Jahn in Liga 3: In zweiter Hälfte bei Söhnen Mannheims völlig von der Rolle

Mannheim. Der SSV Jahn ist drauf und dran, den herausragenden Vorsprung, den sich die Regensburger bei ihrer Siegesserie aufgebaut haben, mit dem Hinterteil einzureißen. Waldhof Mannheim dreht verdient ein Spiel, bei dem die Oberpfälzer in Hälfte 2 nicht mehr stattfinden.

Joe Enochs Wutrede im Spielerkreis nach der 1:3 Schlappe bei Waldhof Mannheim. Foto: jrh

Noch ist es ein Lamentieren auf hohem Niveau. Noch grüßen die taumelnden Hinrunden-Helden vom SSV Jahn von der Tabellenspitze – auch weil Dynamo Dresden (0:1 in Halle) die Regensburger Ergebniskrise im Gleichschritt begleitet. Die Tabellenführung ist aber ohnehin nur schmückende Nebensache.

Aus 12 Punkte Vorsprung bald ein Rückstand?

Viel schlimmer: Der 12-Punktevorsprung auf den Relegationsplatz ist auf 3 Punkte geschmolzen – der auf den neuen Zweiten, SSV Ulm (1:0 in der Nachspielzeit bei 1860 in Überzahl) gar auf zwei Punkte. Und man muss kein Prophet sein, dass aus dem Rückstand der Konkurrenz bald ein Überholvorgang wird, wenn die Oberpfälzer nicht schleunigst zurück in die Spur finden. Denn es sind längst nicht mehr nur Kleinigkeiten, wie Jahn-Trainer Joe Enochs nicht müde wird zu betonen (Info-Kasten unten), die nach vier Spielen mit 12 Gegentoren auf die Bilanz drücken.

Wenn man ehrlich ist, kann man sich jenseits der mageren Rückspielbilanz kaum noch an den letzten überzeugenden Auftritt erinnern. Auch ein Grund dafür, warum das 0:0 am vergangenen Samstag gegen Erzgebirge Aue schon als Licht am Ende des Tunnels gedeutet werden musste. Wie sich am heutigen Samstag in der Carl-Benz-Arena herausstellt, war es lediglich ein Irrlicht.

Ratlose Jahn-Gesichter: Rasim Bulic (rechts) und Konny Faber dahinter. Foto: jrh

Formschwache Erfolgsgaranten

Denn so gut wie alle Erfolgsgaranten erreichen nicht annähernd die Form der brillanten Hinrunden-Serie. Wo sind die atemberaubenden Flügelläufe eines Konrad Faber geblieben, wo die eleganten Übersteiger eines Noah Ganaus, wo die feinen Vorlagen eines Oscar Schönfelder, wo die kongenialen Vorlagen eines Dominik Kother, wo das kompromisslose Auftreten eines Rasim Bulic?  Die Reihe ließe sich kaderweit fortsetzen.

Vor allem aber: Warum schafft es die Mannschaft nicht mehr länger als die ersten 20 Minuten, ihr nervtötendes Pressing durchzuziehen? Warum scheitert das schnelle Umschaltspiel inzwischen kläglich an konsequent ungenauen Pässen? Warum wurde aus Mentalitätsmonstern, die Spiele gerade in den letzten Minuten zu ihren Gunsten entschieden, unkonzentrierte Hektiker, die nach jedem Rückstand das Nervenflattern bekommen?

Auch Bryan Hein (Mitte) bringt nach seiner Einwechslung keine neuen Impulse im Spiel bei Waldhof Mannheim. Foto: jrh

Zu wenig Druck auf nervöse Waldhof-Abwehr

Dabei bot ein ängstlicher SV Waldhof Mannheim den Regensburgern in der ersten Hälfte offene Flanken zur Genüge, um frühzeitig die Weichen auf einen Auswärtssieg zu stellen. Man muss da noch nicht einmal Jonas Bauer einen Vorwurf machen, der nach einem Missverständnis in der Mannheimer Abwehr allein vor dem Keeper an Lucien Hawryluk scheitert (13.). Auch die zwei Topchancen von Ganaus, etwa aus sechs Metern im Fallen (35.), geschenkt.

