Abstiegskrimi zwischen Club und Jahn Regensburg: Wer ist am Samstag der größere Depp?

Nürnberg. Das haben wir uns ganz anders vorgestellt. Duelle zwischen dem Club und Jahn Regensburg waren oft eng und umkämpft. Nicht selten stand am Schluss ein Remis auf der Anzeigentafel. Aber meist war die Tabellensituation entspannt. Am Samstag, 13 Uhr, kämpfen der 16. und der 17. ums sportliche Überleben.

Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic versteht den Frust der Jahn-Fans, will sich aber auf seine Mission konzentrieren. Bild: jrh

Die Stimmung der Regensburger Fans entspricht der Tabellensituation. Zum ersten Mal in famosen sechs Jahren Zweitliga-Zugehörigkeit steht der SSV Jahn auf einem direkten Abstiegsplatz. Die Kritik in den sozialen Medien: vernichtend. Für viele ist der Kredit von Trainer Mersad Selimbegovic, für manche sogar von Präsident Hans Rothammer aufgebraucht.

Die derzeit vorherrschende Meinung: Was Fußball-Professor Christian Keller aufgebaut hat, wird Stück für Stück wieder eingerissen. Dass der Jahn mit dem bosnisch-deutschen Urgestein trotz gewaltiger Abgänge schon drei Jahre die Liga gehalten hat, wird kaum mehr honoriert. Rufe nach dem vereinslosen Achim Beierlorzer, der nach dem Aufstieg den gefürchteten Mentalitätsmonster-Stil des SSV geprägt hat, werden laut.

Dass Trainer wie Beierlorzer nach Köln, Mainz und Leipzig oder Markus Weinzierl nach Augsburg, Schalke oder Stuttgart trotz Misserfolgs ins Billiglohn-Stadion zurückkommen, ist eher unwahrscheinlich. Dass Trainerwechsel und Panikkäufe in Abstiegsnot eher selten Erfolg bringen, kann die Gemüter ebenfalls nicht beruhigen. Als Fan will man eben, dass ALLES Menschenmögliche versucht wird, um den Absturz in die prekäre Dritte Liga zu verhindern, die fast so teuer ist wie die Zweite Bundesliga, aber erheblich weniger TV-Gelder einbringt.

Für Markus Weinzierl ist das Kellerduell gegen Jahn Regensburg kein normales Zweitliga-Spiel. Aber als Club-Trainer will er natürlich die Punkte in Nürnberg behalten. Bild: jrh

Selimbegovic vermittelt Zuversicht, Mut und Willen

Auch Selimbegovic kennt die Mechanismen im Profi-Fußball, auch wenn sich die Entscheider, allen voran der Präsident, demonstrativ vor den Trainer stellen. „Keiner, der mit seinem Herz an einem Verein hängt, will, dass der 17. ist.“ Aber er könne sich nicht mit Stimmungen beschäftigen: „Ich muss konzentriert arbeiten und schauen, dass ich der Mannschaft vermittle, was sie braucht – und das ist Zuversicht, Mut und den Willen weiterzukämpfen.“ Der Trainer glaubt an sein Team, erinnert an die vielen engen Spiele, die man wegen kleiner Fehler aus der Hand gegeben habe – etwa beim extrem unglücklichen 4:5 in Heidenheim, das trotz famoser Aufholjagd in letzter Sekunde verloren ging.

„Die Mannschaft ist intakt, wenn sie es schafft, die engen Spiele, die auf der Kippe stehen, wieder auf ihre Seite zu ziehen, die leichten Fehler abzustellen, sieht es anders aus.“ Zur Wahrheit gehört aber auch: Beim 1:3 gegen Bielefeld war nur die Dramaturgie des Spiels unglücklich – inklusive eines verwehrten Elfmeters. Was die Regensburger Notabwehr an Chancen zuließ, dagegen mehr als fahrlässig. Was sie auf das gegnerische Tor abfeuerte, mehr als dürftig.

Kann Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic seinen Spielern genug Mut, Zuversicht und Willen für einen Dreier in Nürnberg vermitteln? Bild: jrh

Weinzierl fleht: „Bitte keine Pfiffe!“

In Nürnberg ist die Nervosität kaum geringer. Markus Weinzierl, Regensburgs Aufstiegsheld von 2012, fleht in der PK geradezu: „Ich bitte die Fans, dass sie den Jungs, die sich zerreißen werden, die Unterstützung geben.“ Er sei überzeugt, dass der Club das Elfmeterschießen am Mittwoch gegen Fortuna Düsseldorf nur gewonnen habe, „weil die Fans hinter uns standen, weil wir auf unsere Kurve geschossen haben – wenn die gepfiffen hätten, wäre es anders ausgegangen“.

