WSW-Prozess: Sogar das ZDF ging der „Genossenschaft“ auf den Leim

Weiden. „Ich bin ja schon froh, dass es nicht nur uns so gegangen ist“, atmet eine Bürokauffrau vor Gericht auf. Im WSW-Prozess sagen Lohnabrechner aus ganz Deutschland aus. Sie alle haben arglos vermögenswirksame Leistungen nach Weiden überwiesen. Das Geld ihrer Mitarbeiter ist – weg.

Mainzelmännchen
Für das ZDF war mit der Täuschung eine rote Linie überschritten: Der TV-Sender erstattete Ende 2022 Strafanzeige gegen die WSW. Symbolfoto: pixabay

Einer der Zeugen kommt aus Mainz: Der 56-Jährige ist Abteilungsleiter der Personalabrechnung des ZDF. Er ist verantwortlich für 10.000 Abrechnungen pro Monat für alle festen und freien Mitarbeiter des Fernsehsenders. Vermögenswirksame Leistungen sind für ihn ein “Masse-Geschäft, das im Betrugsfall in der Masse untergeht”: “Großartig prüfen können wir da nichts.”

Im konkreten Fall zahlte das ZDF monatlich 50 Euro vom Nettolohn eines Mitarbeiters an die WSW. Basis war ein Brief aus Weiden vom Sommer 2020: Die Genossenschaft forderte das ZDF darin auf, die VL zu überweisen. Das Papier trug eine angebliche Unterschrift des Mitarbeiters. Das Ganze ging über zwei Jahre lang. Der Mitarbeiter merkte nichts. Seinem Lohnzettel vertraute er offenbar blind.

ZDF erstattete Strafanzeige

Das Ganze flog auf, als es einen Buchungsrückläufer gab. Ein Sachbearbeiter rief den Mitarbeiter an. Der kannte weder die WSW, noch sei die Unterschrift von ihm. Der ZDF-Abteilungsleiter erstattete Strafanzeige: “Wir haben im Internet recherchiert und hatten den Eindruck: Da läuft etwas nicht sauber.” Das Geld – immerhin 4600 Euro – ist in diesem Fall bis heute futsch.

Rund 15 Vertreter von Unternehmen sind in diesen Tagen als Zeugen geladen. Lohnbuchhalter aus ganz Deutschland geben sich am Landgericht Weiden die Klinke in die Hand. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie haben für Mitarbeiter vermögenswirksame Leistungen nach Weiden überwiesen. In allen Fällen stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter von ihrem “Glück” nichts wussten.

Bei Massenbetrugsverfahren reichen Stichproben

Nach Rechtssprechung des BGH besteht in Massenbetrugsverfahren die Möglichkeit, mit Stichproben zu arbeiten. Davon wurde bei den Ermittlungen gegen die WohnSachWerte eG Gebrauch gemacht. Staatsanwaltschaft und Kripo versandten Fragebögen an rund 8000 Arbeitnehmer und Arbeitgeber. 1443 Antworten von Arbeitnehmern und 2758 von Arbeitgebern kamen in die Auswertung.

Aus diesen wählten die Ermittler die Kandidaten für stichprobenartige Vernehmungen aus. Ergebnis: Die weit überwiegende Zahl der “Genossen” war nicht bewusst der Genossenschaft beigetreten. Teilweise gab es einen Zusammenhang mit Kreditanfragen im Internet. Überwiegend wussten die Arbeitnehmer überhaupt nicht, auf welche Weise sie den Vertrag geschlossen hätten.

Nur acht Geschädigte schafften es, sich die eingezahlten VL von der WSW zurückzuholen. Und nur 13 erstatteten Strafanzeige.

Auch betroffen: Das Rote Kreuz aus Weiden

Die zweite Zeugin am Mittwochvormittag hat ihr Büro ganz in der Nähe: Es handelt sich um eine Bürokauffrau (30), die beim Bayerischen Roten Kreuz in Weiden die Abrechnungen macht. Hier gab es gleich fünf Mitarbeiterinnen aus BRK-Seniorenheimen, deren VL an die WSW flossen. In allen Fällen basierte die Überweisung auf einer postalischen Aufforderung der WSW. Auch den Pflegekräften fiel der Abzug auf der Abrechnung nicht auf. Aufgrund von Schichtzuschlägen variieren die Summen monatlich um bis zu 200 Euro.

In einem Fall kam es zu einem gerichtlichen Nachspiel: Eine der Mitarbeiterinnen forderte vom Roten Kreuz die gezahlte Sparleistung zurück. Der Vorwurf: Der Arbeitgeber hätte besser aufpassen müssen. Das BRK hat sich inzwischen auf mögliche Betrüger eingestellt. Um nie wieder in eine solche Falle zu tappen, werde jetzt vor Zahlung der VL ein Formular an den Mitarbeiter ausgereicht. “Mittlerweile sind wir bei Kuriositäten vorsichtig geworden.”

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