Gedenken an Pogromnacht: Jüdische Gemeinde dankt für Solidarität

Weiden. Doppelt so viele Menschen wie in den Vorjahren kamen am Donnerstagabend zur Gedenkfeier an die Reichspogromnacht. Mit Nachfahren ermordeter Juden aus Weiden gedachten sie an die mindestens 56 Holocaust-Opfer der Stadt.

Pogromnacht Jüdische Gemeinde
Hila Kohner aus Tel Aviv las die Namen ihrer Angehörigen vor, die im Holocaust ermordet wurden. Foto: Christine Ascherl

Pfarrer Alfons Forster (Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit) wertete es als starkes Zeichen, dass auch Imam Maher Khedr da war. Vorsitzender Leonid Shaulov dankte im Namen der Jüdischen Gemeinde für die Solidarität der Teilnehmer: „Friede für Israel, Friede für alle.“

Seit dem brutalen Angriff der Terrormiliz auf Israel am 7. Oktober 2023 herrsche Krieg, ging Pfarrer Alfons Forster auf die aktuelle Lage ein. Die Zahl der zivilen Opfer in Gaza steige, weil die Hamas die eigene Bevölkerung als Schutzschild benutze. „Je länger der Krieg dauert, umso mehr steigen Hass und Antisemitismus in unserem Land und weltweit.“ Die Erinnerung an die Pogromnacht vor 85 Jahren sei vor diesem Hintergrund von „größter Wichtigkeit“.

Pogromnacht in Weiden: massive Ausschreitungen

„Die Nacht auf den 10. November 1938 bleibt ein Alptraum“, erinnerte Oberbürgermeister Jens Meyer. Synagogen gingen in Flammen auf. Wohnungen, Arztpraxen, Geschäfte wurden zerstört. „Auch in Weiden gab es gravierende Ausschreitungen.“ SS-Männer verwüsteten den Betsaal. In der Nacht wurden jüdische Mitbürger ins Rathaus geschleppt und geprügelt, bis man sie ins Landgerichtsgefängnis (heute Regionalbibliothek) brachte. Von dort wurden 23 Männer ins KZ Dachau gebracht.

Diese Nacht markierte den Beginn der systematischen Verfolgung, so Meyer. Und man frage sich noch heute: „Wie konnte es dazu kommen? Warum schauten so viele Bürger bei den Ausschreitungen weg?“

„Wir dulden keinen Antisemitismus in unserem Land!“

Heute seien Beschimpfungen, Bedrohungen und körperliche Gewalt gegen Juden plötzlich wieder von größter Aktualität. Am 7. Oktober 2023 griffen die Hamas Israel an, ein „bestialisches Massaker an der Zivilbevölkerung“. „Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen als Tag mit den meisten Todesopfern seit 1945.“ Man dürfe keinen Antisemitismus in Deutschland dulden. Meyer zitierte Steinmeier: „Keinen alten, keinen neuen. Keinen christlichen, keinen muslimischen. Keinen linken und keinen rechten.“

„Wir – wir! – müssen entschieden gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit vorgehen. Es ist unsere Aufgabe, den Anfängen zu wehren. Wenn wir nicht handeln, fühlen die sich im Recht, für die schweigende Mehrheit zu handeln“, warnte der Oberbürgermeister.

Gedenken an Friedrich „Fritz“ Friedmann

Elisabeth Frey und Franz Häring verlasen die Namen der ermordeten Weidener Juden. Mindestens 56 von insgesamt knapp 200 jüdischen Bürgern aus Weiden wurden im Holocaust getötet, die anderen in alle Welt vertrieben. Nur eine einzige Familie ließ sich dauerhaft wieder nieder, die Friedmanns.

Nachfahre Werner Friedmann gedachte am Donnerstagabend seinem Onkel. Friedrich, genannt Fritz, Friedmann wurde 1941 im Alter von 29 Jahren in Schloss Hartheim bei Linz in einer Tötungsanstalt ermordet. 30.000 Menschen wurden dort umgebracht. „Er kam mit 120 Menschen in eine Gaskammer von 22 Quadratmetern und wurde mit Kohlenmonoxid erstickt. Seine Asche und die Asche der anderen wurde in der Donau entsorgt.“

Angehörige aus Israel in Weiden

Noch eine weitere Nachfahrin trat bei der Gedenkfeier ans Mikrofon: Hila Kohner aus Tel Aviv, die sich aktuell mit ihrer Mutter Michal Kohner sowie Susan Kohner aus England in Weiden befindet. Sie las die Namen ihrer ermordeten Angehörigen vor.

