Jahn in Liga 3: Zwei Sonntagsschüsse im Nerven-Derby gegen Ingolstadt

Regensburg. Der große Befreiungsschlag bleibt aus. In einer extrem nervösen Partie sorgen Sonntagsschüsse auf beiden Seiten für ein unterm Strich leistungsgerechtes Remis. Bryang Kayo bringt den FC Ingolstadt mit dem ersten Schuss in Führung. Bene Saller gleicht mit Traumtor nach kurzer Ecke für den SSV Jahn aus.

Beäugen sich nach dem Remis gegen den FC Ingolstadt etwas unschlüssig: Die Spieler des SSV Jahn und die Fans. Foto: jrh

Jahn-Trainer Joe Enochs hat es den Seinen in den vergangenen Wochen immer und immer wieder erklärt. Aktiver mit und gegen den Ball sollen sie spielen, die Kompaktheit zurückerobern. „Der Worte sind genug gewechselt“, fand schon Goethe, „lasst mich auch endlich Taten seh’n!“

Den Willen kann man den Regensburgern im Derby gegen den FC Ingolstadt beileibe nicht absprechen. Sie versuchen von Beginn an beherzt zu pressen, allein, es fehlt jegliche Passgenauigkeit. Von dieser Schwäche, die nach der Negativserie der Rückrunde wohl vor allem Kopfsache ist, ist keiner gefeit: Von Florian Ballas hinten angefangen, über Bene Saller, der einen Ball vertändelt und sich Gelb einhandelt, bis zu Kapitän Andi Geipl, dessen Querschläger fatale Folgen haben sollte – selbst Duracell-Läufer Konrad Fabers früher so gefährliche Pässe landen meist im Nirwana.

Jeder sieht seinen eigenen Film

Glück für Regensburg: Die Ingolstädter machen es nicht besser – und sind zu Beginn noch dazu deutlich passiver unterwegs. Aus welchem Überraschungsei dann FCI-Coach Michael Köllner nach dem Abpfiff die Erkenntnis zog, „am Ende waren wir in der ersten Halbzeit das bestimmende Team“, bleibt sein Geheimnis. Zu seiner Ehrenrettung sei aber erwähnt, dass auch die Regensburger ihren ganz eigenen Film gesehen haben.

Traumtorschütze Bene Saller etwa sagt nach dem Eifer des Gefechts: „Vom Gefühl her waren wir schon über 90 Minuten die bessere Mannschaft.“ Na ja! Und auch Jahn-Trainer Enochs malt ein doch recht rosiges Gemälde von einem Spiel, das über weite Strecken von Nervosität und Fehlpässen geprägt ist: „Ich bin sicher, wenn wir so auftreten wie in der Zweiten Halbzeit, dass wir viele Punkte einsammeln werden.“ Ja, die zweite Hälfte war besser, aber die größeren Chancen hatte Ingolstadt.

Überflüssige Debatten von Oscar Schönfelder und Andi Geipl mit Schiri Timo Gansoweit, an dem es nicht gelegen hat, dass es nicht zum Dreier reichte. Foto: jrh

Kothers einzige Chance in Hälfte 1

Erste Torannäherung der Regensburger nach gut zehn Minuten. Viet macht am linken Strafraumeck den 11.500 Oberpfälzern unter den 12.500 Fans Hoffnung, spielt dann aber einen haarsträubenden Fehlpass zurück (11.) Auch die erste vielversprechende Kombination – Geipl über Saller auf Christian Viet – taugt nicht für den ersten Abschluss (15.).

Die erste richtig gute Chance der ersten Halbzeit für den Jahn sollte auch die letzte bleiben: Dominik Kother steuert aus etwas spitzem Winkel im Strafraum auf FCI-Keeper Marius Funk zu, schießt ihn aber die Kugel zu zentral in die Arme (17.). Eine blitzsaubere Idee von Viet beim Freistoß aus dem Halbfeld, als sich der Pulk mittig am Strafraum tummelt, Kother steil in den freien linken Teil des Strafraums zu schicken, scheitert an der Ausführung ins Aus (20.).

