Ein schwieriges Thema: Landestheater Oberpfalz inszeniert „Bilder von uns“

Leuchtenberg. Mit dem Theaterstück "Bilder von uns" bringt das Landestheater Oberpfalz (LTO) nicht ganz einfachen Stoff auf die Bühne.

Szenenbild aus dem Stück. Foto: Landestheater/LTO
Szenenbild aus dem Stück. Foto: Landestheater/LTO
Foto: Landestheater/LTO
Foto: Landestheater/LTO
Foto: Landestheater/LTO

Missbrauch und sexualisierte Gewalt – egal ob in der Kirche, der Familie oder am Arbeitsplatz – sind Themen, mit denen man sich nicht gerne beschäftigt. Aber Wegschauen ist keine Lösung. Man muss in der Gesellschaft und Politik darüber reden und sich der Problematik stellen. Das Theaterstück „Bilder von uns“ von Thomas Melle behandelt sehr intensiv und eindringlich diese Thematik. Das Landestheater Oberpfalz (LTO) bringt den nicht einfachen Stoff auf die Bühne.

Termine & Tickets

Premiere ist am Freitag, weitere Aufführungen gibt es am Samstag und Sonntag sowie am 11., 13., 14. April, jeweils um 20 Uhr im Ring-Kino

Die Karten gibt es hier und an der Abendkasse

Weitere Informationen gibt es hier.

Regisseur Florian Tobias Beck im Interview

OberpfalzECHO: Bilder von Uns“ ist ein Theaterstück mit einem brisanten Thema: Es geht um sexuellen Missbrauch an einer kirchlichen Einrichtung. Wie sind Sie auf das Stück und den Autor gestoßen?

Florian Tobias Beck: Dass man sich als Regisseur Stücke aussucht, ist im Theater eigentlich nicht die Regel. Die Stückauswahl fand in diesem Falle durch den künstlerischen Leiter des Hauses Christian A. Schnell statt, der mir die Inszenierung angeboten hat. Als ich dann den Namen des Autors Thomas Melle gelesen hatte, wusste ich gleich, das ist ein Text, der mich interessiert. Ich kenne Melle als Autor preisgekrönter gegenwärtiger Romane und durch seine Neuübersetzung von Shakespeares „Der Sturm“, den ich vor einigen Jahren an den Münchner Kammerspielen gesehen hatte.

Nachdem ich das Stück dann das erste Mal ganz gelesen hatte, hat sich mir dann allerdings doch die Frage gestellt, warum Christian sich ausgerechnet mich – einen noch jungen Regisseur – für die Inszenierung dieses Stoffes ausgesucht hat. Aber genau darin lag für mich letztendlich auch die Spannung. Ich suche in meinen Inszenierungen immer nach Schnittmengen zwischen den Figuren und mir, was bei diesem Stück eher schwierig war. Mehr Aufmerksamkeit floss in die Recherche des Themas und der realen Ereignisse, auf denen „Bilder von uns“ beruhen. Allerdings bin ich am Ende der Konzeptionsarbeit vor allem auf aktuelle mediale Bezüge gestoßen, die ich für die Inszenierung sehr spannend finde – Bezüge, die jeder Zuschauer kennt und verstehen wird.

Regisseur Florian Tobias Beck. Foto: Landestheater/LTO

Was hat Sie daran gereizt, diesen nicht einfachen Stoff am Landestheater aufzuführen?

Beck: Am meisten hat mich die bild- und wortgewaltige Lyrik und Poetik von Autor Thomas Melle gereizt. Denn in meinen vergangenen Arbeiten als Regisseur habe ich gemerkt, dass mir vor allem die Inszenierung moderner und zeitgenössischer Theatertexte liegt. Ich verfolge einen postdramatischen Ansatz und betrachte den Text immer erstmal als reinen Text und nicht als Wirklichkeit oder absolute Wahrheit. Das zu entscheiden, überlasse ich am Ende des Tages lieber den Zuschauern. Man soll sich bestenfalls Gedanken über das Stück und die Themen der Inszenierung machen und anschließend darüber sprechen. Dialog anregen – das ist Theater.

Wie ist die Inszenierung angelegt? Gibt es ein Bühnenbild?

