Oberpfälzer Java-Entwickler von MicroStream revolutionieren Datenbank-Abfragen

Weiden. Die Oberpfalz ist immer für Überraschungen gut. Markus Kett, Gründer von MicroStream, präsentierte vergangene Woche auf der Software-Konferenz Devnexus in Atlanta. An seiner Firma war 2018 schon Frank Thelen interessiert.

MicroStream auf der Software-Konferenz Devnexus in Atlanta. Foto: MicroStream

„Wir haben damals zu zweit begonnen“, erzählt Markus Kett, „und den BY-StartUP 2018, den bayerischen Businessplan-Wettbewerb, gewonnen.“ Damals sind Investoren mit drei Millionen Euro Venture-Capital eingestiegen. „Unser Unternehmensplan ist nach dem Vorbild von MongoDB aufgebaut, eine populäre Datenbank, die inzwischen 120 Milliarden Euro wert und an der Börse notiert ist.“ 

Ein Jahr später haben die Jungs aus der Oberpfalz dann ihre Firma gegründet. Die Initialzündung: „In-Memory-Datenverarbeitung mit Java ist bis zu 1000-mal schneller“, beschreibt Kett die Grundidee. Damit lassen sich Verzögerungen bei Abrufen großer Datenmengen radikal reduzieren und immense Kosten sparen. „Wenn das funktioniert, ist das revolutionär“, riet Frank Thelens technischer Berater Alexander Koch zum Investment.

Übergabe an die Eclipse-Foundation

Nach vier Jahren übergibt das MicroStream-Start-up seine Erfindung an die Eclipse-Foundation, eine gemeinnützige Gesellschaft mit der Aufgabe, die Eclipse-Open-Source-Gemeinschaft und ihre Projekte zu unterstützen. „Damit wird unser Bekanntheitsgrad rapide steigen“, sagt Kett, „weil sich an diesen Projekten die großen Tech-Konzerne beteiligen – bei uns wird sich Oracle, die MicroStream integriert haben, an der Weiterentwicklung und Standardisierung beteiligen.“ 

Ist das aber nicht auch ein Stück weit ein Ausverkauf der „revolutionären Idee“, wie Freigeist-Techi und Thelen-Kumpel Koch das Konzept der Oberpfälzer gelobt hat? „Wenn eine Firma aus der Oberpfalz sagt, das haben wir erfunden, und wir sind 13 Leute“, gibt Kett zu bedenken, „dann sagen sich die interessierten Unternehmen, ‚und wir sollen jetzt alles darauf aufbauen?’“ Da sei es besser, gewichtige Partner ins Boot zu holen. „Die Verbreitung und Reputation steigt“, erklärt der Gründer, „das ist unser Benefit.“

MicroStream Gründer: Thomas Schmetzer, Markus Kett, Florian Habermann. Foto: Microstream

Geld verdient MicroStream mit Cloud-Service

Warum haben die MicroStreamer dann aber nicht gleich von Beginn an mit der Thelen-Gruppe kooperiert? „Wir haben uns dagegen entschieden, weil die Cloud noch nicht fertig war – und wenn du noch was entwickeln musst, werden die Investoren schnell ungeduldig.“ Thelen wäre 2018 mit bis zu 300.000 Euro für 20 Prozent Firmenanteile eingestiegen. „Der ist gut vernetzt, du kommst in die PR, und er hätte eine Zehn-Millionen-Euro-Finanzierung an Land ziehen wollen – aber er lässt Start-ups auch wieder fallen, wenn es nicht schnell genug geht.“

Die „revolutionäre Idee“ von Kett und Konsorten kann man nicht anfassen. „Die steckt tief unten drin im Entwickler-Framework, und wir haben sie zwischen 2017 und 2019 zu einem Software-Produkt weiterentwickelt, damit sie auch andere Firmen nutzen können.“ Weil sie das Ganze als Open Source freigegeben und deswegen damit nicht direkt Geld verdienen können, haben sie mit den drei Millionen Euro Venture-Capital der Investoren eine MicroStream-Cloud entwickelt, in der man das Programm verwenden kann: „Damit verdienen wir das Geld.“

Doppelte Abfragezeit wird teuer

Denn MicroStream löst zwei große Probleme der Unternehmen. „Software-Anwendungen und Datenbanken sind eigentlich inkompatibel“, erklärt Kett, „wenn ich Daten speichern möchte, muss ich sie umkonvertieren, damit sie in der Datenbank speicherbar sind.“ Das ist verbunden mit Wartezeit und Rechenleistung. „So verdoppelt sich etwa die Abfragezeit, wenn du wie 50.000 andere einen Flug oder ein Hotelzimmer buchen willst – für den Anbieter wird die doppelte oder vielfache Rechenleistung richtig teuer.“ 

Nach einer Amazon-Studie von 2018 kosten 100 Millisekunden Latenz, also Verzögerung, rund ein Prozent des Bezos-Umsatzes: „Wenn das System Verzögerung hat, springen in dieser Zeit 1000 potenzielle Käufer ab“, sagt Kett. Nutzt man aber die MicroStream-Software, fällt diese Konvertierung weg: „Wir lesen die Daten direkt aus dem Hauptspeicher aus und streamen sie in einen Clouddatenspeicher.“ Zugegeben: „Unser Konzept gibt es schon länger“, will sich der bescheidene Weidener nicht mit fremden Federn schmücken. Ralph Johnson, US-amerikanischer Informatiker und Professor am „Department of Computer Science“ der University of Illinois, hat das Funktionsprinzip im Wiki-Artikel „System prevalence“ formuliert.

