WSW: Aston Martin nur eine Geldanlage

Weiden. Fortsetzung im Prozess gegen die „Baugenossenschaft“ WSW. Der Aufsichtsratsvorsitzende (54) sagt aus. Er verwahrt sich dagegen, ein Luxusleben geführt zu haben.

Prozess WSW WohnSachWerte Kiener Karolina
Der Angeklagte Ralf K. mit seinem Verteidiger Philip Roth. Foto: OberpfalzECHO/David Trott

„Hätte“ und „wäre“. Diese Wörter verwendet Ralf K. besonders häufig. Der Aufsichtsratsvorsitzende der WohnSachWerte eG (WSW) präsentiert sich vor Gericht als Businessman. Wie seiner Ehefrau mangelt es auch dem 54-Jährigen nicht an Selbstbewusstsein. Er habe seine ganze Erfahrung in die Genossenschaft eingebracht. „Ich bin noch immer von dem Ganzen überzeugt.“

Ralf K. ist am Donnerstag, dem vierten Verhandlungstag, an der Reihe. Er steht der Vorständin auch in der Rededauer in nichts nach. Am Ende sind es vier Stunden, in denen er der Strafkammer unter Vorsitz von Peter Werner von seinen weitreichenden Fähigkeiten berichtet.

Vielsagende Chats zwischen Mutter und Sohn

Im von der Kripo gesicherten Chatverkehr stellt sich die Rollenverteilung etwas anders dar. Darin beratschlagen Mutter und Sohn, wie man den 54-Jährigen beschäftigen könne. Als Vertriebler scheide er aufgrund „seiner Launen“ aus, an Protokolle müsse man ihn ständig erinnern, und nun sei er „dabei, seit zwei Tagen die Abrechnung der Angestellten zu zerlegen“. Am Ende sollte sich Ralf K. um die „Immobilienabteilung“ kümmern.

Welche Immobilien? Bis zuletzt gab es – nach vier Jahren Genossenschaft – exakt eine Wohnung im Wert von 78.000 Euro in einem Komplex in der Regensburger Straße. „1000 Einheiten in 10 Jahren“ habe er schaffen wollen, sagt Ralf K. vor Gericht. Dann zählt er die Banken auf, die er zwecks Finanzierung kontaktiert habe. Allianz, Wüstenrot, Sparkasse, Umweltbank, Deutsche Bank, Commerzbank, Dresdnerbank … aus allem wurde: nichts.

„Wahnsinnsvorteile“ über Förderportal

„Für Wohnraum hat sich eh niemand interessiert.“ Den Genossen habe man etwas viel Besseres geboten: „Wahnsinnsvorteile.“ Um den Förderzweck zu erfüllen, habe sich die WSW einem Portal „Förderwelten“ angeschlossen. Die Mitglieder seien dort in den Genuss allerlei Benefits gekommen. Beispielsweise einer Zalando-Weihnachtsaktion mit 20 Prozent Rabatt. Problem nur: Die Mitglieder hätten das kaum genutzt. Ralf K. kann sich das bis heute nicht erklären. „Das war der höchste Renditevorteil! Und das hat keinen interessiert.“

Immobilien kaufte das Ehepaar übrigens schon. Aber nicht für die WSW. Sondern privat. Dabei handelt es sich um eine weitere Wohnung in der Regensburger Straße sowie ein älteres Mehrfamilienhaus in Rothenstadt. Aktuell wohnen dort zwei Familien zur Miete. Aber auch hier plante Ralf K. viel Größeres: Aus dem Grundstück hätte man eine Fläche für ein weiteres Haus „heraus filetieren“ können. Und natürlich hätte man den Rothenstädter Wohnkomplex später an die WSW verkauft – hätte.

