Regensburg in Liga 3: Jahn-Herda gegen Löwen-Fürst vor dem Derby

Regensburg. Zwei Leidensgeschichten in einer Redaktion: Der eine durchlebt seit dem sechsten Lebensjahr das Auf und Ab des SSV Jahn. Der andere den tiefen Fall der Löwen seit dem legendären Relegationsspiel in München, als enttäuschte 1860-Fans Stangen warfen. Wiedersehen am Sonntag, 13.30 Uhr, im Jahn-Stadion.

Münchener Gastfreundschaft: Als in der Allianz-Arena Stangen und Sitzschalen flogen. Archivfoto: jrh

„Als Sechzger seit dem zehnten Lebensjahr (verdammt lang her) muss ich nicht erklären, welche Leiden ich in all den Jahren erleben ,durfte‘“, macht Sport-Redakteur Udo Fürst den Anfang. „Und ein besonderer Tiefpunkt war der ausgerechnet vom ,Provinzclub‘ SSV Jahn (und einigen anderen Faktoren) verursachte Abstieg aus Liga 2. Ich erinnere mich nur noch schemenhaft an fliegende Sitze, einen ratlosen Trainer und seelenlose Söldner in blauen Trikots. Welch eine Schande!

Heute, sieben Jahre und einige graue Haare später, geht es also wieder in die Oberpfälzer Hauptstadt, deren Einwohner (zumindest viele davon) lieber Münchener wären oder zumindest so tun als ob. „Sammgogger“ sozusagen, wie der Nordoberpfälzer sagen würde. Und deren Fußballfans lieber den Roten aus der Landeshauptstadt als ihrem SSV Jahn und schon gar nicht den Löwen zujubeln. Allein das wäre schon ausreichend Grund dafür, diese Emporkömmlinge zu verachten. Aber da tue ich nicht. Ich respektiere vielmehr die beachtliche Entwicklung dieses Vereins mit seinem Schmuckkästchen als Stadion.

Drei Fuchsmühler Löwen-Fans vor dem Stadion: Dominik, Christopher und Sportredakteur Udo Fürst. Foto: privat

Kurzes Hoch unter dem Fuchsmühler Köllner

Genug des Lobes und zurück zu den Niederungen der allgegenwärtigen und nie endenden Löwen-Malaise. Nach dem kurzen, auch von meinem Fuchsmühler Landsmann und Freund Michael Köllner als Löwen-Bändiger ausgelösten Höhenflug vor eineinhalb Jahren geht es wieder kontinuierlich in die Richtung, für die der TSV von 1860 München scheinbar gegründet wurde: bergab! Nach dem zweiten Trainerwechsel seit Köllner (dessen Nachfolger ,Tschackowinski‘ oder so ähnlich hieß) schien es unter dem Neuen mit dem ebenfalls unaussprechlichen Namen Argirios Giannikis tatsächlich aufwärtszugehen.

15 Punkte aus sieben Spielen holte der Neue mit seinem Team, das im Januar noch komplett am Boden lag. Man war unbesiegt im neuen Jahr und hatte den Anschluss ans Mittelfeld hergestellt. Schon träumten die ganz Unverbesserlichen, zu denen auch ich gehöre, gleich wieder von ganz oben, zumindest von Platz 3, der ja noch möglich wäre. Längst sind die Löwen wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet, vier Niederlagen am Stück ließen das Abstiegsgespenst schneller zurückkehren als die Sonne nach dem Gewittersturm. Am vergangenen Samstag die erneute Kehrtwende: ein wichtiger 3:1-Sieg gegen Viktoria Köln! Der Auftakt einer neuen Erfolgsserie? Wie schön wäre das denn …“

Vom Jahn-Opa infiziert

„Die Fanbrille sucht man sich nicht aus“, sagt Jürgen Herda. „In die wächst man hinein. Jedenfalls ging es mir als gebürtigen Regensburger so, seit mich der Opa mit etwa 5 Jahren zu jedem Heimspiel mit ins Stadion nahm. Jahre später, mit meinem ersten Käfer, revanchierte ich mich und nahm den Sepp zu jedem Auswärtsspiel in die Metropolen Bayerns mit – nach Ingolstadt, Würzburg, Helmbrechts oder Ampfing. Besonders schmerzhaft in Erinnerung: die Heimniederlage gegen Homburg (0:1), die den Abstieg aus der Zweiten Bundesliga besiegelte – vor damals 500 Zuschauern!