MicroStream-Gründer Markus Kett im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Nur noch ein Zehntel der Energie und CO₂-Emissionen

Nur in einem Punkt habe sich Johnson geirrt: „Das hat sich nicht durchgesetzt, weil Speicher immer noch teuer ist.“ Speicher seien jedenfalls nicht so massiv billiger geworden, dass dies die explosionsartig gestiegene Datenmenge kompensieren könne. „Mit MicroStream haben wir das Funktionsprinzip drastisch vereinfacht“, erklärt Kett den neuen Dreh, „wir speichern nur noch Änderungen, das funktioniert mit wenig Hauptspeicher, weil ich dort nur die wichtigen Daten brauche, welche die Anwendung gerade verwendet.“ 

So werde immer nur ein Bruchteil der gesamten Datenbank durchsucht. „Wir benötigen deshalb nur noch etwa ein Zehntel der Energie und CO₂-Emissionen, weil der Prozess zehnmal schneller geht.“ Ein zweiter Vorteil: „Wir speichern die Daten durch das Streaming-Verfahren direkt in binärer Form in den Cloudspeicher, deshalb brauchen wir keine relationale Datenbank mehr – das Geile daran, diese Cloud-Binärspeicher kosten 90 Prozent weniger als eine relationale Datenbank.“ 

Kostenersparnis von 85.000 Euro bei einer Anwendung

Konkret bedeutet das beispielsweise bei einem Projekt für den Allianz-Konzern: „Wir ermöglichen eine Ersparnis von 85.000 Euro im Jahr bei einer einzigen Softwareanwendung im Bereich Compliance – aber Allianz hat Hunderte oder sogar Tausende im Einsatz.“ 

Die Open-Source-Technologie kostet den Unternehmen erst einmal nichts. Das eigentlich rentable Geschäftsmodell von MicroStream setzt auf die clevere Dienstleistung im Anschluss: „Wir bieten den Kunden eine gemanagte Cloudumgebung an“, beschreibt Kett die Vorteile, „mit wenigen Mausklicks können sie dann Big-Data-Anwendungen nutzen – das amortisiert sich innerhalb eines Jahres.“

Das MicroStream-Team

„Mit 13 habe ich meinen ersten Computer bekommen“, schildert MicroStream-Gründer Markus Kett seine klassische Nerd-Karriere, „mit 15 habe ich zu programmieren begonnen.“ Der Weidener Software-Entwickler absolvierte seine Ausbildung in der EDV-Schule Wiesau. „Mit der MicroStream-Idee habe ich zusammen mit zwei Leuten vor zehn Jahren begonnen.“ 

Inzwischen ist das 2019 gegründete Unternehmen mit Sitz in Weiden und Regensburg auf 13 Mitarbeiter gewachsen. „Wir sind Java-Enthusiasten, die gerne daran arbeiten, Java für die gesamte Java-Community besser, schneller und komfortabler zu machen.“ Mit 20 Jahren Java-Hintergrund haben die Oberpfälzer an Java-IDEs, ORM-Frameworks und Datenbanktools gearbeitet, bevor sie das MicroStream-Projekt starteten. 

„Wir tragen seit 10 Jahren zu Open-Source bei“, betont Kett die Open-Source-DNA des Unternehmens. „MicroStream hat seinen Sitz in der Oberpfalz, aber seit wir immer mehr virtuell arbeiten, wird unser Team internationaler.“ Werte wie berufliche Freiheit, Gleichberechtigung, Unabhängigkeit und Vielfalt sind dem Team wichtig. „Um unsere ehrgeizigen Ziele zu erreichen, brauchen wir Menschen, die von dem, was wir tun, begeistert sind und gerne bei uns mitmachen.“

Als Software-Entwickler sind MicroStreamer von Natur aus Global Player: „Wir wenden uns an Software-Entwickler, deshalb sind wir auf Software-Konferenzen unterwegs – vergangene Woche in Atlanta als Aussteller und mit Vorträgen.“  Bei der J-CON vom 20. bis 23. Juni in einem Multiplex-Kino in Köln, einer Java-Konferenz mit 2500 Teilnehmern, ist MicroStream Mitveranstalter.

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