Bücherherbst: Kindheit in der 1980ern – Achtung Triggergefahr

Nordoberpfalz. Der Deutsche Buchpreis ist vergeben, Zeit, sich einmal den Kandidatinnen und Kandidaten der Shortlist zu widmen. "Lügen über meine Mutter" von Daniela Dröscher konnte mich begeistern.

Foto: OberpfalzECHO/Ann-Marie Zell

Was zeichnet Literatur aus? Bisher habe ich mich in meinen Tipps immer sehr hemdsärmlig gegeben, denn in der Literatur darf es schließlich ruhig mal scheppern. Umso höher muss es bewertet werden, wenn mich ein gefühlvolles, absolut unaufgeregtes Werk wie “Lügen über meine Mutter” so erreicht.

Es ist ein Buch, das ich nicht einfach so weggelegt habe. Vorher musste ich wirklich überlegen, warum. Was hatte dieses Werk besonderes, dass ich mich nicht sofort den drei wartenden angelesenen Büchern widmete? Weil es etwas bewegt hat: Erinnerungen an die eigene Jugend, Bitteres, Lustiges, Nostalgisches – so lange her und doch für das ganze Leben prägend.

Auch der Stil von Daniela Dröscher hat mir außerordentlich gefallen. Eine klare, einfach Sprache und doch mit Witz und Pfiff. Besonders ansprechend wird die Lektüre natürlich, wenn man zur gleichen Zeit in einem ähnlichen bürgerlichen Milieu der 1980er Jahre aufgewachsen ist. Es ist schön zu lesende Literatur mit Herz. Auch das geht bei mir.

Dröscher zeigt mit ihrem Roman, wie ungerecht das Leben für Frauen noch vor dreißig Jahren war. Es macht wütend, von diesem Patriarchen zu lesen, dessen Miene, wie es heißt, das Klima in der Familie bestimmt.Anna Flörchinger, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Lügen über meine Mutter, Daniela Dröscher, Kiepenheuer und Witsch

“Lügen über meine Mutter” ist zweierlei zugleich: die Erzählung einer Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft.

Eindrucksvoll lässt Daniela Dröscher ihr kindliches Alter Ego, die Jahre, in denen sich dieses “Kammerspiel namens Familie” abspielte, noch einmal durchleben. Ihr gelingt ein ebenso berührender wie kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung und Fürsorge. Vor allem aber ist dies ein tragik-komisches Buch über eine starke Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen. (Quelle: Verlag)

Über die Autorin:

Daniela Dröscher, Jahrgang 1977, aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, lebt in Berlin. Sie schreibt Prosa, Essays und Theatertexte. Studium der Germanistik, Philosophie und Anglistik in Trier und London, Promotion im Fach Medienwissenschaft an der Universität Potsdam sowie ein Diplom in “Szenischem Schreiben” an der Universität Graz.

Sie wurde unter anderem mit dem Anna-Seghers-Preis, dem Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds sowie dem Robert-Gernhardt-Preis (2017) ausgezeichnet. Seit Herbst 2018 ist sie Ministerin im Ministerium für Mitgefühl.

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