Urteil im Fall Steffi D.: Deshalb fiel die Strafe jetzt milder aus

Weiden. Das neue Urteil im Fall Steffi D. ist gefallen. Die 22-Jährige bekam vier Jahre drei Monate. In der ersten Instanz wurde die junge Mutter zu sechs Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Dieses Strafmaß hat der Bundesgerichtshof nach Revision aber gekippt. 

Steffi D, Gericht, Verhandlung, Urteil, Prozess, Kindstötung, NeustadtWN (2)

Von Yvonne Sengenberger

Steffi D. hat im April 2015 ihr neugeborenes Mädchen auf der Toilette des EDEKA-Marktes in Neustadt/WN getötet. Eine Spontantat. Davon gehen der vorsitzende Richter Georg Grüner, Oberstaatsanwalt Rainer Lehner und Rechtsanwalt Christoph Scharf aus. Sie befand sich wohl in einer in ihren Augen ausweglosen Situation und wusste keine andere Lösung für ihr Problem.

In seinem Plädoyer aber gibt Oberstaatsanwalt Lehner zu bedenken, dass sie diese Situation selbst heraufbeschworen habe, da sie ihre Schwangerschaft vor allen verheimlicht hatte, aus Angst ihr Vater würde sie mit der Geburt eines dritten Kindes vor die Tür setzen.

Sohn in Therapie bei Kinderpsychologin

Steffi D, Gericht, Verhandlung, Urteil, Prozess, Kindstötung, NeustadtWN (2)

Genau in dieser Angst sieht Rechtsanwalt Scharf allerdings strafmildernde Umstände. “Auch der Bundesgerichtshof konnte das Urteil, das im oberen Drittel lag, nicht nachvollziehen. Es gibt keine Schulderhöhungsgründe.” Vielmehr gäbe es einige Gründe, die eine Strafe im unteren möglichen Bereich rechtfertigen könnten. Verurteilt wurde sie wegen eines minder schweren Falls des Totschlags. Dafür sieht der Gesetzgeber Strafen von einem Jahr bis zu 10 Jahren vor. Verteidiger Scharf hält eine Strafe von drei Jahren für angemessen. 

Wie es ihren Kindern gehe, wollte der Vorsitzende Richter Georg Grüner wissen. Ob sich der fünfjährige und der zweijährige Sohn in ihren Augen gut entwickeln würden. Auch das könne in das Strafmaß mit einfließen. Die beiden Jungen besuchen die Mutter in der Justizvollzugsanstalt in Aichach alle vier Wochen, seit sie in der JVA Regensburg ist kommen die Kinder öfter vorbei. Der Ältere sei momentan bei einer Kinderpsychologin wegen seines Verhaltens. Der Kleine entwickelt sich in ihren Augen normal. Dass die Mama in einem Gefängnis ist, wissen die Buben nicht. Der Opa hat ihnen erzählt sie wäre in einem Krankenhaus. “Sie wissen aber, dass es kein normales Krankenhaus ist”, erzählt die Angeklagte. Auch der Vater der beiden Jungen ist seit Kurzem im Gefängnis.

Reue und Schuldeinsicht erkennen lassen

Steffi D. selbst macht in der JVA freiwillig eine Therapie. Um über die Tat sprechen zu können und die Angst vor ihrem Vater zu überwinden. Alle Fragen des Richters beantwortet sie mit zittriger Stimme. Wischt sich bei der Verlesung des Richters zu den Vorgängen der ersten Verhandlung Tränen aus den Augen. Ihre letzten Worte fallen ihr sichtlich schwer. Mit zittriger und gebrochener, weinerlicher Stimme sagt sie:

Es wird nie richtig gewesen sein, was ich getan habe. Und ich werde mir auch nie verzeihen können, dass das so passiert ist. Ich bereue die Tat zutiefst. Trotz allem und egal wie die Vorgeschichte war, es war trotzdem mein Kind.

Richter Georg Grüner und das Schwurgericht werteten diese Aussage zu Gunsten der Angeklagten. “Sie haben Reue und Schuldeinsicht erkennen lassen.” Außerdem sprachen die äußeren Umstände für die Angeklagte. Sie hatte ein geregelte Arbeit, war nicht vorbestraft, kümmerte sich um ihre beiden Söhne. Sie habe am Vormittag des 25. Aprils 2015 spontan gehandelt. Die Tat war so nicht geplant. Sie befand sich in einer ausweglosen Situation. “Das muss man allerdings relativieren. Sie hat sich in diese Situation selbst hinein manövriert.

Schuldzuweisungen an die Familie sind hier fehl am Platz. Die haben sich vorher schon um die beiden Söhne der 22-Jährigen gekümmert, und hätten das sicher auch beim dritten Kind getan. Sie hat die Situation selbst geschaffen.

Steffi D, Gericht, Verhandlung, Urteil, Prozess, Kindstötung, NeustadtWN (2)

Man habe aber auch berücksichtigt, dass sie keine Vertrauensperson und keinen Ansprechpartner hatte und dass sie sowohl vom Kindsvater als auch vom eigenen Vater unter Druck gesetzt wurde. 

“Völlig wehrloses, hilfloses Opfer”

Dennoch siedelt das Schwurgericht die Strafe nicht im unteren Bereich an. Auch, weil sie bereits Mutter von zwei Kindern ist und bereits eine Abtreibung hinter sich hatte. “Sie wusste was auf sie zukommt. Anders wäre das bei einer 16-Jährigen, die zum ersten Mal schwanger ist”, so der Richter. Dass die Strafe sich negativ auf die Kinder auswirke, davon gehe man nicht aus. Denn auch so war die Mama berufstätig und die Kinder tagsüber bei Uroma und Opa.

“Letztendlich darf man die Augen aber auch nicht vor einer Tatsache verschließen: Hier steht ein völlig wehrloses, hilfloses Opfer im Raum, dass eigentlich der Obhut und dem Schutz der Mutter abliegen müsste. Ein wehrloseres Opfer, als ein Neugeborenes, kann man sich gar nicht vorstellen. Das spricht massiv gegen die Angeklagte.” Deshalb kam die Schwurgerichtskammer zu einem Strafmaß von vier Jahren und drei Monaten. Das Urteil nahm Steffi D. gefasst auf, beinahe regungslos.

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