Spätestens jetzt aber hätten die Regensburger angesichts der Lücken in der nervösen Waldhof-Abwehr den Druck erhöhen müssen, um die Führung zu erzwingen. Die fällt dann eher zufällig nach einem Standard, als die Mannheimer die Kugel nicht aus dem Strafraum bekommen, Ganaus mit dem Kopf verlängert und Kother aus abseitsverdächtiger Position am schnellsten reagiert, 0:1 (40.). Natürlich ist die Halbzeitführung verdient, weil der SVW bis dahin keinen nennenswerten Ball aufs Gehäuse von Jahn-Keeper Alex Weidinger bringt.

Wieder eine verspielte Auswärtsführung: Dominik Kother schießt den Jahn bei Waldhof Mannheim in Führung. Foto: jrh

Antwerpen wechselt Drehmoment ein

Die Dramaturgie der zweiten Halbzeit kann man sich aus Waldhofer Perspektive nicht besser ausdenken: SV-Coach Marco Antwerpen wechselt mit Malte Karbstein, Kevin Goden, Samuel Abifade und mit Verzögerung Martin Kobylanski gleich zu Beginn das entscheidende Drehmoment ein – mitunter zwei der vorher von Joe Enochs als besonders gefährliche Neuzugänge erkannte Allzweckwaffen. Und als hätte Antwerpen in seiner PK in KGB-Manier mit der angeblichen Kopfballschwäche seiner Jungs Verwirrung stiften wollen, netzen Goden (47.) – nach Flanke von Abifade, der zuvor Faber nass macht – und Karbstein nach einer Ecke (57.) zum 2:1-Dreh ein.

Die Art und Weise, wie sich die Regensburger in zehn Minuten die Butter vom Brot nehmen lassen, erinnert fatal an das 3:6-Debakel von Sandhausen. Und als ginge es nicht noch schlimmer: Abgesehen von Ganaus überaus optimistischem Schussversuch aus spitzestem Winkel (50.) strahlt der Spitzenreiter weniger Gefahr aus als eine Weinbergschnecke. Insofern ist das finale 3:1 von Joker Kobylanski, der zuvor schon einen Freistoß ans Lattenkreuz setzte, zu verschmerzen – den Willen zur Wende kann man am ehesten noch beim eingewechselten Youngster Max Meyer erkennen.

Die eine Hälfte des eingewechselten Waldhof-Siegs: Martin Kobylanski (links) und Malte Karbstein. Foto: jrh

Was nun: Über glühende Kohlen laufen?

Was können Jahn-Trainer Joe Enochs und Sportchef Achim Beierlorzer jetzt noch tun, um die Köpfe der Spieler wieder freizubekommen? Ein spontaner Trainingslager-Quickie in Bad Gögging? Einen Motivationscoach einladen, der die Jungs – wie weiland Christoph Daum – über glühende Kohlen laufen lässt? Oder einfach eine Gegenüberstellung zweier alternativer Szenarien: Im ersten der Aufstieg in Liga 2 mit einem Vielfachen an TV-Geldern. Und im zweiten: Das Schicksal von 1860, Ingolstadt & Co, das ewige Fegefeuer in Liga 3 – und das nach einer Hinrunde mit 48 Punkten.

Apropos Ingolstadt: Die Audi-Kicker um den Oberpfälzer Trainer Michael Köllner sind am kommenden Samstag, 14 Uhr, äußerst heiß auf die Wiedergutmachung der Hinspielniederlage, dem letzten leidenschaftlichen Auswärtssieg der Regensburger. Dann zum Glück wieder mit Andi Geipl, Schütze des finalen 4:2 bei den Oberbayern, und Christian Viet. „Die Ingolstädter brennen“, weiß Joe Enochs, „die wollen die Hinspiel-Niederlage wettmachen, da ist es an den erfahrenen Spielern, die solche Situationen erlebt haben, die jungen Spieler an der Hand zu nehmen, dass wir alle gemeinsam durch die Phase gehen.“

Jahn-Trainer Joe Enochs wirkt heute bei seinen Einwechslungen der jungen Garde in einer kniffligen Phase etwas ratlos. Foto: jrh

