Bayerns schwarzer Innenminister gratuliert Weidens rotem Alt-Oberbürgermeister

Weiden. Ja, welcher junger Mann kommt denn da angetrabt? Zwei Tage vor seinem 65. Geburtstag marschiert ein ranker, schlanker Kurt Seggewiß fröhlich Richtung Wasserwerk-Stadion. Vor der Vorstandssitzung der SpVgg SV Weiden geht noch ein Pläuschchen und eine letzte Zigarette.

SPD Weiden Bürgermeister Jens Meyer Oberbürgermeister Kurt Seggewiß hört auf
Staffelübergabe: Alt-Oberbürgermeister Kurt Seggewiß (rechts) und der amtierende OB Jens Meyer. Bild: Jürgen Wilke

Ein Versprechen hat Kurt Seggewiß schon mal gehalten: „Ich werde an meiner körperlichen Fitness arbeiten“, hat sich Weidens Alt-Oberbürgermeister bei seiner Verabschiedung vorgenommen. „Und dann gegen meinen Sohn Jan Tennis spielen.“ Mit einer Figur wie der frühe Michael Stich kann er dem Junior noch lange Paroli bieten.

Der Sozialdemokrat, bei dem die Pfunde purzelten wie die Felsbrocken, die nach der Amtsübergabe von ihm abfielen, hat an Gewicht verloren, aber nicht an politischem Profil. Sein Engagement beim größten Weidener Fußballclub oder dem Schwimmverein ist seine Art, die Zivilgesellschaft zu stärken: „Ich will den Weidenern, die mir zwölf Jahre als Stadtoberhaupt das Vertrauen geschenkt haben, auch im Ruhestand etwas zurückgeben.“

Zwei Amtsperioden „familiäre Gemeinschaftsleistung“

Rückblende: Vor genau fünf Jahren, bei der Feier zu seinem 60. Geburtstag, hatte Seggewiß – für viele überraschend, für Vertraute erwartet – die Katze aus dem Sack gelassen. In einer emotionalen Rede kündigte er an: „2020 ist Schluss.“ Keine Entscheidung gegen die Politik, sondern eine für die Familie, die ihn 12 lange, kraftraubende Jahre den Rücken gestärkt hatte. Gattin Maria und Sohn Jan waren beim Empfang im Neuen Rathaus sichtlich gerührt.

„Ein Politiker und seine Familie müssen viel aushalten“, erklärte das damalige Stadtoberhaupt, das in zunehmend polarisierenden Zeiten auch Anfeindungen über sich ergehen lassen musste – Stichwort „rote Dienst-Mercedes-Posse“. Dass ein Oberbürgermeister von früh bis spät im Dienst ist, dafür klopft keiner auf die beladenen Schultern. Umso wichtiger: der private Rückzugsort. Als „familiäre Gemeinschaftsleistung“ bezeichnete er die zwei Amtsperioden und überreichte der Gattin Orchideen.

60. Geburtstag Oberbürgermeister Kurt Seggewiß letzte Amtszeit Seggewiß dankt ab18
Gerührt: Gattin Maria Seggewiß und Sohn Jan Seggewiß bewegt von den Worten des Vaters. Bild: Kristine Mann

Rot-schwarzes Tandem Seggewiß-Höher

Für seinen freiwilligen Abgang im besten Alter erntete der leutselige Menschenfischer Bedauern und Anerkennung. Zwei Wahlperioden seien genug, sagte Seggewiß. Basta. Und nicht vergessen: „Politjahre zählen doppelt“, fügte er süffisant hinzu. „Seinen Humor werden wir vermissen“, hieß es im Rathaus. „Wir haben viel gelacht.“ Auch mit seinem Stellvertreter Lothar Höher, den er 2007 – nach der Ära Schröpf doch einigermaßen klar in der Stichwahl besiegt hatte.

CSU-Stimmenkönig Höher störte sich weder daran noch am Unverständnis einiger Parteifreunde für die interdisziplinäre Zusammenarbeit und freundete sich mit dem Sozi an. „Ich finde es schade“, gab der OTV-Erfinder damals zu Protokoll, „aber ich verstehe den Schritt des Oberbürgermeisters.“ Auch ein anderer schwarzer Amtsinhaber bedauerte Seggewiß Abdankung: „Ich habe ihm gesagt, dass ich es menschlich für nachvollziehbar halte“, kommentierte Neustadts Landrat Andreas Meier das laute Servus. „Ich finde es aber von beruflicher Seite schade, wir haben sehr gut zusammengearbeitet.“

Nachfolger Jens Meyer und Bürgermeister Lothar Höher mit bildlichen Erinnerungen für den scheidenden Oberbürgermeister Kurt Seggewiß (rechts). Bild: Kristine Mann