Die Löwen spielten aus damaliger Sicht in einer ganz anderen Liga, auch wenn sich hin und wieder die Wege peinlich kreuzten – etwa bei den zwei 7:1- oder 7:2-Packungen auf Giesings Höhen. Das Blatt wendete sich erst, als dem SSV Jahn 2017 gegen die bunt zusammengewürfelte Startruppe mit dem portugiesischen Trainer Vitor Pereira die Relegations-Sensation im Olympia-Stadion gelang. Mit Sportprofessor Christian Keller als Sanierer und dem Mentalitätsmonster-Macher Achim Beierlorzer schien eine lange Zweitliga-Ära angebrochen. Bekanntlich endete sie vergangenes Jahr.

Unentdecktes Regensburger Talent am Jahn-Platz 1976. Foto; privat

Treffen der zwei Wundertüten

Am Samstag treffen die beiden ungleichen Gegner aus der Hauptstadt der Oberpfalz und der Bayerns erneut aufeinander. Beide immer noch Wundertüten, deren Form man nur schwer prognostizieren kann. Erst legen die Regensburger mit einer völlig neu formierten Mannschaft eine spektakuläre 10er-Siegesserie hin und lassen hoffen, dass sie, einmal eingespielt, kaum mehr zu bremsen sind. Doch anstatt immer noch besser zu harmonieren, brachen die Leistungen in der Rückrunde massiv ein.

Der Jahn verspielte einen 12-Punkte-Vorsprung. Als man bereits die letzten Felle davon schwimmen sah, dann erneut eine Kehrtwende. Erst ein bescheidenes 2:0 gegen den abstiegsgefährdeten Halleschen FC. Und dann, ausgerechnet bei der Mannschaft der Stunde, dem neuen Seriensieger Preußen Münster, ein überzeugendes 3:1. Am kommenden Sonntag, 13.30 Uhr, gegen die genauso unberechenbaren Löwen ist deshalb alles möglich.

Rächen sich die Löwen für das Relegations-Debakel?

Für chronisch pessimistische Fans beider Lager ohnehin. Entweder Regensburg stellt die Weichen ein weiteres Mal auf sofortigen Wiederaufstieg. Oder die Löwen rächen sich für das Relegationsdebakel und die Last-Minute-Hinspiel-Niederlage und vermasseln den Oberpfälzern ausgerechnet vor den schweren Duellen gegen die direkten Aufstiegskonkurrenten Ulm und Dresden die Chance, wenigstens ein kleines Polster aufzubauen.

Natürlich wird man in Regensburg nicht müde zu betonen, dass der direkte Wiederaufstieg nicht geplant war. Alles andere wäre auch bemerkenswert dämlich: Man setzt sich nicht ohne Not massiv unter Druck, um dann nur die hochfliegenden Erwartungen enttäuschen zu können. Aber gerade mit Blick auf das Schicksal der Löwen, die seit 2017 und dem bitteren Gang nach Lizenzentzug in die Regionalliga, vergeblich versuchen, in die wesentlich besser dotierte Zweite Liga aufzusteigen, weiß man beim Jahn genau: So eine Chance zu verspielen, wäre kriminell fahrlässig. Das sollte genug Motivation für Sonntag sein.

„Taktiktafel vor dem Spiel“ auf sechzger.de

Die Taktiktafel des Fanportals sechzger.de analysiert ausführlich die Spielweise des nächsten Gegners, statistische Werte, Stärken und Schwächen des Regensburger 4-2-3-1, die Schlüsselspieler von U21-Nationalkeeper Felix Gebhardt bis zum Ex-Löwen Andi Geipl und kommt zu folgendem Fazit:

„Mit viel Einsatz, ohne Eigensinn und mit breiter Brust muss man beim Jahn auftreten, um dort etwas Zählbares mitzunehmen. Die als Favorit ins Match gehenden Hausherren muss man aggressiv und bestimmt bespielen, dann können sie anfangen zu wackeln. Die Löwen müssen eine geschlossene Mannschaftsleistung mit höchster Konzentration gegen den Ball zeigen, um den Oberpfälzern Paroli zu bieten.

Die Mannschaft des Jahn mit den eigenen Mitteln zu schlagen, könnte ein Rezept sein, das aufgeht. Präzises Umschalt- und Konterspiel wird gegen die Domstädter effektiver sein als sich mit viel Ballbesitz im Positionsspiel müde zu laufen, um dann dem Jahn, der im Umschaltspiel das Non-Plus-Ultra der Liga ist, ins Messer zu laufen. Die Mannschaft des TSV 1860 München wird von Trainer Giannikis sicherlich den richtigen Matchplan bekommen, um gegen Jahn Regensburg erfolgreich zu sein. Ob das am Ende umsetzbar ist, werden wir nach der Partie wissen.“

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