„Der Name der Kohners soll nicht vergessen werden“: Das versprachen Schülerinnen der Pestalozzischule, die mit ihren Lehrern Björn und Annette Sommer sowie Schulleiter Robert Wittmann gekommen waren. Im Rahmen eines Schulprojekts haben sie die Lebenswege jüdischer Familien nachgezeichnet. Überrascht habe man bemerkt, dass eine Familie Kohner gleich ums Eck wohnte, in der Frauenrichter Straße.

„Sie wohnten an einem Ort, an dem wir täglich auf unserem Schulweg vorbeikommen, ohne uns etwas zu denken.“ Auch hier werden am Samstag, 11. November, Stolpersteine verlegt, um die sich die Schüler kümmern wollen. Und noch einen Plan haben die Jugendlichen: „Wir wollen alle 410 Schüler der Pestalozzischule zu diesen Stolpersteinen bringen.“ Leonie Götz, Rihanna Sommer, Miray Solak, Sevim Bakir und Alina Simon legten Steine am Mahnmal nieder.

Rabbiner Daniel Morag sprach das Kaddisch, das jüdische Totengebet. Pfarrer Alfons Forster dankte Dr. Sebastian Schott (Stadtarchiv) für die stetige Unterstützung. Dank galt den Polizisten und Polizeidirektor Markus Fuchs, Leiter der Inspektion Weiden, für die Absicherung. Klaus Luther (Gitarre) und Christoph Pausch (Geige) umrahmten das Gedenken.

Verlegung der Stolpersteine

Die Verlegung der weiteren Stolpersteine beginnt am Samstag, 11. November, um 13 Uhr am Unteren Markt 17.

Es folgen Stationen in der Oberen Bachgasse 8, in der Luitpoldstraße 8 (ehemals Sedanstraße 20), in der Wörthstraße 14 und der Frauenrichter Straße 52.

In der Oberen Bachgasse wird es stellvertretend für die anderen Stationen gegen 13.20 Uhr ein kleines Programm geben.

Die Standorte mit weiteren Informationen in einer Grafik.

Auch der Betsaal der Synagoge war 1938 verwüstet worden. Foto: Christine Ascherl
Auch der Betsaal der Synagoge war 1938 verwüstet worden. Foto: Christine Ascherl
Die Gedenkfeier in der Konrad-Adenauer-Anlage. Foto: Christine Ascherl
Die Gedenkfeier in der Konrad-Adenauer-Anlage. Foto: Christine Ascherl
Hila Kohner aus Tel Aviv las die Namen ihrer Angehörigen vor, die im Holocaust ermordet wurden. Foto: Christine Ascherl
Hila Kohner aus Tel Aviv las die Namen ihrer Angehörigen vor, die im Holocaust ermordet wurden. Foto: Christine Ascherl
Schülerinnen legten Steine am Mahnmal nieder: Foto Christine Ascherl
Schülerinnen legten Steine am Mahnmal nieder: Foto Christine Ascherl
Foto: Christine Ascherl
Foto: Christine Ascherl
Gedenken an die Pogromnacht vor 85 Jahren, als es auch in Weiden zu massiven Ausschreitungen kam. Im Vordergrund Leonid  Shaulov, Hila Kohner, Fred Lehner und OB Jens Meyer.
Gedenken an die Pogromnacht vor 85 Jahren, als es auch in Weiden zu massiven Ausschreitungen kam. Im Vordergrund Leonid Shaulov, Hila Kohner, Fred Lehner und OB Jens Meyer.
OB Jens Meyer appelliert an ein entschiedenes Eintreten gegen Antisemitismus. Foto: Christine Ascherl
OB Jens Meyer appelliert an ein entschiedenes Eintreten gegen Antisemitismus. Foto: Christine Ascherl
Imam Maher Khedr (mit schwarzem Schirm) war bei der Gedenkfeier anwesend. Foto: Christine Ascherl
Imam Maher Khedr (mit schwarzem Schirm) war bei der Gedenkfeier anwesend. Foto: Christine Ascherl
Schülerinnen der Pestalozzischule beteiligen sich an der Gedenkfeier. Foto: Christine Ascherl
Schülerinnen der Pestalozzischule beteiligen sich an der Gedenkfeier. Foto: Christine Ascherl

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