Bayerns CSU-Innenminister zieht den Hut

Da überrascht es kaum mehr, dass Kurt Seggewiß fünf Jahre später von noch höherer schwarzer Stelle gehuldigt wird. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gratuliert dem Weidener Altoberbürgermeister zum 65. Geburtstag: „13 Jahre lang haben Sie als Oberbürgermeister erfolgreich die Geschicke der Stadt Weiden verantwortet und wertvolle Arbeit für die Stadt und ihre Menschen geleistet“, lobt Herrmann in einem Glückwunschbrief. Seggewiß habe die Stadtentwicklung entscheidend vorangebracht und wichtige Weichen für die Zukunft gestellt.

Dem Diplomsverwaltungswirt, der 40 Jahre, davon viele in leitender Position, bei der Bundesagentur für Arbeit tätig war, sei es in seiner Amtszeit als Oberbürgermeister gelungen, die Arbeitslosenquote in Weiden deutlich zu reduzieren. „Auch in anderen Bereichen setzten Sie bedeutende Akzente“, nennt Herrmann Etappensiege, „beispielsweise mit dem Neubau der Fachoberschule und der Berufsoberschule FOS/BOS Weiden, dem Bau des Einkaufszentrums Nordoberpfalz Center Weiden oder dem Umbau der Stadtverwaltung in ein modernes Dienstleistungszentrum.“

Joachim Herrmann (CSU), Innenminister von Bayern, gratuliert Weidens Alt-OB Kurt Seggewiß zum 65. Geburtstag. Bild: Staatsministerium des Inneren

Kurts „Way“: Kein alter Dackel

Leicht gefallen ist dem gebürtigen Bocholter (Westfalen), der freilich in Weiden aufwuchs, der Abschied von der politischen Bühne gleichwohl nicht. Es war vielmehr ein bewusster Willensakt, loszulassen: „Ich wollte nicht mit 69 noch als alter Dackel die Geschicke der Stadt mitbestimmen.“ Da folgte er lieber Frank Sinatras Motto „My way“, das ihm zu Ehren angestimmt wurde. Und schwebte mit seiner Maria ein letztes Mal zu „Time to say Goodbye“ übers Parkett. Fast so leichtfüßig wie damals, in den 1980er Jahren, als er inspiriert durch den WAA-Widerstand von Schwandorfs Landrat Hans Schuierer der SPD beitrat.

Heute, ein halbes Jahrzehnt später und zahllose Aufsichtsratsposten des Konzerns Stadt mit seinen bisweilen schwierigen Töchtern Stadtwerke, Stadtbau, Max-Reger-Halle, Energie-Technologisches Zentrum, Zeno und der Dauerbaustelle Klinikum leichter, zündet sich der Kurt mit Blick auf das neue Sportgelände der SpVgg noch eine Kippe an: „Auch dieser für beide Seiten sinnvolle Tausch war keine leichte Geburt“, resümiert er die Rochade zwischen Stadt und Verein. „Aber jetzt hat die Sportstadt Weiden mit zwei Kunstrasenplätzen ein für die Oberpfalz einzigartiges Leistungszentrum.“ Da lächelt auch SpVgg-Vorstand Michael Kurz zufrieden.

SpVgg-Vorsitzender Michael Kurz. Bild: Jürgen Herda

Kurt Seggewiß‘ Siege

Kurt Seggewiß kandidierte 2007 für den Posten des Oberbürgermeisters von Weiden und setzte sich in der Stichwahl mit 58,37 Prozent der Stimmen gegen den CSU-Bewerber Lothar Höher durch. Damit wurde er Nachfolger von Hans Schröpf, der zuvor 31 Jahre lang Oberbürgermeister der Stadt war.

Am 16. März 2014 wurde Seggewiß bei der Kommunalwahl mit 52,5 Prozent wiedergewählt. Die Kandidatur zum Oberbürgermeister hatte er zuvor mit seiner Ehefrau Maria und Sohn Jan abgesprochen.

Die Ergebnisse der beiden großen Parteien im Weidener Stadtrat

– CSU: 2008 32,69 Prozent (-25,44), 2014 34,6 Prozent (+1,9), 2020: 33,9 Prozent (-0,7)

– SPD: 2008 42,67 Prozent (+11,89), 2014: 37,1 Prozent (-5,6), 2020: 26,0 Prozent (-11.1)

Nachfolger Jens Meyer gewann 2020 in der Stichwahl knapp gegen CSU-Kandidat Benjamin Zeitler und setzt die Ära der SPD-Oberbürgermeister fort.

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