Nach fristloser Kündigung: Chirurgin klagt auf Weiterbeschäftigung

Weiden. Einer leitenden Oberärztin der Kliniken Nordoberpfalz war im Zusammenhang mit Operationen im Frühjahr 2023 fristlos gekündigt worden. Sie klagt vor dem Arbeitsgericht Weiden auf Weiterbeschäftigung - mit Erfolg.

Ein Rechtsstreit um eine Chirurgin beschäftigt derzeit das Arbeitsgericht Weiden. Symbolfoto: Pixabay

Die Kammer des Arbeitsgerichts unter Vorsitz von Richter Ferdinand Hagelstein erklärt die Kündigungen nach der Verhandlung am Donnerstag für unwirksam. Damit müsste die Chirurgin in der Klinik weiterbeschäftigt werden; das verhängte teilweise Operationsverbot bleibt dabei aufrechterhalten.

Ob es wirklich so kommt, ist fraglich: Zum einen ist Berufung zum Landesarbeitsgericht Nürnberg möglich. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Parteien doch noch einigen. Die Vergleichssummen, die im Raum stehen, liegen nicht unüberbrückbar auseinander: In der Güteverhandlung hätte das Klinikum am Ende zähneknirschend 223.000 Euro angeboten. Das waren der Chirurgin 30.000 Euro zu wenig.

„Krieg“ der Koryphäen

Das Ganze hat eine lange Vorgeschichte. In der Spezialabteilung lieferten sich die Chirurgin und ihr Chefarzt einen beruflichen Krieg. Dem Chefarzt war 2022 auf ihr Betreiben hin gekündigt worden. Die leitende Oberärztin bekam daraufhin die kommissarische Leitung der Abteilung übertragen. Aber nur für wenige Monate: Der Chefarzt klagte sich erfolgreich auf seine Stelle zurück. Er kam „im Wege der Zwangsvollstreckung“ wieder, erinnert Richter Hagelstein in seiner Zusammenfassung.

Das ging nicht lange gut. Es kam zu Beanstandungen nach einer Operation eines Kindes durch die leitende Oberärztin. Die Eltern beschwerten sich über Lagerungsschäden durch die überlange Dauer. In einem Anhörungsbogen an die Landesärztekammer machte die Chirurgin eine falsche Angabe: Sie gab die Dauer der Operation mit – für sie vorteilhafteren – 10 Stunden an, tatsächlich waren es 12 Stunden. Der Fall liegt derzeit zur Begutachtung bei der Landesärztekammer.

Der Fehler im Formular führte zur fristlosen Kündigung. Die Ärztin argumentiert, das Blatt unter Zeitdruck und in Aufregung ausgefüllt zu haben. Die korrekte Zahl 12 lag längst auf dem Tisch, sei allein schon durch den OP-Bericht dokumentiert. DGB-Rechtssekretärin Kerstin Bauer nennt es „eine Beleidigung der Intelligenz“ ihrer Mandantin, ihr einen solch zwecklosen Schummel zu unterstellen. Auch dem Gericht reicht der Fehler letztlich nicht für die fristlose Kündigung.

Zweite Kündigung nach umstrittener OP

Die Klinik schob Kündigungsgründe hinterher. So kam es im Januar 2023 zur Operation eines amerikanischen Patienten, welche die leitende Oberärztin nach Ansicht der Klinik nicht ohne Rücksprache mit dem Chefarzt hätte durchführen dürfen. Die OP hätte spätestens abgebrochen werden müssen, als erst der Assistenzarzt (Zahnschmerzen) und dann das chirurgische Navigationssystem ausfielen. Klinik-Anwalt Dr. Wolfgang Kuhla: „Der Patient ist mehrfach im Stich gelassen worden.“

Es war ein Notfall, rechtfertigt Rechtssekretärin Kerstin Bauer (DGB Rechtsschutz) die Handlungsweise der Chirurgin. „Sie musste reagieren, sonst hätte das ganz böse ausgehen können, möglicherweise sogar mit dem Tod des Patienten.“ Der Chefarzt war im Urlaub. Als leitende Oberärztin habe die Klägerin, wie im Tarifvertrag vorgesehen, Verantwortung übernommen. Auch in diesem Fall entscheidet das Arbeitsgericht pro Ärztin.

Die leitende Oberärztin hatte sich im Vorfeld der OP abgesichert. Sie schrieb dem Vorstand der Kliniken Nordoberpfalz eine WhatsApp: „Was soll ich machen? Ich würde gern operieren. Dr. B wird not amused sein.“ Der Vorstand antwortete. „Das müssen Sie entscheiden.“ Sie wertete das als grünes Licht; es kam zur strittigen OP. In der Folge verhängte der Chefarzt für sie ein teilweises Operationsverbot.

Vorschlag zur Güte: 223.000 Euro

Die medizinische Seite will die Kammer des Arbeitsgerichts unter Vorsitz von Richter Hagelstein nicht beurteilen: „Das maßt sich das Gericht nicht an.“ Er appelliert angesichts des inzwischen hunderte Seiten umfassenden Rechtsstreits zur Einigung. Sein Vorschlag: Das Arbeitsverhältnis endet jetzt (zum 31. März), damit käme es zur Nachzahlung von sechs Monatseinkommen à 20.000 Euro. Dazu eine Abfindung von 95.000 Euro plus entgangene Privatabrechnungen von rund 7700 Euro. Unterm Strich: 223.000 Euro.

Eine Weiterbeschäftigung hält der Richter für nicht sinnvoll. „Es sind so viele Seiten beschrieben worden, in denen die Parteien juristisch aufeinander einschlagen.“ Aktuell ist keiner der beiden Ärzte mehr am Kliniken Weiden beschäftigt. Es gibt einen neuen Chefarzt und einen neuen leitenden Oberarzt.

Die Klinik hätte den Vorschlag von 223.000 Euro geschluckt: „Wir wollen diesen belastenden Rechtsstreit beenden“, sagt Anwalt Kuhla. Der Vorschlag des Gerichts sei „grundsätzlich gut“, meint auch DGB-Rechtssekretärin Kerstin Bauer, nach kurzer Beratung mit der Ärztin fordert sie allerdings 30.000 Euro mehr. „Dann würde sie gehen.“ Darauf lässt sich der Klinikanwalt in der Verhandlung nicht ein. Es kam zur Entscheidung des Arbeitsgerichts.

* Diese Felder sind erforderlich.