„Böhmen liegt nicht am Meer“: Das Leid sudetendeutscher Sozialdemokraten

Ausstellung in Weiden: Seliger-Gemeinde zeigt Lebensläufe antifaschistischer Deutschböhmen

Weiden. Wichtige Lebensbilder und Lebenswege von sudetendeutschen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zeigt eine Ausstellung in der VHS in Weiden.

Insgesamt 24 Biographien werden in der Ausstellung vorgestellt. Bild: Holger Stiegler
Insgesamt 24 Biographien werden in der Ausstellung vorgestellt. Bild: Holger Stiegler
Nicht ´fehlen darf natürlich Josef Seliger, der Namensgeber der Seliger-Gemeinde. Bild: Holger Stiegler
Nicht ´fehlen darf natürlich Josef Seliger, der Namensgeber der Seliger-Gemeinde. Bild: Holger Stiegler
„Die Brücke“ erschien 1947 als erstes Blatt für Vertriebene unter dem Dach der SPD. Bild: Holger Stiegler
„Die Brücke“ erschien 1947 als erstes Blatt für Vertriebene unter dem Dach der SPD. Bild: Holger Stiegler

In der Aula der Volkshochschule Weiden zeigt die Seliger-Gemeinde in einer Ausstellung die Lebenswege sudetendeutscher Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bis hin zur Gründung der Seliger-Gemeinde 1951. Dass die Ausstellung in Weiden zu sehen ist, ist neben der VHS auch Arbeit und Leben in Bayern zu verdanken. Die Ausstellung ist modern, graphisch sehr ansprechend und für Jung und Alt gestaltet – und vor allem sehr informativ.

Gezeigt wird sie bis zum 25. März zu den üblichen Öffnungszeiten der Volkshochschule. Auf Rollups wurde zur jeweiligen Person – insgesamt sind es 24 Frauen und Männer – der geschichtliche Hintergrund sowie eine kurze Biographie mit Foto und jeweils eine textliche Brücke zu den aktuellen Aktivitäten der Seliger-Gemeinde geschlagen. Neben den kurzen, prägnanten Texten sowie einigen Bildern sind die „Lebenswege“ anhand einer Karte veranschaulicht.

Abenteuerliche Lebenswege

Zu den vorgestellten Lebensbildern gehört unter anderem Wenzel Jaksch: Der Journalist wurde 1929 für die sudetendeutschen Sozialdemokraten (DSAP) zum Abgeordneten des tschechoslowakischen Parlaments gewählt und wechselte mit seiner Fraktion und den tschechischen Sozialdemokraten sofort in die Regierung. 1935 wurde er stellvertretende Parteivorsitzende, im März 1938 dann letzter Vorsitzender der DSAP.

Als deutsche Truppen am 15. März 1939 in Prag einmarschierten, konnte er sich in die britische Botschaft retten. Er entkam abenteuerlich von dort verkleidet als Handwerker und später als Skitourist über Polen und Schweden nach London. Dort wurde er zum Gegner der sich anbahnenden Vertreibungspläne von Exil-Präsident Edvard Beneš.

Später war er Bundestagsabgeordneter und 1951 erster Vorsitzender der Seliger-Gemeinde sowie ab 1964 Präsidenten des Bundes der Vertriebenen. Weitere Rollups beschäftigen sich unter anderem mit dem langjährigen Vorsitzenden der Bayern-SPD Volkmar Gabert und der Frauenbewegung-Unterstützerin Fanny Blatny.

Ausstellungsmacher und Ehrengäste: (von links) Tanja Fichtner (VHS), MdL Annette Karl, Herbert Schmid (ARBEIT UND LEBEN), Rainer Pasta (Seliger-Gemeinde) sowie Bürgermeister Lothar Höher. Bild: Holger Stiegler

Tragische Geschichte

Neben der analogen Darstellung gibt es auch eine digitale Ebene, die per QR-Code angesteuert werden kann und sich auf einer begleitenden Homepage befindet. Tanja Fichtner, pädagogische Leiterin der VHS, betonte bei der Ausstellungseröffnung, dass man gerne dafür die Aula öffne. „Das Thema der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit liegt in der DNA der VHS“, sagte Fichtner.

Weidens Bürgermeister Lothar Höher erläuterte, dass man am Beispiel der sudetendeutschen Sozialdemokraten gut erkennen könne, wie tragisch die Geschichte sein kann. „Es waren ja nicht nur die Nazis, die raus mussten, sondern alle Deutschen“, so Höher. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass die Vertriebenen zu den Ersten gehörten, die die entstandenen Gräben auch wieder zuschütteten.

“Ermahnung und Ermutigung”

Landtagsabgeordnete Annette Karl (SPD) machte deutlich, dass ein Blick in die Ausstellung „Ermahnung und Ermutigung“ zugleich sei. Die Lebensgeschichten, die aufgezeigt werden, seien beispielhaft für die Schicksale der aufrechten Frauen und Männer. Die Politikerin betonte, dass die Seliger-Gemeinde für Erinnerungsarbeit stehe, aber auch beispielsweise für einen Kampf gegen Rechtsextremismus und für Internationalität. Letztere sei allerdings nicht als „naive Verbrüderungs-Ideologie“ zu verstehen. Angesichts der aktuellen Entwicklung in der Ukraine müsse wieder stärker betont werden, dass die Zukunft in einem friedlichen Europa liege.

Herbert Schmid, Geschäftsführer von Arbeit und Leben in Bayern, ging kurz auf die Bedeutung des Ausstellungstitels „Böhmen liegt nicht am Meer“ und dessen metaphorische Essenz ein. Sein Dank galt allen, die am Zustandekommen und an der Finanzierung der Ausstellung mitgewirkt hatten.

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