Welche Strafe könnte Steffi D. erwarten?

Weiden. Morgen werden im Prozess gegen Steffi D. Oberstaatsanwalt Rainer Lehner und Verteidiger Christoph Scharf ihre Plädoyers mit ihrer Einschätzung des Falles um den  in einer Supermarkttoilette getöteten Säugling verlesen. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes folgende Unschuldsvermutung verbietet jegliche Wertung des Tatgeschehens vor einem rechtskräftigen Urteil. Welche Strafe aber könnte die 21-jährige Angeklagte erwarten?

Von Benedikt Grimm

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf Totschlag. Das Strafgesetzbuch sieht für Totschlag eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vor. Bereits im Eröffnungsbeschluss hatte die erste Strafkammer des Landgerichts Weiden aber darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung wegen Mordes in Betracht käme.

Wer ist ein Mörder?

Das Strafgesetzbuch schreibt in § 211 verschiedene Mordmerkmale fest. Kurz gesagt: Wer jemanden tötet und dabei eines dieser Merkmale erfüllt, ist ein Mörder. Im Falle des getöteten Mädchens könnte laut erster Strafkammer das Mordmerkmal “grausam” vorliegen. Eine gängige Definition von “grausam” mag sich beim ersten Lesen makaber anhören, dennoch werden die Richter morgen danach ihr Urteil ausrichten müssen:

Grausam tötet, wer seinem Opfer in gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen.

Laut dem Gerichtsmediziner Prof. Dr. Stephan Seidl  war der Mund-Rachen-Raum des Säuglings so dicht mit Papier ausgestopft, dass der Papierpropfen nur mühsam entfernt werden konnte und die Form des Mundraumes abgebildet hat. Die Richter müssen also auslegen, ob das Vorgehen mit den Papierhandtüchern Schmerzen oder Qualen verursacht hat, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Wenn diese Frage bejaht werden sollte, muss zusätzlich die subjektive Komponente vorgelegen haben. Der Täter muss also in “gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung” gehandelt haben. Mord muss laut Gesetz grundsätzlich immer mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet werden.

Kommen die Richter zu dem Schluss, dass die Tötung objektiv und/oder subjektiv nicht grausam war, bleibt die Strafbarkeit wegen Totschlags nach § 212 Strafgesetzbuch. Darauf steht Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren.

Schuldfähig?

Auf einer anderen Ebene wird geprüft, ob dem Täter auch die Schuld an seinem Handeln vorgeworfen werden kann. Laut Gesetz handelt ohne Schuld, wer wegen einer krankhaften, seelischen Störung oder einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung das Unrecht seiner Tat nicht einsehen kann. Eine Haftstrafe in einem Gefängnis ist dann nicht möglich. Eventuell käme eine Unterbringung in einem psychiatrischem Krankenhaus in Betracht.

Der Gesetzgeber sieht aber neben der gänzlich fehlenden Schuldfähigkeit auch den Fall der verminderten Schuldfähigkeit vor. Wenn der Täter nur erheblich vermindert fähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen, kann die Strafe gemildert werden. Statt lebenslanger Freiheitsstrafe bei Mord kann die Freiheitsstrafe auf ein Mindestmaß von drei Jahren verringert werden. Im Falle eines Totschlags vermindert sich das Mindestmaß von fünf Jahren auf zwei Jahre Freiheitsstrafe. Das psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. Michael Osterheider war für Nichtmediziner in weiten Teilen kryptisch. Auf Nachfrage von Verteidiger Scharf wollte Prof. Dr. Osterheider eine fehlende Steuerungsmöglichkeit von Steffi D. bei der Geburt nicht ausschließen. Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit wird die psychische Verfassung der Angeklagten und ihre familiäre Situation sicherlich eine zentrale Rolle spielen.

Steffi D. Totschlag Säugling
Die Angeklagte Steffi D. mit ihrem Verteidiger Christoph Scharf am ersten Prozesstag. Nach insgesamt vier Verhandlungstagen wird am Montag voraussichtlich das Urteil gesprochen. Bild: B. Grimm

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