Bene Saller nach seiner überflüssigen Gelben Karte. Mit seinem Traumtor gegen Ingolstadt hat er den ersten Eindruck wieder wettgemacht. Foto: jrh

Kayos Blitz nach Geipls Blindflug

Stattdessen das Malheur auf der anderen Seite: Andi Geipl will die Kugel mit einem blinden Drehschuss aus dem eigenen Strafraum dreschen, sie landet bei Bryang Kayo, der noch ein, zwei Schritte macht und aus rund 18 Metern flach abzieht – was zunächst auch ein wenig nach einem Torwartfehler aussieht, weil Felix Gebhardt bei diesem ersten Ingolstädter Torschuss noch mit den Fingerspitzen dran ist, erweist sich in der Zeitlupe dann doch als Ball, der nur in Weltklasseform zu entschärfen ist, 0:1 (37.). Das Comeback des U21-Nationalkeepers ist ansonsten tadellos.

Halb Frust, halb Lust an Gelb ist dann Sallers ironischer Applaus für den Linienrichter, nachdem er zuvor Mause klar abgeräumt hat und schon für das taktische Foul allein die Karte sehen hätte können (44.). Kurz vor der Pause fast so was wie Auflösungserscheinungen der Jahn-Abwehr: Keidels abgefälschter Schuss fällt hinter Faber runter, der paralysiert stehen bleibt – Kayo schafft es, die Kugel aus fünf Metern über die Latte zu schmettern (46.).

Der Jahn-Fanclub-Vorsänger der Hans-Jakob-Tribüne betont: “Wir stehen zu euch!” Die Stille in der ersten Hälfte war ein Protest gegen Stadionverbote. Foto: jrh

Erst Pfeifkonzert, dann Unterstützung in Hälfte 2

Zum ersten Mal in dieser Saison setzt es für die Oberpfälzer ein dezentes Pfeifkonzert vom Regensburger Publikum als akustischen Pausentee. Insgesamt ist aber auch die Mannschaft ein wenig enttäuscht über die zuvor – aus ihrer Sicht – zu zurückhaltende Unterstützung der zahlenden Zuschauer. Der Vorsänger der Hans-Jakob-Tribüne sollte nach dem Spiel mit Flüstertüte dem versammelten Team erklären, dass es sich dabei um Protest gegen Stadionverbote gehandelt und nicht etwa gegen den Jahn gerichtet habe.  

Mit dem Wiederanpfiff ist dann nicht nur die – etwas überraschend – unveränderte Jahn-Mannschaft, sondern auch das Publikum deutlich wacher. Anders als Joe Enochs ersetzt Michael Köllner die zwei Gelb-verwarnten Kayo und David Kopacz als Vorsichtsmaßnahme durch Benjamin Kanuric und Anan Llugiqi.

Leichter Tumult im Jahn-Strafraum vor einer Ingolstädter Ecke. Schiri Timo Gansloweit schreitet ein. Foto: jrh

Statt Jahn-Halali: FCI näher am 2:0

Wieder eröffnet Kother den zarten Reigen der Regensburger Torchancen. Deichmann drängt den Linksaußen etwas ab, den Abschluss pariert Funk mit den Fäusten (51.). Dann eine etwas kuriose Szene, als Faber die Kugel gerade noch an der Grundlinie in den Strafraum drechselt, und der heran rauschende Saller am langen Pfosten die ellenlange Flanke am linken Pfosten vorbei hämmert (57.). Als es gerade etwas besser läuft für den Jahn, entschließt sich Enochs doch zu den ersten offensiven Wechseln: Valdrin Mustafa kommt für den eher blassen Rasim Bulic und Elias Huth für Oscar Schönfelder, der sich nach fahrigem Beginn in der zweiten Hälfte gesteigert hatte (62.).

Statt das Halali zum Ausgleich fast das 0:2 auf der Gegenseite: Erst pariert Gebhardt Deichmanns Kopfball nach einer Ecke (64.). Dann streift Felix Keidels Direktabnahme von der Strafraumkante haarscharf am rechten Pfosten vorbei. Jannik Mause köpft nach einem Freistoß von rechts genauso drüber (69.) wie Kapitän Simon Lorenz nach einem Freistoß einige Meter am rechten Pfosten vorbei (70.).

Erleichterung beim SSV Jahn nach Bene Sallers Ausgleich gegen den FC Ingolstadt. Foto: jrh

Folgenschwerer Wechsel?

Ist diese Auswechslung möglicherweise mit spielentscheidend, wie FCI-Trainer Michael Köllner vermutet? Julian Kügel kommt für Maximilian Dittgen (75.). „Dadurch haben wir ein wenig die Zuordnung verloren.“ Der Jahn mit kurzer Ecke, Dominik Kother zu Christian Viet, der reicht weiter auf Saller – im gänzlich freien Rückraum nimmt er Maß und zimmert die Kugel aus rund 20 Metern ins rechte Kreuz, 1:1 (77.).