Aston Martin nur eine Geldanlage

Der Angeklagte möchte in seiner Aussage den Eindruck zurechtrücken, er habe ein Luxusleben geführt. Die Anklage erwähnt fast eine Million Euro an „Kosten für den Lebenserhalt“ des Ehepaars innerhalb von vier Jahren. Das ist laut Ralf K. nicht richtig. Der Eintrag „Lebenshaltung“ werde bei dem Konto automatisch generiert, wenn kein anderer Eintrag gemacht werde. Den sichergestellten Aston Martin, Schmuck und die Markenuhren habe er als Geldanlage angeschafft, schon weit vor der Genossenschaftsgründung.

Monatlicher Beitrag 50 Euro, monatliche „Bestandsprovision“ 40 Euro

Am Vormittag war noch Vorständin Tina K. ergänzend zu ihrer Aussage vom Mittwoch befragt worden. Viele Nachfragen betreffen die Provisionen an Ralf K. Jedes Genossenschaftsmitglied zahlte 50 Euro pro Monat bis zum Erreichen von 9000 Euro Genossenschaftsanteil ein. Also fast 19 Jahre lang. Für jedes Neumitglied waren 360 Euro Provision für Ralf K. vereinbart. Zudem ging pro Kunde vier Jahre lang „Bestandsprovision“ auf sein Konto: erst 40 Euro, später 20 Euro pro Monat. Das macht pro Kunde 1130 Euro Provision.

Der Kunde zahlte saftige Gebühren: 8 Prozent für den Abschluss, 7,5 Prozent Ratengewährung, 48 Euro jährliche Kontoführungsgebühr. Macht 2259 Euro. Unterm Strich bleiben damit von 9000 Euro Sparsumme 5611 Euro.

Nach Aussage von Tina K. hatte die Genossenschaft zuletzt 11.000 zahlende Mitglieder, die Staatsanwaltschaft geht von mehr aus. Die Kripo hat anhand der Konten über 10 Millionen Euro ermittelt, die von der WSW an Ralf K. flossen. 6,4 Millionen gab er an die deutschlandweiten Vertriebsagenturen weiter.

Anwälte vermuten nicht vorhandene Verträge in unbekanntem Büro

Letztlich Jacke wie Hose: Die Grundlage der Abrechnungen ist laut Staatsanwalt Wolfgang Voit ohnehin nicht nachvollziehbar. Es liegen zwei unterschiedliche Verträge der WSW mit Ralf K. vor. Der erste Vertrag war vom Prüfverband der Genossenschaft als unzulässig moniert worden. Daraufhin legte die WSW einen korrigierten Vertrag vor, der Ralf K. für seine Beratertätigkeit entlohnte. Angewandt wurde der aber nie.

Die Verteidiger der Angeklagten kommen am Donnerstag mit einem angeblichen dritten Vertrag um die Ecke. Ebenso beharrt Tina K. darauf, dass es „Businesspläne“ für die WSW gäbe. Anwalt Jörg Meyer fordert daraufhin ein ausführliches Inhaltsverzeichnis der sichergestellten 800 Ordner. Das bringt Staatsanwalt Wolfgang Voit in Rage: „Sie hatten 18 Monate Zeit, das alles zu sichten.“ Im Übrigen liege ein strukturiertes Durchsuchungsverzeichnis vor.

Ganz aus ist es bei ihm, als der Anwalt vorbringt, die Kripo habe womöglich bei ihrer Durchsuchung in der Drehscheibe 5 ein Büro im Erdgeschoss übersehen. Voit: „Wir hatten doch gar kein Interesse, Räumlichkeiten auszulassen.“ In dieser ominösen Kammer vermutet die Verteidigung die vermissten Papiere. Vorsitzender Richter Peter Werner schreitet ein: „Wenn Sie auf eine Aussetzung hinauswollen: Die wird es deshalb nicht geben.“

Fortsetzung mit dem dritten Angeklagten

Der Prozess wird am Montag fortgesetzt, 9 Uhr, Schwurgerichtssaal. Dann sagt der Sohn (30) aus, der als IT-Spezialist bei der WSW eingesetzt war.

* Diese Felder sind erforderlich.