Beck: Für mich ist das Spannendste am Text, dass Melle zwei textliche Ebenen erstellt hat: Zum einen die Geschichte von Jesko Drescher, den seine Vergangenheit einholt, als ihm anonym Fotos aus seiner Internatszeit aufs Handy geschickt werden. Darauf ist er leicht bekleidet. Mit scharf formulierten Dialogen erzählt Melle, wie Jeskos Leben daraufhin aus den Angeln gehoben wird, wie seine Ehe gefährdet und er mit betroffenen Mitschülern aneinander gerät.

Auf einer zweiten Ebene erzählt der Autor in eher poetischer Sprache einen Informations-, Medien- und Gedankensturm, der parallel zur Handlung entsteht und in bildgewaltigen Texten die Ereignisse der damaligen Schulzeit und der gegenwärtigen Aufarbeitung aufwirbelt.

In der Probenarbeit sind wir darauf gestoßen, dass das Leid anderer heutzutage beispielsweise in Form von True-Crime-Podcasts als Konsumobjekt verzehrbereit zur Verfügung gestellt wird. Um solche erweiterten Deutungsebenen in eine Inszenierung aufzunehmen, bieten sich Melles Textflächen hervorragend an. So entsteht in der Inszenierung ein Medienspuk, der Jesko verfolgt. Ob dieser allerdings nur in seinem Kopf stattfindet oder bereits Wirklichkeit geworden ist, liegt in der Interpretation der Zuschauer.

Beim Bühnenbild habe ich nach einer Metaphorik gesucht, die ein Kindheitstrauma passiv vermittelt. So findet das gesamte Geschehen in einer Art Kinderzimmer statt, mit Kinderbett und Kindertisch in einem nicht weiter definierten Raum. Ich arbeite außerdem mit Live-Videoprojektionen, um die Emotionen der Figuren in Großaufnahmen zugänglich zu machen.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Schauspieler und Schauspielerinnen ausgewählt und die Rollen besetzt?

Beck: Als Regisseur am Theater ist man für gewöhnlich nicht für die Auswahl der Darsteller zuständig. In diesem Fall gab es Vorgespräche mit Christian, in denen es darum ging, wie viele Darsteller ich für meine Inszenierung brauche. Die finale Auswahl trifft hier aber für gewöhnlich die Intendanz. Die Besetzung lege ich, falls nicht bereits vom Theater vorgegeben, in meiner Arbeit immer nach den ersten Leseproben fest. Da ich als Regisseur ja meist nur Gast an den Häusern bin, an denen ich inszeniere, kenne ich das Ensemble oftmals nicht vorher und muss mir zuallererst ein Bild machen, welcher Darsteller denn für welche Rolle geeignet ist.

Wie sehr muss man als Regisseur bei so einem schwierigen Thema darauf achten, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler nicht zu sehr belastet werden?

Beck: Tatsächlich gar nicht. Ich arbeite mit einem erfahrenen Ensemble von Profidarstellern zusammen, da muss ich mir keine Sorgen machen, dass die ihre Rolle mit nach Hause nehmen. Eine gesunde Rollenhygiene gehört zum Job.

Wie wichtig ist es für das Landestheater auch nicht unbedingt leichte oder gefällige Stoffe zu inszenieren?

Beck: Es ist wichtig, ein Stück wie dieses auf die Spielpläne zu setzen, das zeigt allein schon die Tatsache, dass alle davon reden, es handele sich um „ein schwieriges Thema“. Ginge es im Stück um einen Mord und eine Figur würde kaltblütig aus dem Leben gerissen, dann würde man einfach nur von einem Krimi sprechen und der Saal wäre ausverkauft.

Am Ende ist sexualisierte Gewalt nur ein weiteres Thema in unserem alltäglichen Geschehen, das uns umgibt. Genauso wie Krieg, Mord, Erpressung, Korruption und vieles mehr. Leider wird über sexualisierte Gewalt immer noch viel zu wenig gesprochen. Und interessanterweise geht es ja nicht mal direkt um die Ausübung sexualisierter Gewalt in der Geschichte des Stücks. Es geht vielmehr um die Folgen, die verschiedenen Arten der Aufarbeitung, um den medialen Umgang mit Leid und wie schnell dieses wieder vergessen wird.

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