Berufsschüler bauen geheimes Häftlingsradio nach

Wiesau. Seit über 25 Jahren engagiert sich das Staatliche Berufsschulzentrum Wiesau mit seinen Partnerschulen für die deutsch-tschechische Zusammenarbeit. Jetzt bearbeiteten sie ein ganz besonderes Projekt: Metallbauer aus Wiesau und Oselce halfen einem Zeitzeugen, einen lange gehegten Traum zu verwirklichen.

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Bei den gemeinsamen Aktionstagen gewannen die Berufsschüler aus Tschechien und der Oberpfalz Einblick in das Uranbergwerk in Jáchymov, in dem politische Häftlinge unter schwersten Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. Bild: Tanja Fichtner

Miroslav Kopt, geboren 1935, kämpfte als tschechischer Pfadfinder gegen den Kommunismus. In den 60er Jahren verbrachte er deswegen mehrere Jahre als politischer Hälftling in den Uranminen von Jáchymov. Davon berichtete er den Teilnehmern der Schüleraktionstage “Dinge, für die es sich lohnt” der Berufsschulen Wiesau und Oselce direkt vor Ort in Jáchymov im Erzgebirge.

Rückblick: Dank Radio über politische Weltlage informiert

Die politischen Häftlinge organisierten auch im Lager ihren Widerstand und bauten aus Abfällen ein geheimes Radio, mit dem sie westliche Sender wie BBC und Radio Free Europe empfingen. „Wir waren immer sehr gut über die politische Weltlage informiert. Oftmals besser als die normale tschechische Bevölkerung außerhalb des Lagers,“ erzählte Miroslav Kopt, noch immer sichtlich stolz auf das Organisationsgeschick des tschechischen Widerstands. Als die Gruppe verraten wurde, musste das Radio schnell zerstört werden, bevor es den Wachmannschaften in die Hände fiel.

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Miroslav Kopr (links) berichtete den Schülern, wie es ihm als politischer Häftling in den Uranminen von Jáchymov erging. Vojta Vins von der Tschechischen Partnerorganisation Politicti vezni.cz – Political Prisoners.eu übernahm die Übersetzung für die Schüler aus Deutschland. Bild: Tanja Fichtner

Metallbauer erfüllen Wunsch

Es ist ein lange gehegter Wunsch von Miroslav Kopt, einen Nachbau des verschollenen Radios für seine Erinnerungs- und Zeitzeugenarbeit zu nutzen. Dank der fähigen Metallbauer der beiden Berufsschulen kam er diesem Ziel ein Stück näher. Studiendirektor Hartmut Seidler und die Fachlehrer Matthias Achatz und Matthias Bartmann beschäftigten sich im Vorfeld intensiv mit den historischen Bauplänen, die von ehemaligen Häftlingen aus der Erinnerung gezeichnet wurden.

„Das Projekt war anspruchsvoll, weil das historische Material nicht mehr verfügbar ist. Vor allem das für das technische Innenlebens des Radios“, berichtete Hartmut Seidler. „Wir haben uns schließlich mit dem Zeitzeugen darauf geeinigt, zunächst das Gehäuse aus Aluminium zu fertigen, da das im Laufe einer Projektwoche möglich war.“

Workshop in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Bevor es gemeinsam in die Werkstätten ging, stand ein Workshop in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg auf dem Programm. Auch hier thematisierten sie die Handlungsmöglichkeiten der findigen tschechischen Zivilbevölkerung. Diesen gelang es in den letzten Kriegstagen, zahlreiche KZ-Häftlinge aus einem Todeszug aus dem Flossenbürger Außenlager Leitmeritz zu befreien.

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Nach ihren Besuchen in Jachýmov und Flossenbürg machten sich die Berufsschüler aus Tschechien und der Oberpfalz an den Nachbau des Häftlingsradios. Ein kleiner Kasten aus Metall bildet das Gehäuse. Bild: Tanja Fichtner

Präsentation des Endprodukts

Bei der Abschlusspräsentation betonte Thomas Metzler, Studiendirektor und stellvertretender Schulleiter, vor dem Hintergrund des kürzlich verübten Anschlags in Halle, wie wichtig historisch-politische Bildung und eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Nachbarn in Europa ist. Sie legten zudem eine Schweigeminute für die Opfer von Halle ein. Anschließend zeigten die Schüler in deutsch-tschechischen Gruppen Eindrücke der beiden Exkursionen und den Arbeitsprozess zum Bau des Radiogehäuses – und natürlich das fertige Endprodukt. Das Radio ist bereits unterwegs zu Miroslav Kopt nach Prag, wo weiter an der technischen Fertigstellung des Nachbaus gearbeitet wird.

[box type=”info”] Die Schüleraktionstage wurden im Rahmen des Projektes „’Dinge, für die es sich lohnt…’ Wir bringen Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart zusammen“ Grenzüberschreitende Jugendarbeit für Versöhnung und Verständigung in Bayern und Tschechien der Evangelischen Jugend in Weiden von der Europäischen Union, Programm Ziel 3 Bayern-Tschechische Republik 2014-2020 und vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfond gefördert. Es wurde durchgeführt von der Projektstelle für Gedenken und Versöhnung der Evangelischen Jugend im Dekanat Weiden.

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