Befreiung des KZ Flossenbürg: 600 Gäste aus aller Welt beim 79. Jahrestag
Flossenbürg. 600 Gäste aus aller Welt gedachten am Sonntag der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg im April 1945 - so viele wie noch nie. Darunter waren auch drei ehemalige Häftlinge.
Die Überlebenden Leon Weintraub (98) aus Stockholm, Leszek Zukowski (95) aus Warschau und Josef Salomonovic (85) aus Wien sitzen beim Gedenkakt in der ersten Reihe, neben ihnen Herzog Max in Bayern. Der Platz des vierten ehemaligen Häftlings Martin Hecht aus Israel bleibt leer: Der Flug des 93-Jährigen und seiner Frau war nach den iranischen Angriffen gecancelt worden. Einige Angehörige sind da, sie hatten einen früheren Flug genommen bzw. kamen aus New York.
Die Familien ehemaliger Häftlinge füllen die ersten Reihen im festlichen Zelt. Mit Headsets hören sie Übersetzungen der Ansprachen. Stellvertretend für die internationalen Gäste begrüßt Gedenkstättenleiter Jörg Skriebeleit eine Gruppe Italiener, betreut von Friedo Peterhans aus Weiden: „Carissimi amici italiani!“ Die Italiener waren zur Eröffnung einer neuen Ausstellung über den „Transport Nummer 81“ aus Bozen gekommen. Nicht einmal 100 von 423 Deportierten überlebten das KZ Flossenbürg und seine Außenlager.
Statements gegen Antisemitismus
Die aktuelle politische Lage – in der Welt und in Deutschland – ist Thema in allen Reden. „Sie wissen, dass wir an Ihrer Seite stehen: an der Seite der Juden in Deutschland und in Israel“, richtet Gedenkstättenleiter Skriebeleit das Wort an Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden.
Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, wirft sein Redemanuskript für einen leidenschaftlichen Appell über den Haufen. „Wir müssen aufpassen, dass diese Demokratie einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung hat. Demokratie hat nämlich eine Achillesferse: Sie kann sich selber abschaffen.“ Das KZ-Gelände als Erinnerungs- und Lernort sei wichtiger denn je. „Hier sind die Beweise, was geschehen ist. Wie gemordet wurde.“
Es schneit, der Wind hebt ein Technikzelt aus den Angeln. Freller erinnert an den Granitabbau durch Häftlinge: in 12-Stunden-Schichten, dürftig bekleidet, in Holzpantinen, in der eisigen Kälte der Oberpfalz: „Der heutige Tag lässt grüßen.“ Überlebender Zukowski sagt: „Der Stein hat uns die Hände zerschunden, das Kreuz gebrochen, ist in unsere Seelen gedrungen.“ Der Steinbruch ist künftig Teil der Gedenkstätte, kündigt Freller an. Der kommerzielle Abbau ist Ende März 2024 eingestellt worden.
Antisemitismus „besorgniserregend“
Auch Finanzminister Albert Füracker hat die Erweiterung der Gedenkstätte um den Steinbruch unterstützt. Ein „Ad-acta-Legen“ der Vergangenheit dürfe es nicht geben. „Das, was hier in unserer Heimat während des Dritten Reichs passiert ist, war von einer solchen Dimension, dass es nie vergessen werden darf.“ Die jüngsten Entwicklungen in Deutschland nennt er „besorgniserregend“. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass Juden beschimpft werden und um ihre Unversehrtheit fürchten müssen.
Die Ära der Zeitzeugen gehe allmählich zu Ende. „Wir müssen neue Wege finden, ihnen eine Stimme zu geben“, so Füracker. Ein Partner dabei ist die Universität Regensburg, mit der eine Ausstellung „Ende der Zeitzeugenschaft?“ erarbeitet wurde. Uni-Präsident Prof. Udo Hebel warnt vor Desinformation, Fake News, Verharmlosungen, Hassrhetorik und Manipulation. „Dumpf-ignoranter Rechtspopulismus hallt durch Parlamentssäle und greift nach den Wahlurnen.“
„Zweite Generation“ übernimmt Rede
Einen neuen Weg zeigt schließlich der letzte Redner auf: der Niederländer Youp Zwolschen. Er ist Enkel des Überlebenden Antoon Bink, Häftling Nummer „H 89060“. Antoon wurde im November 1944 in Rotterdam verhaftet und kam über Chemnitz nach Flossenbürg. Der Niederländer konnte während eines Todesmarsches fliehen und wurde von einer Familie in einer Scheune versteckt. Enkel Youp ging den Weg des Großvaters zu Fuß nach: 1100 Kilometer – von Rotterdam bis Flossenbürg.
Letztes Jahr legte er die letzten 25 Kilometer zurück. All diese Zeit hatte er die Häftlingsnummer meines Großvaters in seinem Rucksack bei sich. Er hatte dieses Stück Stoff mit der Nummer darauf sein ganzes Leben lang aufbewahrt. Es ist nie gewaschen worden. „Der Schmutz aus seiner Zeit in Flossenbürg hängt buchstäblich noch daran.“ Dieses Stück Stoff hat Youp Zwolschen der Gedenkstätte überlassen.
Vor wenigen Monate menschliche Überreste entdeckt
Tausende Schicksale. Viele werden nie erzählt werden. Vor wenigen Monaten wurden bei Arbeiten im Tal des Todes menschliche Überreste gefunden. Wie Jörg Skriebeleit mitteilt, handelt es sich um „Asche und andere Dinge“. Man habe die Überreste sorgsam geborgen und unter „höchster Pietät“ bewahrt. Am Sonntag werden sie in kleinem Kreis im „Tal des Todes“ in einer Urne bestattet.
Die feierliche Kranzniederlegung durch Jugendliche findet in diesem Jahr aufgrund des Schneefalls auf dem Appellplatz statt. Rabbi Elias Dray und Geistlichen anderer Religionen sprechen Gebete.
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