Jahn-Negativserie hält an: Stolperstart und spätes Powerplay gegen St. Pauli

Regensburg. „Es tut so gut, dass wir wieder zusammenkommen“, begrüßt der Stadionsprecher am Samstagabend 7600 gut gelaunte Zuschauer im Regensburger Jahn-Stadion – auch die Kiez-Fans machen sich lautstark bemerkbar. Nach 95 Minuten kann St. Pauli erleichtert jubeln, die Kicker des SSV Jahn liegen enttäuscht am Boden.

Die Kapitäne bei der Platzwahl: Regensburgs Bene Gimber und der Ex-Regensburger Philipp Ziereis. Bild: Jürgen Herda

Der Kultverein vom FC St. Pauli lag den Regensburgern in früheren Jahren gar nicht so schlecht. Sogar in der vergangenen Saison, als es gegen Ende richtig knapp wurde mit dem Klassenerhalt, gelang dem SSV Jahn ein klares 3:0. In dieser Saison werden die Kiezkicker keine Freunde mehr der Oberpfälzer.

Ein ungefährdeter 2:0-Hinspielsieg in Hamburg beendete den Gipfelsturm der Oberpfälzer in der Hinrunde. Und ein zum Schluss unglückliches 2:3 an diesem kalten Februarabend lässt die Negativserie der so stark gestarteten Rot-Weißen auf 7 Niederlagen aus den vergangenen 10 Spielen anwachsen.

Stolperstart für den SSV

SSV-Coach Mersad Selimbegovic zeigt sich experimentierfreudig und schickt mit Benedikt Saller Josh Kennedy und Nicklas Shipnoski eine auf drei Positionen veränderte Startelf aufs Feld. St. Pauli dagegen läuft unverändert auf.

Der Jahn muss das Spiel machen, was ihm einmal mehr nicht so recht behagt. Anstatt Pressing an Hamburgs Strafraum rasche Verluste bei eigenem Ballbesitz. Schon nach wenigen Minuten muss Alex Meyer einen Schuss von der Strafraumgrenze parieren (3.).

Blitzstart für St. Pauli: Keeper Alex Meyer stinksauer. Bild: Jürgen Herda

St. Pauli muss nur lauern

St. Pauli lauert von Anfang an auf Räume, die weit aufgerückte Regensburger anbieten. Maximilian Dittgen mit Ballgewinn im Mittelfeld, Seitenwechsel auf Leart Paqarada, Flanke auf Etienne Amenyido, fertig ist der Blitzstart, 0:1 (7.).

Das Erfolgsrezept ist gefunden, die Braunen lassen die nun verunsicherten Gastgeber einfach anlaufen, nächster Ballverlust im Mittelfeld, Amenyido wird steil geschickt, Alex Meyer zögert einen Moment zu lange und ist dann zu spät am Ball, der Stürmer fliegt dankbar über die Arme des Keepers, Strafstoß: Guido Burgstaller verlädt Meyer und schiebt ins rechte Eck, 0:2 (11.).

Jahn rennt stoisch in Konter

So einem Fehlstart abzuschütteln ist schon ohne Abwärtstrend schwer genug. Gegen die ballsicheren Fußballpiraten eine Herkulesaufgabe. Der Jahn tut den Hanseaten den Gefallen und läuft stoisch in weitere Konter. In dieser Phase hätte es für Regensburg böse ausgehen können. Burgstaller hat Meyer schon umspielt, setzt aber dann zu hoch an (14.). Pauli hat gut warten, der Jahn bringt nichts Konstruktives nach vorne.

Shipnowski ist glücklos bemüht. Sarpreet Singh fällt im 16er zu leicht für einen Elfer – im direkten Gegenzug erneut ein 1:1 gegen Meyer, aber abseits (23.). Carlo Boukhalfa zeigt hin und wieder technische Kabinettstückchen, ist aber zu verspielt. Ein, zwei Halbchancen von Andreas Albers, einmal lässt er sich abdrängen (27.), beim zweiten Versuch verspringt ihm die Kugel (30.). Singh setzt sich auf der rechten Seite durch, passt dann aber blind in des Keepers Arme (31.)

