„Regi” nach Schrumpfkur wieder auf Überholspur

Weiden. Sabine Guhl spricht von nichts Geringerem als einem „neuen Zeitalter“, das die Regionalbibliothek im Dezember 2014 betreten hat. Besser gesagt: In das sie von der Stadt Weiden unfreiwillig katapultiert wurde, als es damals galt, in einer klammen Haushaltslage einen teuren Zuschussbetrieb, wie es jede Bücherei, jedes Schwimmbad ist, zurückzustutzen. Aber die „Regi“ wäre nicht die einst bundesweit anerkannte und vielfach überregional erwähnte Bibliothek, hätte sie sich gut zweieinhalb Jahre nach der Schrumpfkur nicht wieder aus der Asche erhoben. Würde sie nicht schon wieder Pilotprojekte testen, an die sich noch keine deutsche Bibliothek gewagt hat.

Von Gabi Eichl

Sabine Guhl, die Leiterin der Regionalbibliothek.
Sabine Guhl, die Leiterin der Regionalbibliothek.

Zur Erinnerung: Das Jahr 2014 ist für die Mitarbeiter der Regionalbibliothek ein Jahr vollkommener Unsicherheit. Keiner weiß genau, was aus der Bibliothek wird und ob man nicht in Kürze statt Bücher zu empfehlen als Mitglied der städtischen Verkehrsüberwachung Strafzettel ausstellen wird. Die Leiterin der Regionalbibliothek, Sabine Guhl, kämpft wie eine Löwin um das Erbe ihrer Vorgängerin Karin Holl. Immerhin hat die Bibliothek in ihren besten Tagen um die 1.000 Besucher täglich, über 700.000 Ausleihen pro Jahr, wird bundesweit mit Preisen überhäuft und in renommierten Medien wie der ZEIT oder dem Stern gelobt. Die Vertreterin der Landesfachstelle für öffentliches Bibliothekswesen, Doris Glonegger, wird zur Wiedereröffnung Anfang Dezember 2014 sagen: „Die Regi gehört zu den erfolgreichsten Bibliotheken in Bayern, in Deutschland.“

Am Ende ist der Fortbestand der Bibliothek gesichert – dank eines hohen Grades an Automatisierung und dank höherer Kosten für die Kunden. Die Ausleihe wird teurer, und es dürfen weniger Medien als bisher ausgeliehen werden.

Digitalisierung macht keinen Halt: „Vollkommen geändertes Nutzerverhalten“

Die Automatisierung war im Sinne Guhls, denn sie hat eigenem Bekunden zufolge längst erkannt, dass die Änderung im Nutzerverhalten auch vor der Regionalbibliothek nicht halt macht, Bildungs- und Freizeitbedürfnisse immer individueller und flexibler werden. Zwei Drittel der Kunden „genießen nach wie vor die tolle Atmosphäre in unserem Haus“, sagt sie, aber ein Drittel der Leser – Tendenz steigend – nutzt die Bibliothek in erster Linie online: Vorbestellungen werden mitten in der Nacht abgesetzt, Anfragen werden per Mail bevorzugt an Sonn- und Feiertagen an die Regionalbibliothek gerichtet.

Automatisierte Rückgabe Einfach in der Handhabung, der Kunde gibt seine Medien selbst zurück. Regionalbibliothek Weiden
Automatisierte Rückgabe: Einfach in der Handhabung, der Kunde gibt seine Medien selbst zurück.

Diese Leser schätzen den 24-Stunden-Service der Buchrückgabe und der neuen Vormerkbox im Foyer, schätzen die Möglichkeit, auch nachts schnell vor der Regi mit dem Auto anhalten zu können und ihre Bücher abzuholen. Das ist die Kundschaft, die laut Guhl „in unserem Online-Katalog lebt“. Leser, die online im Angebot der Bibliothek stöbern und sich dann ihre Wunschbücher online reservieren und über die Vormerkbox rund um die Uhr abholen. Eine Klientel, die auch überwiegend im Internet und nicht mehr im Laden einkauft. Guhl bezeichnet die Automatisierung als „die Freiheit, Bibliothek zu genießen, wann man es selber will“.