Huth und Mustafa haben etwas Schwung in die Jahn-Offensive gebracht. Noah Ganaus, der in manchen Szenen zu zögerlich, fast ängstlich wirkt, flankt von der Grundlinie, Huth legt den Ball artistisch ab, Mustafa aber schlägt ein Luftloch (86.). Auch auf der anderen Seite kann es nochmal klingeln: Verwirrung vor dem Jahn-Tor nach dem langen Ball auf Kügel, weil die Innenverteidigung keinen Zugriff hat – Gebhardt sichert den für eine Sekunde in der Schwebe liegenden Ball (91.).

Der FC Ingolstadt entfachte nicht gerade ein Feuerwerk beim SSV Jahn, hatte aber ein leichtes Chancen-Plus. Foto: Jürgen Herda

Mindestens eine Nacht wieder Spitzenreiter

Was Andi Geipl in letzter Minute mit seinem Weitschuss aufs leere Tor zum damaligen 4:2-Auswärtssieg im Hinspiel beim FCI gelang, bleibt Konrad Faber verwehrt – der rechte Flügelflitzer treibt den Ball über seinen Flügel nach vorne, seine Flanke aber gerät viel zu weit. Und auch Kother kann einen langen Ball am Strafraum nicht kontrollieren (95.). Schließlich müssen sogar noch einmal die Regensburger ob der langen Einwürfe des eingewechselten Ryan Malone und einer letzten Ecke bangen. Dann ist Schluss, das Remis in diesem Nerven-Derby geht letztlich in Ordnung.

Mit dem winzigen Pünktchen nach fünf sieglosen Spielen erobert der Jahn zumindest für eine Nacht die Tabellenführung von Dynamo Dresden zurück, das sich nach dem 2:1 über 1860 wieder nach vorne geschoben hatte. Das Gleiche könnte freilich auch dem SSV Ulm mit einem Heimsieg am morgigen Sonntag gegen Sandhausen gelingen. Spätestens am nächsten Samstag, 14 Uhr, aber sollte sich der Jahn anders als in Mannheim beim Vorletzten Lübeck nicht ein weiteres Mal blamieren, wenn die immer noch vorhandene Aufstiegschance nicht endgültig verspielt werden soll.

Zurück im Jahn-Tor: Gegen den Ingolstädter Führungstreffer war Felix Gebhardt wohl machtlos, ansonsten zeigte er ein einwandfreies Comeback. Foto: jrh

Stimmen zum Spiel

Jahn-Trainer Joe Enochs: „Obwohl wir in der ersten Halbzeit nicht viele Torchancen hatten, haben wir Ingolstadt weit weg vom Tor gehalten. Natürlich, die eine Torchance, wo sie aus 20 Metern das 1:0 machen, ist ein schönes Tor. Aber ansonsten fand ich, dass wir gut im Spiel waren. In der Zweiten Halbzeit sind wir ein bisschen mehr Risiko eingegangen, die Jungs kamen zum Ausgleich. Wir haben die letzten 25 Minuten sehr druckvoll gespielt. Aber Ingolstadt blieb immer gefährlich bei den Kontern, wo wir ein paar knifflige Situationen zu überstehen hatten. Natürlich war alles nicht so super, der Kopf spielt auch ein bisschen mit. Wie wir uns in der zweiten Halbzeit gegen die Niederlage gestemmt haben, das war aber schon sehr in Ordnung.

Vor dem 0:1 können wir den Ball vorher klären. Aber das passiert halt jeder Mannschaft, wir müssen diese Fehler ein wenig reduzieren – wenn wir das tun, gewinnen wir das Spiel 1:0. Bene zeigt immer wieder mal, welche Schusstechnik er hat, das ist überragend. Ich finde es richtig klasse, wie wir den Eckball kurz ausspielen, weil wir wissen, dass sie nur mit einem Mann draußen stehen. Da ist der Rückraum komplett frei, auch von Dome (Kother) ist das richtig gut gespielt – und ich freue mich, dass wir aufs Tor schießen. Dass er so reingeht, ist schon etwas Besonderes. Es ist wichtig, dass wir einen Punkt geholt haben nach einem Rückstand, das ist nicht immer so einfach. Wir müssen nach vorne schauen, ich bin sicher, wenn wir so auftreten wie in der Zweiten Halbzeit, dass wir viele Punkte einsammeln werden.“

Traumtor-Schütze Bene Saller: „Ich glaube, heute wäre mehr drin gewesen. Vom Gefühl her waren wir schon über 90 Minuten die bessere Mannschaft. In der ersten Halbzeit gehen wir mit dem ersten Torschuss in Rückstand, waren zuvor eigentlich sehr gut in der Partie. Wir haben uns nicht zurückfallen lassen, haben uns in der Halbzeit vorgenommen, dass wir weiter Gas geben und haben den verdienten Ausgleich geschafft. Am Ende hat uns so ein bisschen das Quäntchen gefehlt, dass wir noch einen über die Linie drücken.