St. Pauli im Jubelmodus: Guido Burgstaller verwandelt den Strafstoß. Bild: Jürgen Herda

Regensburger Doppelbock

Stattdessen ein Regensburger Doppelbock: Erst der Fehlpass vorm eigenen 16er, Meyer kann gerade noch blocken, Amenyido und Jackson Irvine stehen sich gegenseitig im Weg, die Kugel rollt Richtung Tor, Breitkreuz schlägt ein Luftloch, der Ball kullert daneben. Weiter geht’s im Stolpermodus: Saller verspringt der Ball an der rechten Außenlinie, der Konter bleibt gerade mal so hängen. Kaum atmet man auf, bahnt sich schon der nächste Fehler im Aufbauspiel an.

Pauli kontert sich zur Grundlinie, Flanke, Burgstaller gegen Meyer, der Torwart im Nachfassen nach hinten – die Braunen strecken Hälse und Arme und können es nicht glauben, kein Einspruch aus Köln, kein Tor (38.). Anschließend erneut völlige Desorientierung im Regensburger Strafraum, Ecke, Paqarada mit der nächsten Riesengelegenheit (41.). Kurz vorm Pausenpfiff verfehlt Dittgens Pass den freistehenden Burgstaller (47.), so geht’s mit zwei blauen Augen in die Kabinen.

Belebendes Element Faber

Mersad Selimbegovic reagiert, bringt Konrad Faber und David Otto für die glücklosen Saller und Shipnowski. Zunächst aber braucht der Jahn die tatkräftige Unterstützung von Schiri Nicolas Winter – der Mann mit der Pierluigi-Collina-Gedächtnisfrisur steht dem nächsten Pauli-Konter im Weg. Bene Gimber ackert neben seinem zerrenden Gegenspieler eine Strecke von 30 Metern Richtung Strafraum, bekommt den Freistoß aber 20 Meter weiter hinten.

Der Pass kommt auf einen freistehenden Regensburger, dessen Kopfball drei Meter daneben geht (48.). Jetzt geht’s Mal auch mal schnell über rechts über das belebende Element Faber, Pass auf Otto, dem der Ball verspringt. Auf der anderen Seite bleiben die Paulaner bei Kontern weiter gefährlich.

Konrad Faber und David Otto beleben die Offensive, das wird belohnt. Bild: Jürgen Herda

Rückkehr der Mentalitätsmonster?

Erneut ein Faber-Marathon über rechts, seine verunglückte Flanke senkt sich, Keeper Nikola Vasilj faustet zur Ecke. Den wuchtigen Kopfball pariert erneut der Keeper, der Nachschuss wird zur nächsten Ecke geblockt. Diesmal Singh von links, Beschuschkow hält drauf, Albers den Schädel hin, das Ding sitzt links im Eck, 1:2 (56.).

Jetzt ist das Stadion endgültig aufgewacht. Der Jahn ist im Spiel. Rückkehr der Mentalitätsmonster? Singh mit der bisher größten Chance der Regensburger muss eigentlich ausgleichen (65.). Stattdessen kontern sich die Hamburger im Gegenzug fast mühelos bis zum Fünfer durch: Paqarada auf Daniel Kofi Kyereh, der nur einlupfen muss, 1:3 (66.).

Otto behält die Nerven

Den Nackenschlag steckt der Jahn erstaunlich tapfer weg. Erneutes Anlaufen über rechts, Flanke in die Mitte, Kopfball klar drüber (69.). Boukhalfa kurz vorm 16er verzettelt sich in aussichtsreicher Position, zurück auf Faber, dessen Flanke um Meilen zu weit. Immerhin, der SSV setzt sich jetzt in der gegnerischen Hälfte fest. Albers verlängert einen Freistoß per Kopf in den Lauf von Otto, der gibt Gas, lässt Medic alt aussehen und behält vor Vasilj die Nerven, 2:3 (73.).

