WSW-Prozess: Facebook und Google verdienten mit

Weiden. Der WSW-Prozess ist auf der Zielgeraden. Am Dienstag sagt als einer der letzten Zeugen der Hauptsachbearbeiter der Kripo aus. Dabei wird klar: Google und Facebook verdienten am Betrug ordentlich mit.

WSW Prozess Leiter der Ermittlungsgruppe Kriminaloberkommissar Florian Wiesent
Einer der wichtigsten Zeugen kommt zum Schluss: Am Dienstag sagt Kriminaloberkommissar Florian Wiesent, Leiter der Ermittlungsgruppe WSW, vor Gericht aus. Foto: Christine Ascherl

Kriminaloberkommissar Florian Wiesent (Kriminalpolizei Weiden) erinnert an die Anfänge des Verfahrens, das 2020 von der Polizeiinspektion Weiden an die Kripo weitergereicht worden war. Aus ganz Deutschland liefen Anzeigen von Leuten auf, die sich nicht erklären konnten, wie sie Mitglied dieser Genossenschaft geworden waren.

“Wenn eine Anzeige nach der anderen eingeht, muss man dem nachgehen.” Eine Auswertung des WSW-Kontos ergab rund 14 Millionen Euro an Zahlungseingängen aus der ganzen Republik: “Wir dachten uns: Ja, wow! Das ist eine Hausnummer.” Dann fiel auf, dass die Wohnungsbaugenossenschaft in vier Jahren keine Immobilien angeschafft hatte, im Gegenzug die Familie “fürstlich” lebte. Seit Oktober 2023 stehen die Familienmitglieder vor Gericht: die Mutter (Vorständin), der Stiefvater (Aufsichtsratsvorsitzender) und der Sohn (IT-Experte).

Google und Facebook verdienten Millionen

Die Kripo recherchierte: Die Millionen flossen zunächst an den Aufsichtsratsvorsitzenden. Dieser leitete “Unsummen” an Provisionen an Vertriebsagenturen weiter. Diese Broker ihrerseits zahlten hohe Summen an Google und Facebook. Wenn Interessenten nach Privatkrediten googelten, landeten sie dafür auf ihren Homepages (Beispiel “Crediro”). Hier bekamen die Schuldner ihren dringenden Kredit und mussten dazu etliche Seiten unterschreiben. Dabei wurde ihnen der Mitgliedsantrag bei der WSW untergeschoben.

“Wollt ihr explodieren? Wollt ihr Leads?”

Die Broker verdienten doppelt. Sie bekamen Vermittlungsgebühren für die überteuerten Kredite mit zweistelligen Zinsen. Und sie kassierten Provisionen von der WSW für zigtausende gelieferte “Leads” (Kundendaten): “Wahnsinn, was da einging”, sagt der Kommissar.

Er berichtet von 145.000 Stammdaten, darunter etwa 30.000 Doubletten. In einem Chat fragte der Vertriebspartner aus Hannover: “Wollt ihr explodieren? Wollt ihr Leads?” Man suche gezielt Kunden, die “schon brennen”, sprich: denen das Wasser bis zum Hals steht.

Sohn protestiert über Verlesung von WhatsApps

Letztlich bekam man die Kundenbeschwerden nicht in den Griff. Die Vorständin (50) schrieb an den Sohn: “Die rennen alle zur Polizei wie die Vergasten.” In einem WhatsApp-Chat vom Mai 2020 tauschten sich Mutter und Sohn über die Strafanzeigen aus. Der Sohn schrieb: “Das macht mir echt Sorgen.” Letztlich wurde das Unterschriften-Problem so hingenommen.

An dieser Stelle protestiert am Dienstag der angeklagte 30-Jährige, der als ITler in der Firma der Mutter und des Stiefvaters mitarbeitete: “Ich finde es erschreckend, wie Chatverläufe aus dem Zusammenhang gerissen werden.” Anwalt Michael Haizmann rügt persönliche Wertungen des Ermittlers.

Die Vorständin nimmt auch noch einmal Stellung: Man habe versucht, von den Mitgliedern im Nachgang noch echte Unterschriften einzuholen. Aufgrund der großen Masse habe man die Nachbearbeitung in verschiedenen Tranchen vornehmen wollen, erinnerlich in 250 E-Mails pro Woche.

Prozess kurz vor Plädoyers

Nächste Woche sind am 11., 12. und 14. März Prozesstage. Eine Zeugin steht noch aus, die Vorstrafen der Vorständin müssen noch verlesen werden. Die Anwälte monieren Fehler in einer Geschädigten-Liste: “Bevor diese Liste nicht wasserdicht ist, wird die Beweisaufnahme nicht geschlossen”, kündigte Vorsitzender Richter Peter Werner an.

Staatsanwalt Wolfgang Voit will sich kümmern. Wie Sachbearbeiter Wiesent in seiner Aussage informierte, umfassten die sichergestellten Unterlagen 1000 Ordner, die bei der Kripo auf vier Büros verteilt wurden. Dazu kamen 15 Gigabyte digitale Dateien.

Verteidiger Dominic Kriegel (vertritt den Sohn, 30) stellte am Dienstag noch zwei Beweisanträge: Er forderte unter anderem ein Sachverständigengutachten, dass “die Arbeitsleistung des ITlers von März 2018 bis März 2022 mit einem Volumen von 1760 Stunden einen Marktwert von 844.000 Euro hatte”. Der 30-Jährige wehrt sich damit gegen die Einziehung seiner Vergütung für EDV-Dienstleistungen, die “nicht deliktischer Natur” waren.

Der aktuelle Zeitplan sieht nun vor, dass Staatsanwalt Voit am Nachmittag des 14. März plädieren soll, die sechs Verteidiger dann ab 19. März.

* Diese Felder sind erforderlich.