Er kenne keinen ausgebufften Profi in seiner Mannschaft, der die Situation fahrlässig angehe: „Vielleicht können wir es manchmal nicht besser, vielleicht hapert’s manchmal an den letzten Details, weil das Selbstvertrauen fehlt.“ Das müsse man sich wieder erarbeiten: „Ganz entscheidend dafür ist die Geschlossenheit des Vereins und dass die Fans den jungen Spielern den Rücken stärken.“ Mit anderen Worten: Bitte keine Pfiffe!

Fokussiert: Jahn-Urgestein Dr. Wastl Nachreiner (vorne) und Rechtsverteidiger Konrad Faber bei einer Übungseinheit. Bild: jrh

BILD-Reporter: „Regensburg will nur zerstören“

Vielleicht motiviert die gebeutelten Regensburger Kicker samt Anhang aber auch der unsägliche Spruch von Bild-Reporter Martin Funk: „Düsseldorf hat mitgespielt, Regensburg ist dafür bekannt, das Spiel nur zerstören zu wollen.“ Wie bitte? Bei aller Kritik an den zuletzt gezeigten Regensburger Leistungen: Dem Club gelang in den vergangenen Jahren oft genug in letzter Minute gerade mal so der Ausgleich – von überragender Spielkultur war da selten was zu spüren. Aber bitte: Die Regensburger Fans würden sich sicher auch mit einem Dreier zufrieden geben, der mit zerstörerischem Willen zustande kommt.

Auf alle Fälle müsste der SSV diesen Triumph des Willens mit dem fast letzten Aufgebot schaffen: Im Sturm muss der Trainer auf den noch immer nicht Waden-Beschwerde-freien Andreas Albers setzen: Prince Owusu wird nach seiner OP einige Zeit fehlen. Charalambos Makridis plagt der Hüftbeuger: „Schwer vorstellbar, dass er am Samstag auflaufen kann.“ Kaan Caliskaner kommt nach grippalem Infekt geschwächt zurück. Mersads Galgenhumor: „Im modernen Fußball spielen auch viele ohne Stürmer, das kann der Jahn ja auch mal probieren.“ Und in der Abwehr muss Scott Kennedy nach Rot in Darmstadt noch einmal zuschauen, Steve Breitkreuz und Bene Saller haben nur Teile des Mannschaftstrainings absolviert.

Jahn-Hoffnungsträger Sarpreet Singh. Bild: jrh

Nürnberger Wehwehchen nach dem Pokalfight

Der Jahn-Trainer ist aber auch gespannt, wie sich die Lage beim Club nach 120 Minuten Pokalfight darstellt: „Das wird schon spannend, wer nach diesen 120 Minuten bei Nürnberg nochmal 90 Minuten Gas geben kann. Das wird eine packende Partie.“ Markus Weinzierl kann nur eine vorläufige Prognose abgeben: „Wir können erst nach dem Abschlusstraining seriös beantworten, wer dann dabei ist und wer nicht.“ Felix Lohkemper habe bereits beim Elfmeterschießen abgewunken, weil er Adduktorenprobleme hatte. Mats Møller Dæhli habe sich in der Pokalnacht übergeben, es gehe ihm aber wieder gut. Florian Hübner habe seit dem Fürth-Spiel leichte Adduktoren-Probleme, könne aber trainieren. „Ich hoffe natürlich, dass alle dabei sind.“

Über Taylan Duman, der am Mittwoch nach langer Verletzungspause länger auf dem Feld war als geplant, zerbricht sich Weinzierl noch den Kopf: „Er ist auch als Einwechselspieler sehr wertvoll, hat den Ausgleichstreffer erzielt – jetzt ist die Frage, ob wir ihn von Anfang an bringen oder als Joker.“ Definitiv nicht im Kader steht Danny Blum nach einem kleinen Faserriss in der Wade: „Das wird zwei, drei Wochen dauern.“ Für Weinzierl ist das Duell gegen den Jahn natürlich alles andere als Zweitliga-Business as usual: „Ich war zehn Jahre dort als Spieler, habe die Chance bekommen, Cheftrainer zu werden, es liegt in meiner Heimat – aber am Samstag werden die Freundschaften beiseite gelegt – es geht darum, die Punkte zu holen, ich hoffe, dass wir den Schwung mitnehmen aus dem Pokalspiel.“

Der neue Jahn-Stammtorhüter Jonas Urbig. Bild: jrh

Jahn-Spieler-Stimmen zum Kellerduell

„Wir versuchen, einfach nach vorne zu schauen,“ sagt der neue Stammtorhüter Jonas Urbig, „es geht ja weiter am Samstag in Nürnberg. Da bleibt gar keine Zeit, sich großartig den Kopf darüber zu zerbrechen. Klar, wir analysieren die Spiele, was war gut, was war nicht so gut.“

„Wir müssen unsere Basics besser machen“, glaubt Hoffnungsträger Sarpreet Singh, „Tore verteidigen, mit mehr Konsequenz spielen hinten und vorne – wir müssen mehr zu Ende spielen und jede Chance nutzen.“

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