Die kurze Ecke vor meinem Tor ist so ein bisschen improvisiert. Es geht darum, Situationen zu erkennen. Ich glaube, die Jungs haben es gut erkannt, ich treffe ihn sehr gut und bin froh, dass er reingegangen ist. Trotzdem müssen wir noch torgefährlicher werden. Wir haben sehr gut verteidigt, haben uns in alles reingeworfen – eben das, was uns ausgezeichnet hat. Am Ende geht’s darum, dass man so ein Spiel auf unsere Seite zieht, da arbeiten wir dran.“

FCI-Trainer Michael Köllner: „Schade, wir haben eine sehr, sehr gute erste Halbzeit gespielt, ich glaube, der Jahn hat keine Torchance gehabt. Wir müssen vor der Halbzeit mit Kayo auf 2:0 stellen, das war eine hundertprozentige Chance. Kommen dann auch gut nach der Halbzeit raus – Deichmanns Kopfball, den Gebhardt gut hält. Dann Keidels Fernschuss, ein Abpraller, einen ähnlichen Schuss macht dann der Jahn, das war das 1:1. Schade, wie gesagt. Mit dem Wechsel von Dittgen war die Zuordnung nicht mehr ganz klar. Das hat der Jahn dann gut ausgenutzt, der Rückraum war offen und er trifft ihn halt so, wie man den in so einem Spiel genau trifft.

Bei unserem Führungstreffer waren wir gut auf den zweiten Ball, den haut Kayo Vollspann in die kurze Ecke rein, er hat wie ein Blitz unten eingeschlagen, gut für den Jungen. Wegen seiner Gelben Karte und ein, zwei Foulspielen danach mussten wir in der Halbzeit reagieren, damit der Schiedsrichter nicht am Ende einen von uns vom Platz stellt. Bei der abgepfiffenen Szene zuvor, das war ein normaler Zweikampf, der Spieler verschätzt sich, erwischt den Ball nicht gscheit, Bryang geht hinten durch, und da fällt der Spieler von Regensburg eigentlich in Kayo rein. Also, das hat der Schiedsrichter nicht gut gesehen.

Die Mannschaft hat ein richtig gutes Spiel gemacht, war im Derbyfieber, und wir haben dem Jahn, der ist trotzdem vor dem Spiel auch noch Tabellenführer gewesen, das Leben schwer gemacht. Am Ende waren wir in der ersten Halbzeit das bestimmende Team. Es war klar, dass es wenig Chancen gibt, ein Abnützungskampf ein Stück weit. Der Platz war auch in einem miserablen Zustand, das muss man auch sagen. Das hat man eine Viertelstunde vor Schluss bei Seiferts Situation gesehen. Da verspringt der Ball, dadurch bringt er ihn nicht mehr herein.

Es sind 27 Punkte zu holen, wir sind weit weg von vorne, wir müssen eine brutale Serie holen, um dort hinzukommen. Alle haben uns abgeschrieben, so wie alle schon in der Vorrunde die Aufsteiger festgelegt haben. Da haben sich alle stark verschätzt. Wir werden alles geben in den nächsten Wochen, werden alle Spiele so angehen, dass wir drei Punkte holen können, so wie heute. Das war auswärts eine absolut couragierte Leistung. Und jetzt schauen wir dann weiter, was am Sonntag in Verl rauskommt.“ 

FCI-Spieler Yannick Deichmann: „Wir haben uns fest vorgenommen, drei Punkte mitzunehmen, waren auf einem guten Weg. Nach einer Ecke dann so ein Tor einzufangen, ist sehr ärgerlich. Wir hatten gute Möglichkeiten, wenn wir etwas effektiver sind, steht’s 2:0. Es ist extrem ärgerlich, dass wir nur einen Punkt holen.

Für uns war aber erst einmal wichtig, dass wir die Zweikämpfe annehmen, dass wir das Derby annehmen. Das einzige, was wir uns vorwerfen müssen, ist, dass wir in dieser Phase nicht treffen und aufgrund einer Unaufmerksamkeit nach einem Standard nur einen Punkt mitnehmen.“

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