Stimmen zum Spiel

Jahn-Trainer Joe Enochs: „Erste Hälfte souverän gespielt, wir haben Mannheim weit weg von unserem Tor gehalten, haben selber Torchancen gehabt, gehen durch eine Standardsituation in Führung. Mannheim geht all in, die haben dreimal gewechselt, dann fehlte uns nach der Halbzeit diese Abgeklärtheit, mit aller Macht, unser Tor zu verteidigen. Wenn man ein klein wenig nachlässt, es ist egal, in welcher Tabellensituation, kann die letzte Mannschaft die erste besiegen – dann passiert so was. Wir liegen 2:1 zurück und alle fragen, wieso?

Wir lassen uns zu tief fallen. Wenn wir so tief stehen, bekommen wir keinen Zugriff aufs Spiel. Das sind Kleinigkeiten, die wir mit der Mannschaft besprechen werden. Letztendlich müssen wir da durch, die 12 Gegentore sind viel zu viel. Ich habe gedacht, in der vergangenen Woche haben wir das in den Griff bekommen, wo wir gegen eine sehr gute Mannschaft wie Aue 0:0 gespielt haben.“

Marco Antwerpen: „Es war nicht nur ein Sieg des Willens, ich finde, wir haben in der zweiten Halbzeit sehr gut Fußball gespielt. Wenn man die erste Halbzeit sieht, sind wir ein bisschen zu schüchtern in die Partie reingekommen. Das begleitet uns in den letzten Spielen, dass wir nicht richtig reinkommen, da haben wir ein bisschen gebraucht und sind die Regensburger nicht so intensiv angelaufen, wie wir’s eigentlich vorhatten. Da kommen dann die hohen Bälle oben drüber und das ist dann auch nicht so leicht zu verteidigen – gerade bei den Standardsituationen, da haben wir einmal gepennt.

Wir haben die Jungs noch mal richtig eingestellt, haben gesagt, wir wollen etwas mehr Körperlichkeit, damit wir mit den Wechseln mehr Robustheit auf dem Platz haben, das haben wir erreicht. Dann wird das Spiel etwas offener, die Jungs haben an sich geglaubt. Ein Spiel zu drehen in der 3. Liga bringt dich immer einen Schritt nach vorne – gerade gegen den Tabellenführer ein großer Schritt. Wir schauen auf unsere Leistung, die war heute sehr beeindruckend. Wir finden Wege, wie wir da unten aus der Tabellensituation rauskommen. Das Schöne ist, wenn die Spieler mal wieder mit einem Lachen zum Training kommen und nicht total deprimiert sind und wissen, sie bekommen wieder eine auf den Deckel, weil irgendwas nicht funktioniert hat. Das kann enorme Impulse freisetzen.“

Malte Karbstein: „Mit dem 1:1 kam das Stadion wieder, dann haben wir relativ fix das 2:1 gemacht. Das ist perfekt, dass wir ein 3:1 einfahren. Ich weiß gar nicht, wie das 2:1 gefallen ist, das war eine super Ecke, ich lauf’ gut ein und setze mich durch.

Es geht nur zusammen, wir brauchen nicht die Köpfe hängenzulassen, es geht bis zum 38. Spieltag. Wir haben wieder mal einen Schritt gemacht. Ich weiß jetzt nicht, wie die anderen Ergebnisse sind, das ist aber auch scheißegal. Wir müssen einfach unsere Punkte machen und dann werden wir am 38. Spieltag überm Strich stehen.“

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1 Kommentare

Rudi B. - 02.03.2024

Es ist keine Ergebniskrise des Jahn, wie ein Sportredakteur geschrieben hat, sondern es wird langsam zu einer Spielerkrise Das ganze erinnert sehr stark an die Spielsaison 2022/2023, damals mit einen schlechten Ausgang. Der einzige Vorteil heute ist, die bis jetzt erzieltenPunkte reichen für den Klassenerhalt! Die Qualität der Mannschaft ist für einen sofortigen Wiederaufstieg in die 2. Liga nicht ausreichend. Wenn man die Siege analysiert,dann muss man ehrlicherweise zugeben, es war ein Großteil Glück dabei.