Rumänischer Angeklagter bettelt regelrecht um höhere Gefängnisstrafe

Weiden. Vor der ersten Strafkammer des Landgerichts Weiden wurde am Mittwoch der Prozess gegen zwei mutmaßliche Schleuser aus Rumänien eröffnet. Vor knapp einem Jahr wurden bereits die Komplizen zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

20240214 Schleuserprozess Foto: Martin Stangl
Vier Schleuser aus Rumänien sitzen bereits seit fast einem Jahr in verschiedenen Gefängnissen. Nun wurde der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Mittäter eröffnet. Foto: Martin Stangl

Bereits im Frühjahr 2023 fand vor der 1. Strafkammer des Weidener Landgerichtes der Prozess gegen vier rumänische Schleuser statt. Sie wurden damals zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Alle wurden von der Bundespolizei in Waidhaus auf frischer Tat ertappt. Bislang nicht verurteilt werden konnten die Hintermänner beziehungsweise ein beteiligter Schleuser, der sich bei einer Fahrt durch Flucht den Ermittlungsbehörden entzog.
Durch die hervorragende Zusammenarbeit mit rumänischen Fahndern wurden sie jedoch kurz darauf in ihrem Heimatland festgenommen werden. Nach ihrer Auslieferung warteten sie in bayerischer Untersuchungshaft auf die Gerichtsverhandlung.

Vier Schleuserfahrten nach Bayern

Staatsanwältin Franziska Kleber verlas die Anklageschrift, nach der die beiden Angeklagten beschuldigt wurden, im August 2022 insgesamt vier Schleusungen von Rumänien über Ungarn und Tschechien zum Grenzübergang Waidhaus durchgeführt zu haben. Die etwa 1000 Kilometer lange Strecke wurde in 15 Stunden bewältigt.

Die Touren, bei denen jeweils sechs bis sieben Männer illegal nach Vohenstrauß gefahren wurden, verbrachten die Migranten auf kleinstem Raum, eingepfercht in einer Schlafkabine, die maximal für eine bis zwei Personen vorgesehen ist. Alle Eingeschleusten stammten aus Syrien und dem Irak. Ihr Alter variierte zwischen 14 und 62 Jahren. Der Preis für den riskanten Transport soll teilweise bis zu 14.500 Euro betragen haben. Die Beweislage für die beiden nun Angeklagten war durch die Geständnisse der bereits Verurteilten erdrückend. Zudem hatten die Ermittler durch die Auswertung der Kommunikation auf ihren Mobiltelefonen eindeutige Hinweise, die eine Tatbeteiligung zwingend nahelegten.

“Ich bin Analphabet!”

Vorsitzender Richter Peter Werner wies beide Angeklagten eingangs auf die Vorteile eines umfassenden Geständnisses hin. Während der eine, vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Gesierich (Vohenstrauß), in einer knappen Erklärung vollumfänglich die Tatbeteiligung einräumte, suchte der 44-jährige Mitangeklagte sein Heil darin, sämtliche Vorhaltungen abzustreiten. Der Tenor: “Ich will nicht für etwas ins Gefängnis gehen, das ich nicht begangen habe!”

Auch den Versuch von beisitzendem Richter Matthias Bauer, den Angeklagten zu einem Geständnis zu bewegen (“Sie lügen”), schmetterte dieser ab: “Ich bin kein Dieb, ich habe noch nie in meinem Leben etwas geklaut.” Seine Räuberpistole gipfelte in folgendem dramatischen Satz: “Ich bin Analphabet und deshalb haben mich die anderen hereingelegt!” Stutzig machte allerdings wenig später, dass er ein vom Gericht vorgelegtes Schriftstück zweifelsfrei als Kaufvertrag identifizierte.

