütigen Nachspielzeit erstmals so richtig on Fire: Christian Viet verlängert die letzte Ecke ans Außennetz (90.+5). Feierabend.

„Ein Sieg hätte uns sehr gutgetan heute“, weiß der eloquente Punktretter Elias Huth nach dem Spiel, das vor den Spielen bei Spitzenreiter Ulm und gegen Verfolger Dresden (auch nur 1:1 bei Schlusslicht Freiburg II) kein wirklicher Tranquillizer ist. „Jetzt kommen ohne Frage Top-Spiele, aber wenn man das überhöht, verliert man den Fokus auf anstehende Spiele gegen Saarbrücken, Köln oder Freiburg.“ Auch diese Spiele wollen in dieser Form erst einmal gewonnen werden. Mentale Stärke sei gefragt: „Eine unserer Stärken, bis hier hin. Wir haben aber noch fünf Spiele.“

Joker Elias Huth rettet dem Jahn einen Punkt gegen bessere Löwen. Foto: jrh

Stimmen zum Spiel

Jahn-Trainer Joe Enochs: „In der ersten Halbzeit hat 60 die Chance, wo Felix super hält – die eine Aktion von Lakenmacher und Guttau, wo sie super kombiniert haben. Danach waren wir besser im Spiel, ohne eine klare Torchance gehabt zu haben. Zweite Halbzeit: Wir waren am Drücker und genau in dieser Phase machen wir einen blöden Fehler an der Außenlinie, werden ausgekontert, und kriegen das 1:0 von Schröter, was er sehr gut macht. Darauf sind wir wieder im Spiel, lassen aber Konterchancen zu, und dann muss man ehrlich sagen: Wenn die das 2:0 machen, wo Felix Gebhardt wieder überragend hält, dann sind wir tot.

Die Mannschaft hat immer an sich geglaubt, wir sind zurückgekommen. Ich habe das Gefühl gehabt, dass wir am Ende des Spiels nachlegen könnten, wir waren drauf und dran. Letztlich ein verdientes Unentschieden, wobei 60 diese Riesenchance gehabt hat zum 2:0. Ein Spiel auf Augenhöhe, was wir vor dem Spiel gesagt haben, aber wir nehmen den Punkt mit. Mein Fokus gilt jetzt Ulm, das ist eine Top-Mannschaft, die haben Top-Mannschaften geschlagen, wie gerade Münster, und deswegen müssen wir an unsere Leistungsgrenze gehen, etwas klarer sein beim Spiel mit dem Ball. Gut, dass wir einen Punkt mitnehmen, gezeigt haben, dass wir zurückkommen, aufstehen, weitermachen.“

Jahn-Joker Elias Huth: „Den Punkt nehmen wir mit, wir sind nicht so überheblich, dass wir sagen, wir müssen jedes Spiel gewinnen. Wir müssen uns jeden einzelnen Punkt hart erkämpfen. So haben wir uns diesen Punkt auch sehr, sehr hart erkämpft gegen eine sehr, sehr starke 60er-Mannschaft, die in dieser Saison weit unter ihren Möglichkeiten spielt. Wir nehmen diesen Punkt mit und gehen in das Topspiel gegen Ulm.

Zum Schluss hatte ich vielleicht noch die Hoffnung, dass wir das Spiel drehen. Ganz großes Lob an Felix Gebhardt, der uns nicht nur in diesem Spiel, sondern mehrfach schon im Spiel hält. Gegen Münster haben wir vielleicht das beste Spiel gemacht in dieser Saison, da waren wir zu 110 Prozent dabei. Die letzten Prozente haben vielleicht heute gefehlt. Das nehmen wir uns immer vor, aber nicht immer gelingt es.“

Löwen-Trainer Argirios Giannikis: „Wir haben auch offensiv ein gutes Spiel gemacht, starten sehr gut mit der Chance für Lakenmacher, haben gar nichts zugelassen, gehen in Führung, haben einen Latten-Kopfball, stehen zweimal allein vorm Torwart – ich glaube, da wäre das Spiel höchstwahrscheinlich gegessen gewesen. Bis zum 1:1, bis zu dem einen Standard, wo wir wussten, dass sie stark sind, haben wir das Spiel total kontrolliert und hätten auch höher führen müssen.

Dementsprechend sind wir zufrieden, was die Leistung betrifft, und die taktische Einstellung, die läuferische Einstellung, wie die Mannschaft gearbeitet hat. Wir haben aber vergessen, das 2:0, das 3:0 zu machen, deshalb sind wir nicht ganz zufrieden heute. Es gibt so Spielphasen, wo du das Spiel auf deine Seite lenken kannst, das haben wir leider nicht genutzt. Jetzt haben wir vier Punkte aus zwei Spielen geholt, gegen den Tabellenführer gespielt, prinzipiell einen guten Auftritt hingelegt, wir haben alles in der eigenen Hand.“

1860-Schütze Morris Schröter: „Wenn man die Art und Weise so von Beginn an den Tag legt, dann möchte man das Spiel auch gewinnen am Ende des Tages. Die Chancen sind dagewesen, wir haben über weite Strecken ein sehr ordentliches Auswärtsspiel gemacht. So wie wir’s auch letzte Woche erlebt haben, Standardsituationen sind spielentscheidend mit. Das müssen wir uns angucken, das müssen wir vielleicht nächstes Mal besser verteidigen.

Es ist ja nicht nur Fynn Lakenmacher daran schuld, dass wir das Spiel heute nicht für uns entschieden haben, das weiß er selber. Es gab es auch andere, die schon Chancen haben liegenlassen. Es ist vielleicht auch nicht so gut, wenn man zu viel Zeit hat zu überlegen. Heute ein Punkt beim Tabellenführer, es gibt schlechtere Ergebnisse und es gibt Mannschaften, die hier schlechter gespielt haben. Im Hinblick auf den Abstiegskampf nehmen wir den Punkt mit.“

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