Es wird nicht langweilig: Meyer hält den SSV mit Glanzparade bei einem Burgstaller-Kracher im Spiel (74.). Der Jahn jetzt am Drücker, Besuschkows Gerade pariert der Keeper mit der Faust zur Ecke (78.). Es brennt lichterloh im Kiez-16er, doch das muntere Billard führt lediglich zur nächsten Ecke. Hamburg jetzt eingeschnürt, verschafft sich mit Dreifachwechsel eine kleine Verschnaufpause (80.).

Comeback des Jahres: Beste zurück!

Du meine Güte, Pass auf Breitkreuz, bei dessen Drehschuss aus acht Metern kann man im Ansatz erkennen, dass der nur stramm vorbeigehen kann (82.). Dann das Comeback des Jahres: Jan Niklas Beste endlich wieder zurück – und sofort erhöht er die Drehzahl. Freistoß aus aussichtsreicher Position 20 Meter fast zentral, Besuschkow in die Mauer, Gefahr durch den zweiten Ball in den 16er, ein stürzender Regensburger, doch der Schiri winkt ab (84.).

Erster Pauli-Konter nach längerer Zeit – Kyereh ans Außennetz (87.). Der Jahn im Vorwärtsgang, einen Pressball wertet der Schiri als Foul, zum Haareraufen. Jetzt wechselt auch der Jahn die letzten Trümpfe ein. Yildirim und Caliskaner sollen’s richten. Noch einmal nimmt Besuschkow Maß, deutlich drüber, die Zeit läuft unerbittlich ab (89.).

Zum Schluss hat’s nicht gereicht: Enttäuschte Jahn-Spieler. Bild: Jürgen Herda

Schlussdrama ohne Happy End

Wahnsinnspass von Beste, Wahnsinnschance von Albers am Fünfer aus der Luft genommen, knapp daneben (90.). Das Schlussdrama nimmt seinen Lauf, Meyer hält es jetzt gar nicht mehr im eigenen Kasten, bleibt nicht nur bei Ecken vorne – Regensburg belagert Paulis Strafraum, Heckmeck im 16er, doch Schiri Winter erkennt auf Stürmerfoul.

Zum unguten Ende hätten sich Meyers Ausflüge beinahe noch gerächt: Matanovic ist bereits auf dem Weg Richtung leeres Tor, verzettelt sich dann aber, so dass ihn der Keeper schließlich abfängt und brav die Kugel zugeschoben bekommt. Noch eine Herzstillstandsflanke in den hanseatischen Strafraum, keiner kommt ran, die rasende Leidenschaft der letzten 20 Minuten wird nicht belohnt.

Statistischer Sieger: Keine Punkte für gute Stunde

Kurios: In der Statistik sieht der Jahn wie der klare Sieger aus. 23:13 Torschüsse, 532:317 gespielte Pässe, 7:3 Ecken, Passquote von 82:69 Prozent, Ballbesitz von 64 zu 36 Prozent. Aber in die Tabelle gehen diese Parameter eben nicht ein – es sei denn, sie führen zu Toren. Und da ist der Jahn hinten nach wie vor viel zu anfällig.

Es ist nicht das erste Spiel, das der SSV ziemlich unnötig aus der Hand gibt: Auf Schalke kontrollierte Regensburg eine gute Stunde das Spiel, gegen Kiel die erste Halbzeit. Und heute riss Rot-Weiß die Zuschauer die letzten 30 Minuten vom Hocker. Wenn es die Oberpfälzer aber nicht doch noch spannend machen wollen in dieser Saison, sollten sie schleunigst die alte Herberger-Weisheit beherzigen: Das Spiel dauert 90 Minuten, für eine gute Stunde gibt‘s keine Punkte.

Am kommenden Samstag (19. Februar) muss der SSV Jahn zum fränkisch-oberpfälzischen Derby nach Nürnberg – wieder abends um 20.30 Uhr. Eine Partie auf kleiner Krisenmodus-Augenhöhe.

Der Jahn bereitet sich mental auf die nächste schwere Aufgabe beim 1. FC Nürnberg vor. Bild: Jürgen Herda

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