Vier Zeugen aus der Haft vorgeführt

“Wir kennen uns!” begrüßte der Vorsitzende jeden der während des weiteren Prozesses vorgeführten ehemaligen Komplizen mit seinem gewohnt trockenen Humor. Der in Bayreuth inhaftierte Schleuser Nr. 1 belastete die beiden Angeklagten schwer. Der Geständige, so seine Einlassung, war eher der Drahtzieher, der “Unschuldige” saß bei jeder der vier Schleuserfahrten am Steuer eines Begleitfahrzeuges, das den Konvoi absicherte.
Die Zeugenvernehmung erforderte für die Richter großes Fingerspitzengefühl, weil der Befragte einen sehr eingeschüchterten Eindruck machte. Schließlich gab er zu, große Angst um seine Familie in Rumänien zu haben.

Auch Zeuge Nr. 2 belastete die beiden Beschuldigten schwer. Wieder kam zur Sprache, dass der kooperative Angeklagte die Schleusung per Whatsapp-Chats zu den Übergabepunkten dirigierte und der “Unwissende” die Fahrer bei der Tat mit Anweisungen versorgte. Längere Zeit nahmen die Nachfragen des Gerichts in Anspruch, wie viele Migranten jeweils in den Fahrzeugen versteckt waren.

Mittagspause bringt Angeklagten zur Vernunft

Mit einem Paukenschlag und einer Erklärung von Strafverteidiger Stephan Schütz (Weiden) begann die zweite Runde des Prozesstages nach der Mittagspause: “Mein Mandant möchte nun doch ein vollumfängliches Geständnis ablegen!” Auch Zeuge Nr. 3, der wie alle anderen auch mit ‘Justizschmuck’ an den Füßen vorgeführt wurde, belastete die beiden Angeklagten. Nr. 4 erkannte ebenfalls in den beiden Angeklagten zweifelsfrei Mittäter. Dieser gab auch Details über die Entlohnung für die illegalen Dienste bekannt: So will er 1000 bis 2000 Euro in der rumänische Landeswährung Lei erhalten haben.

Bevor Richter Werner die Zeugen ins Gefängnis zurückschickte, ließ er es sich nicht nehmen zu fragen: “Machen Sie Auslagen wie beispielsweise Fahrtkosten geltend?”. Dies verneinten wenig überraschend alle Vorgeführten und verabschiedeten sich artig mit den Polizeibeamten in deren Dienstfahrzeuge zur Rückkehr in die Haftanstalten.

Menschenunwürdige Fluchtbedingung

Über die näheren Umstände der Schleusung, insbesondere die Unterbringung berichtete ein inzwischen pensionierter Polizeibeamter, der die Fahrzeuge kriminaltechnisch untersuchte. In dem oft benützten Fiat Ducato wurden sechs bis sieben Männer für die 15-stündige Fahrt eingepfercht. 2 Meter lag, 1,15 Meter breit und 80 cm hoch, ergab die präzise Messung der Schlafkabine über dem Fahrer. Falls ein Unfall passiert wäre, dann hätten die Insassen das Schlimmste befürchten müssen. “Abgesehen davon waren die Fluchtbedingungen aufgrund von wenig Frischluft grausam.” Zum Schluss des Prozesstages wurde noch die Frage nach dem Eigentum der Schleusungsfahrzeuge aufgeworfen. Dabei stellte sich zumindest bei zwei von drei Fahrzeugen der Spätgeständige beziehungsweise sein familiäres Umfeld als Eigentümer heraus.

Am Montag, 19. Februar, wird um 9.00 Uhr der Prozess mit der Vernehmung von weiteren Zeugen fortgesetzt. Dabei signalisierte der Vorsitzende, dass – falls nichts Unvorhergesehenes passiert – mit einem Urteil gerechnet werden kann. Der weitere, bereits angesetzte Termin, würde dann entfallen. Das späte Geständnis zeigt also bereits Wirkung. Interessant wird die Bewertung für die Strafzumessung beim Spätzünder und seinem mutmaßlichen Komplizen.

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