Cannabis-Senior bricht Rekorde

Weiden. Eigentlich war der Abschluss des Prozesses gegen den Cannabis-Senior zum Greifen nahe. Doch eine Erklärung seines Wahlverteidigers macht ein neues Gutachten notwendig.

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Staatsanwalt Benjamin Schaub wartet mit dem Angeklagten und seinen beiden Verteidigern auf das Gericht. Foto: Martin Stangl

Vor der ersten Strafkammer am Landgericht Weiden stand am Freitag der zweite Verhandlungstag im Cannabisprozess gegen einen 80-Jährigen an. Einen Rekord dürfte der Senior schon gebrochen haben: Mit einer vorgeworfenen Rauschgiftproduktion von möglicherweise über 30 Kilogramm und seinem fortgeschrittenen Alter dürfte es bisher keinen vergleichbaren Fall im Landgerichtsbezirk gegeben haben.

Kommissar Zufall half bei der Aufdeckung

Bereits am ersten Verhandlungstag kamen die Details zur Festnahme des Seniors aus Plauen auf: Nur weil er bei einer Pause in der Rastanlage Windischeschenbach mit seinem Gespann aus Auto und Anhänger falsch parkte, wurden Schleierfahnder auf den Mann aufmerksam. Entdeckt wurden Abfälle und Schnittgut aus einer mutmaßlichen Cannabis-Plantage. Seit März 2023 wartete der in U-Haft genommene auf seinen Prozess, der am vergangenen Freitag fortgesetzt wurde.

Kontobewegungen machen das Gericht misstrauisch

Am zweiten Prozesstag standen erneut umfangreiche Zeugenvernehmungen im Mittelpunkt. Zunächst wurden die Konten des Angeklagten unter die Lupe genommen. Auffällig waren die zahlreichen Geldeingänge auf verschiedene Konten. Darunter waren Beträge von 2500 bis 13.000 Euro und mehrere Barabhebungen. Sowohl für den Geldzufluss als auch für Barabhebungen äußerte sich der Rentner sehr detailliert.

Seinen Angaben zufolge verlor er bei der Flut im Ahrtal am 14. und 15. Juli 2021 sein gesamtes Hab und Gut. “Meine Wohnung, mein Auto – alles war komplett vernichtet. Lediglich zwei 25-Jahre alte Motorräder blieben mir. Ich hatte buchstäblich nur mehr meine Hose und ein T-Shirt!” Danach kamen Unterstützungsgelder von Bund und Landkreis sowie der Hausratversicherung, was die drei größeren Summen ausmachte. “Die beiden Motorräder verkaufte ich für jeweils 2500 Euro”, so der Senior.

ie Barabhebungen erklärte er damit, dass er – um jederzeit liquide zu sein – größere Summen zusammen mit seiner Lebensgefährtin in einem Schrank zu Hause bunkerte. Der Angeklagte pochte darauf, dass die Gelder absolut legal und transparent seien. Der Vorsitzende der Kammer Peter Werner konterte dies trocken: “Sie sind hier nicht wegen Geldwäsche angeklagt, sondern wegen eines Betäubungsmitteldelikts.”

Cannabisanbau in großem Stil

Die Dimension der Cannabis-Plantage verdeutlichte ein Zeuge der Kripo Rudolstadt. Aufgrund einer Passantenbeobachtung wurde nahe Schleiz – parallel zum Aufgriff in Windischeschenbach – eine wilde Ablagerung von Cannabisresten in großem Stil aufgedeckt. Ein Ermittlungserfolg blieb aus, weil keine verwertbaren Spuren, die Rückschlüsse auf die Herkunft zugelassen hätten, hinterlassen wurden.

Erst als die Fahndung auf Bayern ausgedehnt wurde, kam man den Tätern auf die Spur: Die Rückstände in Windischeschenbach und Schleiz kamen aus derselben Plantage. Diese Anlage konnte man dann als Tatort festmachen. Die Beamten fanden eine nach ihrer Meinung professionelle Produktionsanlage für Cannabispflanzen vor. Neben einer automatisierten Bewässerung und Belüftung stellten sie dort eine perfekte Beleuchtung und Heizung sowie entsprechendes Werkzeug sicher. In insgesamt drei Räumen müssen wohl etwa 1200 Pflanzen aufgezogen worden sein.

Kriminaltechnische Hochrechnungen ergaben einen verwertbaren Pflanzenanteil von über 20 Kilogramm Material mit 900 Gramm THC (Tetrahydrocannabinol). In diesem Zusammenhang konnte man einen mutmaßlichen Mittäter des in Weiden Angeklagten bereits festnehmen.

Strafverteidiger zweifelt an “professioneller” Pflanzenaufzucht

Um einen Schlussstrich unter das Verfahren zu ziehen, brachte die Kammer ins Spiel, lediglich 18 Kilogramm Cannabis und keinen Handel in die Strafzumessung einzubringen. Nach einer Besprechung mit ihrem Mandanten verlasen die beiden Strafverteidiger Rouven Colbatz (Weiden) und Kabala Mbaluku (Eschborn) eine umfangreiche Erklärung.

Darin bezweifeln sie einen professionellen Umgang des Angeklagten hinsichtlich der Aufzucht der Cannabispflanzen: “Der Zustand der aufgefundenen Pflanzenrückstände, insbesondere die verschimmelten Teile, beweisen, dass hier keine Professionalität angewendet wurde und in der Folge davon die hochgerechneten THC-Werte (dieser Substanz wird der Hauptanteil der berauschenden Wirkung zugesprochen) nicht der Anklageschrift entsprechen.”

Nach kurzer Beratung ordnete das Gericht ein erneutes Gutachten an, das kurzfristig erstellt werden soll. Staatsanwalt Benjamin Schaub hatte keine Einwände. Der nächste Verhandlungstag findet bereits am Freitag, 16. Februar, statt. Bis dahin verbleibt der Cannabis-Senior in Almesbach in U-Haft.

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