Gegenwind für Angeklagte: WSW-Vorständin wusste früh um ungültige Verträge

Weiden. Für die angeklagte Vorständin (50) der Genossenschaft WSW wird es am Montag eng. Im Zeugenstand stehen die beiden Anwälte, die sie in Rechtsfragen beraten haben. Beide sagen glasklar, dass man immer wieder auf die Unwirksamkeit der Verträge hingewiesen habe.

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Die Vertreter der Staatsanwaltschaft im WSW-Prozess: Andreas Falk und Wolfgang Voit. Foto: OberpfalzECHO/David Trott

Es ging dabei um Online-Verträge, die per Button auf einer Homepage geschlossen wurden. Die erforderliche Schriftform wurde damit nicht erfüllt. Auch die Alternative einer qualifizierten E-Signatur nicht. “Ich habe gesagt: Das geht nicht”, sagt der Fachanwalt für IT-Recht (48). Er legt mehrere E-Mails vor, in denen genau das drin steht. Er riet notfalls zur vorübergehenden Stilllegung der Webseite. “Deutlicher kann man es nicht machen.”

Der Jurist muss laut lachen, als ihm vorgehalten wird, was die Vorständin ausgesagt hat: Nämlich, dass er zwar eine E-Mail über die unwirksamen Online-Verträge geschrieben habe. Aber am Telefon habe er ihr gesagt, man könne das ruhig so weiterlaufen lassen. Er schüttelt den Kopf: “Nein. Sowas mache ich nicht.”

Ab April 2020 im Bilde

Interessant ist schon der Zeitpunkt, ab dem der Anwalt und seine Kollegin (32) immer wieder warnten. Schon im April 2020 war demnach klar, dass ein Problem mit den Online-Verträgen besteht. Und zwar ein dickes. Das Geschäft lief dennoch ungehindert weiter bis zur Festnahme im März 2022.

Die beiden Anwälte zählen auf, was alles an Zivilverfahren über ihren Schreibtisch ging. Das ging im August 2019 los. Da klagte “Rewe”, weil Mitarbeitern während ihrer Arbeitszeit Genossenschaftsbeitritte untergejubelt wurden. Eine ähnliche Unterlassungsaufforderung, nicht mehr in ihren Filialen zu werben, kam von “Fressnapf”.

Klagen der Verbraucherverbände blieben nicht öffentlich

Das ging Anfang 2020 weiter, als die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ein Verbot der Webseite einforderte. Diese sei für einen Laien nicht ausreichend transparent. Der Verbraucher erkenne nicht, einer Genossenschaft beizutreten. Eine ähnliche Klage reichte der Bundesverband für Verbraucherschutz 2021 am Landgericht Weiden ein.

In beiden Fällen ließ es die WSW auf Versäumnisurteile ankommen. Sprich: Man tritt erst gar nicht vor Gericht an. Vorteil: Es ergeht ein Urteil ohne Verhandlung (sprich: ohne Öffentlichkeit und Presse). Das Urteil wird zudem nicht begründet. Der damalige Anwalt sagt: “Ihr Fokus war immer, dass Verbraucherzentralen nicht aus einem Urteil zitieren können.”

Mit “ihr” meint er immer nur Tina K. Beide Anwälte hatten nach eigenen Angaben nur Kontakt mit der Vorständin und in einzelnen technischen Fragen mit dem Sohn. Der Aufsichtsratsvorsitzende war “höchstens einmal” bei einer Besprechung dabei.

Anwälte: Immer wieder auf Unwirksamkeit hingewiesen

Die Anwältin der Kanzlei betreute 66 Verfahren von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die sich gegen die Zahlung von Vermögenswirksamen Leistungen wehrten. Alle Fälle waren mehr oder minder gleich: Die Kläger konnten sich an keinen Vertragsschluss erinnern. In den meisten Fällen habe man per Vergleich “die Kuh vom Eis bekommen”. Auch da legte Tina K. Wert auf eine Verschwiegenheitsklausel. “Damit im Internet nicht irgendwo stehen kann: Achtung, böse, WSW, das sind alles wirksam keine Verträge.”

Gerichtsmassig wurde auch die Website Crediro des Vertriebspartners aus Niedersachsen. “Man konnte diese Seite definitiv nicht stehen lassen”, berichtet die Anwältin vor Gericht. Per Versäumnisurteil war der WSW ab Juli 2021 untersagt, weiterhin Arbeitgeber mit unwirksamen Verträgen zu VL-Zahlungen anzuweisen. Im September klickte der Anwalt selbst zum Test auf den Link – und sah, dass nichts geändert worden war. Seine Vorlage wurde nicht umgesetzt.

Nie Kontakt zu Aufsichtsratsvorsitzenden

Wieso vertritt man solche Mandanten weiter? Die 32-jährige Anwältin hat diese Frage offenbar erwartet. Sie sagt: “Letztlich kann ich als Rechtsanwalt dem Mandanten nur sagen: Das ist falsch. Wenn der Mandant das nicht umstellt, dann ist das als Rechtsanwalt nicht meine Baustelle.” Sie rückt zudem den Eindruck zurecht, man habe sich mit der möglicherweise betrügerischen Genossenschaft bereichert. Die WSW sei ein kleiner Kunde für die Kanzlei. “Was wir mit der WSW verdient haben, das sind Peanuts.”

Sie beantwortet auch die Frage von Richter Matthias Bauer, ob nicht Zweifel am Geschäftsmodell der WSW aufkamen. Die Juristin sagt: “Ich habe mir Null Gedanken darüber gemacht, was die da machen. Es war mir völligst egal.”

Am Mittwoch, 9.30 Uhr, wird der Prozess mit einer Zeugin der Kripo Weiden fortgesetzt.

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