Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Lieber Clausi, ich liebe dich!

Nordoberpfalz. Warum nicht mal friedlich sein und den ersten Schritt machen? Der Versuch eines Liebesbriefs eines Pendlers an den GdL-Vorsitzenden. Eine Glosse.

Dienstag, 5.39 Uhr am Bahnhof Schwandorf. Gibt es einen Ort auf der Welt, wo es um diese Zeit schöner ist? Foto: rie

Lieber Claus, das ist zugegeben eine etwas überraschende Wendung, dass ich dir nun einen Liebesbrief schreibe. Denn was du und deine Blechdosenarmee abgezogen habt beziehungsweise jetzt androht (Wellenstreiks), lässt einen Pen(n)dler wie mich langsam den Verstand verlieren. Das wäre die wahrscheinlichste Erklärung für meinen Wandel.

Meine neue Liebe zu dir ruht auf vielen unterschiedlichen Säulen. Schon unser Herr Jesus lehrte uns seine Feinde zu lieben und denen, die uns schlagen, auch noch die andere Wange hinzuhalten. Lieber Claus, hier ist sie, etwas hängend und lefzenartig, aber zu deiner vollen Verfügung. Wir Märtyrer müssen schließlich zusammenhalten.

Was für ein toller Mensch

Lieber Claus, ich liebe dich, denn du bist so schön, so stark, dein Leib gleicht einem in Marmor verewigten Apoll – vor allem untenrum. Hast du dir mal überlegt, deswegen einen Porsche zu kaufen? Das wäre in den Verhandlungen auch ganz gut für den Hormonspiegel, dann könnte man vielleicht auch mal in einem normalen Ton miteinander sprechen.

Außerdem kannst du dir so ein Fahrzeug sicher leisten, denn sei mal ehrlich, wer will sich in seiner Mobilität schon freiwillig auf den Zug verlassen? Du hast doch bestimmt noch einige stille Beteiligungen bei GDL-eigenen Unternehmen wie der Fair Train e.G. Für alle Unwissenden: Die Zeitarbeitsfirma verleiht spezifisches Fachpersonal, sprich Lokführer, an Verkehrsbetriebe und -konzerne, um deren hohe Nachfrage zu decken. Clausi, du bist ein Fuchs!

Foto: OberpfalzECHO/ Andrea Schreiber

Deine Spuren in der Geschichte

Lieber Claus, du und deine Mitstreiter werden sich mit spitzer, mit dem Blut der Feinde getränkter Feder in das Stammbuch unserer Demokratie einschreiben. Rechte, für die sich weiland Eisenbahner und andere Arbeiter von den Barrikaden haben schießen lassen, werden wohl schon bald aufgeweicht werden im Sinne von “Begrenzung des Streikrechts bei relevanten Infrastrukturen”. Zu viel Pathos, zu unsachlich und zu aggressiv? Definitiv, aber diese Rhetorik trifft doch den Puls der Zeit, deinen Puls, geliebter Claus.

Du junger Wilder

Trotz deiner 65 Lenze bist du jugendlich, frisch geblieben, fast von kindlichem Gemüt. Bei einem Kind, dass sich so verhält, würde man allerdings schnell erkennen, wie verhaltensoriginell es ist und die Schulpsychologin zurate ziehen, vielleicht auch ordentlich Ritalin geben.

So mancher Lehrer würde dann am Ende verzweifelt konstatieren: “Der hat sie doch nicht alle!” Und so schließt sich wieder der Kreis zur Realität, denn genauso hast du dich ja über einen deiner Verhandlungsgegner geäußert. Das nennt man doch mal soziale Kompetenz und Gesprächskultur.

Botschafter der Literatur

Wir beide teilen ein wundervolles Hobby, nämlich die Literatur. Und wie du und die deinen Franz Kafka, dessen 100. Todestag 2024 vielfältig gefeiert wird, auch für den einfachen Bahnreisenden auf sinnlicher Ebene erfahrbar gemacht habt, verdient meinen ganzen Respekt und natürlich meine Liebe zum großen Initiator.

Ein kleiner Hinweis: Im Werk Kafkas geht es um das Ausgeliefertsein, um die Hilflosigkeit des Menschen einer unbestimmten Macht gegenüber, der er nicht entkommt. Dem Pendler kommt das doch irgendwie bekannt vor …

Nach dem Kampf ist vor dem Kampf

Außerdem seid ihr in eurer Mission so unheimlich fokussiert und lasst euch wirklich durch gar nichts ablenken. Ich habe jedenfalls bisher weder in Schwandorf noch in Weiden jemals einen Lokführer gesehen, der einen Kinderwagen oder den Koffer einer Oma die Treppen hinuntergetragen hat.

Selbstverständlich wird das nicht dein letzter Kampf sein, auch wenn du dich offiziell in den Ruhestand zurückziehst. Vielleicht kannst du ja bei den Ortsverbänden deiner Partei Vorträge (gegen eine kleine Gebühr, man muss ja essen) halten, wie man den Zerschmetterten, Ausgestoßenen und Unterdrückten zu ihrem Recht verhilft. Dafür steht schließlich deine CDU.

Bye bye, küss die Hand …

Lieber Claus, mag deine Schale und dein Verhalten auch rau sein, dein Herz ist sanft und deine Seele rein wie eine Feder, dafür lieben wir dich und die deinen so sehr. Wir können es nur nicht richtig ausdrücken.

In diesem Sinne – Freundschaft und Solidarität mit den Geknechteten,

dein Franz

P.S. Jetzt reicht es aber mit dem bitterbösen Ton zu diesem Thema, deshalb switche ich abschließend schnell in die Liberalitas Bavariae:

Jetzt hockts euch doch in Gottes Namen zam und finds a Lösung und dann kaafts eich miteinander a sauberne Maß!!! Ich warte derweil auf den Zug …

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