WSW-Prozess: Gericht beißt sich durch Informatik-Fragen

Weiden. Wie geht es voran im Gerichtsverfahren gegen die WohnSachWerte eG (WSW)? Zäh. Seit Tagen gleicht der Prozess einem Informatik-Grundkurs. Am Montag sagt endlich der erste Zeuge aus – am siebten Tag.

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Der angeklagte Sohn mit seinen Verteidigern Dominic Kriegel und Gunther Haberl. Foto: OberpfalzECHO/David Trott

Und was ist er von Beruf? Computerforensiker der Kripo Weiden. Es bleibt damit bei einer kostenfreien EDV-Schulung für Richter und Zuhörer. Der technische Inspektor gibt einen Überblick über die sichergestellten Daten. Und das sind 30 Terabyte. Bei der konzertierten Durchsuchungsaktion im März 2022 nahmen die Beamten 120 Geräte mit. Der ganze Besprechungsraum lag voll mit Smartphones, Laptops, Server, PC, MacBooks.

Seine und Aufgabe seiner Kollegen waren das Extrahieren und die grobe Sichtung. Zentrales Augenmerk galt der Mitglieder-Datenbank. Sie könnte Aufschluss geben, wie die Online-Vertragsabschlüsse signiert wurden. Und ob tatsächlich – wie von den Angeklagten behauptet – ein automatisiertes Begrüßungsschreiben hinausging. Der Computerforensiker kann diese Fragen letztlich nicht beantworten.

Angeklagter greift jetzt noch auf Daten zu

Nicht einfacher macht die Sache, dass angeblich ein Teil der Daten auf die Online-Plattform “GitLab” ausgelagert war. Dort ist nichts sichergestellt worden. Das bemängelt der angeklagte 30-Jährige. Der Sohn der Vorständin war als ITler im Unternehmen beschäftigt. Er ist auf freiem Fuß und hat sich offenbar vor dem Prozess selbst noch einmal eingeloggt: “Die Passwörter wurden nicht geändert.”

Der angeklagte EDV-Fachmann wirft den Ermittlern vor, seine Aufklärungshilfe nicht genutzt zu haben. Er habe die Zugangsdaten angeboten und erkenne nun, dass diese nicht gebraucht worden seien. “Keine Sorge, ich habe nichts manipuliert oder verändert. Ich habe nur aus meinem eigenen Interesse Beweismittel gesammelt.” Der Computerforensiker der Kripo bestätigt, dass man Zugriffe auf ein Trello-Projekt bemerkt habe. “Wer das genau war, weiß ich nicht.” Trello ist ein Tool für Projektmanagement.

Zwischenbilanz nach sieben Tagen

Die Fronten sind abgesteckt: Die Verteidiger schießen sich auf die Ermittler ein. Die Angeklagten – ein Ehepaar (50 und 54) und der erwachsene Sohn der Frau – beteuern ihre Unschuld. Die Wohnungsbaugenossenschaft sei in redlicher Absicht geführt worden. Ziel sei die Schaffung von Wohnraum gewesen. Nur sei man bei der Festnahme – nach vier Jahren Tätigkeit – noch nicht so weit gewesen. Die Bilanz lautet: Einnahmen 13,5 Millionen; nennenswerte Immobilien: Null.

In den letzten sieben Tagen hat sich die jeweilige Bedeutung der drei Angeklagten möglicherweise etwas gedreht. Anfangs gingen wohl auch die Ermittler davon aus, dass das Ehepaar die Strippen zog. WhatsApp-Chats lassen den Schluss zu, dass Mutter und Sohn maßgeblich waren. Sie tauschten sich früh über mögliche rechtliche Probleme bei den Vertragsabschlüssen aus. Sie handelten also nach Ansicht der Staatsanwaltschaft mit Vorsatz. Der 54-jährige Aufsichtsratsvorsitzende scheint nicht sonderlich eingebunden gewesen zu sein.

Hohe Steuerschulden

Gericht und Staatsanwaltsschaft nahmen am letzten Prozesstag (15. November) den 30-jährigen Sohn der Vorständin in die Mangel. Er beharrt darauf, nur für die “technischen Lösungen” der Genossenschaft zuständig gewesen zu sein.

Es wird klar: Der junge Mann hatte und hat enorme Schwierigkeiten mit dem Finanzamt. Früher und jetzt. Als die WSW 2018 startete, stand er vor 100.000 Euro Steuerschulden. Aktuell sieht er sich mit einem Steuerstrafverfahren konfrontiert, wie Verteidiger Gunther Haberl bemerkt. Der 30-Jährige war bei der WSW als Vermittler umsatzsteuerbefreit. Er war “selbstständig”, hatte aber keine anderen Kunden.

Vorständin mehrfach vorbestraft

Monatlich bekam er von der WSW nach eigener Aussage anfangs 6000 Euro, am Ende waren es bis zu 25.000 Euro pro Monat (2,50 Euro pro zahlendes Mitglied und Zahlungsmonat). Die WSW hatte nach seinem letzten Kenntnisstand zuletzt 12.000 bis 13.000 Mitglieder. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 30-Jährige mindestens 690.000 Euro innerhalb von vier Jahren verdiente.

Unangenehm wird es für den jungen Angeklagten, als ihn das Gericht mit der Vorgeschichte seiner Mutter konfrontiert, die 2015 in München wegen Betrugs verurteilt wurde. Er habe von ihren Vorstrafen erst aus den Akten erfahren, sagt der 30-Jährige.

Nächste Zeugen

Fortsetzung im WSW-Prozess ist am Donnerstag, 23. November. Als Zeuge ist zum einen der Gründer geladen: Der Berliner Frank-Peter E. ließ zwischen 2008 und 2014 mindestens 20 Genossenschaften eintragen. Die Genossenschaften gab er im Laufe der nächsten Jahre gegen ein Beraterhonorar ab. Was das bringt? Eine Genossenschaft darf erst nach drei Jahren im Genossenschaftsregister vermögenswirksame Leistungen einnehmen.

Unter diesen Genossenschaften war die 2012 gegründete “Vigeo erste Wobau eG”. Diese wurde 2018 von den Angeklagten übernommen und in “WohnSachWerte eG” umbenannt. Sie setzten laut Anklage zunächst einen Scheinvorstand ein. Auch dieser ist am Donnerstag als Zeuge geladen. Beide wurden bezahlt.

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