Die Vormerkbox ist übrigens ein vom Freistaat Bayern gefördertes Pilotprojekt, deutschlandweit einmalig. Finanziert wurde die Box neben der staatlichen Förderung durch eine Erbschaft und den Förderverein „Pro Libris“.

Die Vormerkbox der Regionalbibliothek im Eingang; viele Kunden nutzen bevorzugt den 24-Stunden-Service. Weiden
Die Vormerkbox der Regionalbibliothek im Eingang. Viele Kunden nutzen bevorzugt den 24-Stunden-Service.

Die Vormerkbox ist bis dato der letzte Schritt einer Automatisierung, die vom Rückgabesystem bis zum Kassenautomat reicht. Trotzdem ist es den Worten Guhls zufolge nicht so, dass die Mitarbeiter nichts mehr zu tun hätten. Ganz im Gegenteil: Befreit von stupiden Aufgaben, die nun den Automaten überlassen werden, werden die Bücherfachleute zunehmend zu genau dem, was sie eigentlich sind: zu Beratern, zu Lotsen in der Informationsgesellschaft mit Antworten auf alle Fragen. Das reicht von Buchempfehlungen bis hin zu aufwändigen und komplexen Recherchen, wenn Google nicht mehr weiterführt. Denn über die Internet-Suchmaschinen haben die meisten Kunden schon den Einstieg in ihr Thema gefunden. „Die Einordnung und Bewertung der gefundenen Informationen und die Informationssuche über Google hinaus, das ist die Fachkompetenz von uns Bibliothekaren“, sagt Guhl. „Hier ändert sich gerade unser Berufsbild grundlegend. Auch wir müssen uns ständig weiterbilden, um weiterzukommen.“

Automatisierte Rücknahme Die Medien werden automatisch in einzelne Boxen vorsortiert. Regionalbibliothek Weiden
Automatisierte Rücknahme: Die Medien werden automatisch in einzelne Boxen vorsortiert.

Tolle Atmosphäre: Einladender Aufenthaltsort mit Treffpunkt und Lerncharakter

Und dann sind da aber noch die immerhin zwei Drittel der Leser, die nicht nachts eine Box bedienen wollen, sondern lieber tagsüber einen Kaffee in der „Regi“ trinken, Bücher anlesen oder sich durch das Zeitschriftenangebot blättern. „Unsere absolut tolle Atmosphäre genießen immer noch viele“, sagt Sabine Guhl. Denn es gebe auch den „Riesentrend“, die Bibliothek als einen „dritten Ort“ zu begreifen – nach dem Zuhause und dem Arbeitsplatz, als einen Ort, an dem man nicht gezwungen ist zu konsumieren, an dem man einfach gut aufgehoben ist, sich treffen, sich wohlfühlen kann.

Öffentliche Bibliotheken seien in Zeiten der digitalen Durchdringung aller Lebensbereiche zunehmend nicht nur ein Platz zum Abholen von Bildung, Büchern und Medien. Menschen kämen in die Bibliothek, um sich ihr Tablet erklären zu lassen, um im Internet zu recherchieren, an ihrer Hausarbeit zu feilen, sich gegenseitig zu helfen, gemeinsam zu lernen und zu lesen. Erfolgreiche Einrichtungen müssten in Zukunft „ein einladender Aufenthaltsort mit Treffpunkt und Lerncharakter werden“, sie müssten gut zugänglich für alle und dort sein, wo die Menschen sind.

Guhls Fazit: „Wir sind auf einem guten Weg. Die Regionalbibliothek Weiden ist nach wie vor führend in der Bibliothekslandschaft, Weiden hat einen sehr guten Ruf.“ Das sei nicht zuletzt das Verdienst der Mannschaft, die fast nur aus Frauen besteht. Guhl wörtlich: „Wir haben einen unglaublich hohen Anspruch an uns selbst. Wir wollen den absolut besten Service bieten, das Bestmögliche.“

[box]Die Regionalbibliothek Weiden in aktuellen Zahlen: Nutzer: 6.904 Neuanmeldungen: 1.557 Medienangebot: 122.891 Entleihungen: 467.357 (Stand: 2016)[/box]

Fotos: G. Eichl

* Diese Felder sind erforderlich.