Das Nachbarland Polen durch die Karikatur entdecken

Weiden/Regensburg. Der Regensburger Autor Matthias Kneip ist ein ausgewiesener Polen-Experte und hat das Nachbarland schon in zahlreichen Büchern beschrieben. Jetzt hat er zusammen mit dem bekanntesten Zeichner und Karikaturisten Polens, Andrzej Mleczko, eine andere und außergewöhnliche Landeskunde veröffentlicht.

Foto: Matthias Kneip

Matthias Kneip stellt sein neuestes Buch „Darüber lacht Polen“ (152 Seiten, 20 Euro, Pustet Verlag) am Donnerstag um 19 Uhr in der Weidener Regionalbibliothek vor. Karten gibt es an der Abendkasse.

Ihr neues Buch “Darüber lacht Polen” ist eine ungewöhnliche Art und Weise, über ein europäisches Nachbarland zu schreiben. Wie ist die Idee dazu entstanden?

Matthias Kneip: Andrzej Mleczko ist der bekannteste Karikaturist Polens. Ich kenne seine Karikaturen, seitdem ich mich mit dem Land Polen beschäftige. Deshalb habe ich ihn auch als einen von 111 Gründen in mein Buch „111 Gründe, Polen zu lieben“ aufgenommen. Als ich ihm ein Belegexemplar in seine Krakauer Galerie brachte, lernten wir uns zufällig kennen – und es war Liebe auf den ersten Blick. Wir haben sofort viel gelacht. Über Polen. Über Deutschland. Über uns selbst. Und über das Lachen haben wir zugleich viel über uns und unsere Länder erfahren. So entstand meine Idee zum Buch, seine Karikaturen mit meinen Texten zu einer humorvollen Landeskunde über Polen zu verbinden. Ich habe mich fast gewundert, dass es so ein Buch noch nicht gegeben hat.

Mit Andrzej Mieczko haben Sie den wohl bekanntesten polnischen Karikaturisten mit ins Boot geholt. Wie wichtig sind Karikaturen in der polnischen Presselandschaft?

Kneip: Ich glaube, viel wichtiger als in Deutschland. Die Karikaturen von Andrzej Mleczko begleiten die polnische Gesellschaft seit über 50 Jahren. Er personifiziert quasi das Lachen des gemeinen Volkes. Das Lachen über Karikaturen ist gerade in politisch schwierigen Zeiten für viele Polen ein Ventil, persönlichen wie politischen Frust abzubauen. Ein Moment des Luftholens, um dann wieder in einen oft beschwerlichen Alltag einzutauchen. Das galt für die Zeit des Kommunismus, aber auch für die heutige Zeit.

Was zeichnet die Arbeiten von Andrzej Mleczko besonders aus?

Kneip: Er bringt in seinen Bildern ein Problem auf den Punkt. Einfach, überspitzt, trotzdem witzig und sehr häufig auch mehrdeutig und Raum für Interpretationen gebend. Außerdem haben Mleczkos Bilder einen eindeutigen Wiedererkennungswert. Man sieht eine Bild von ihm und sagt sofort: ah, klar, Mleczko!

Aus wie vielen Zeichnungen haben Sie ausgewählt und nach welchen Kriterien wurden die Themen ausgesucht?

Kneip: Ich hatte über 1000 seiner Karikaturen zur Verfügung und habe sie alle durchgeschaut. Für das Buch war mir nicht wichtig, wann oder zu welchem Anlass die Karikaturen erschienen sind. Darum ging es mir bei den Texten nicht. Ich wollte das Thema der Karikaturen in die Gegenwart heben, es zum Anlass nehmen, etwas über das heutige Polen zu erzählen. Also habe ich vor allem jene ausgewählt, die für eine solche Erzählung Raum boten. Kirche, Umweltschutz, Politik, Feminismus und so weiter waren dankbare Motive.

Humor ist gewiss eine Möglichkeit, Grenzen zu überwinden. Aber nicht zwingend.

Wie politisch-kritisch dürfen sich Karikaturen heute präsentieren beziehungsweise durften sie während der Zeit des Kommunismus sein?

Kneip: Politisch-kritisch ist eigentlich gar kein Problem, zumindest nach dem Fall des Kommunismus. Damals war das natürlich schon ein Drahtseilakt, der mit Konsequenzen verbunden sein konnte. Heute sind eher Werte und „political-correctness“-Debatten das Problem. Darf ich noch Wilde mit Knochen in der Nase zeichnen? Chinesen gelb und Afrikaner schwarz, mit Schmollmund? Darf ich einen Priester mit Frauenschuhen darstellen, oder ihn als homosexuell kennzeichnen? Heute fühlen sich viele Menschen viel schneller verletzt und persönlich diffamiert als früher. Und sie wehren sich stärker und öffentlichkeitswirksam. In Paris beim Anschlag auf Charlie Hebdo hat man gesehen, wohin der Hass führen kann. Karikaturen unterliegen mittlerweile einer Zensur durch die political correctness. Das macht es für die Karikaturisten nicht immer einfach, die richtige Dosis bei bestimmten Themen zu finden.

Gibt es einen typisch polnischen Humor und wie unterscheidet der sich vom deutschen?

Kneip: Gerade in Zeiten der historischen Unterdrückung oder politischen Abhängigkeit musste der Humor oft die Zensur irgendwie umgehen. Er musste für die Polen witzig sein, und für die Zensur unverständlich. Ich kenne viele polnische Bücher und Filme, zum Beispiel den Film „Rejs“, über den sich die Polen totlachen können, während ich nur mit den Achseln zucke. Man muss die polnische Seele leben, um mitlachen zu können… Auch das Absurde mag eine typisch polnische Form des Humors sein. Bücher von Witold Gombrowiz oder Dramen von Sławomir Mrożek mögen die besten Beispiele sein.

Ist Humor eine Möglichkeit, Grenzen zu überwinden und Vorurteile abzubauen?

Kneip: Schwierige Frage. Ich denke, die in Deutschland kursierenden Polenwitze in den 1990er Jahren waren für die Überwindung von Grenzen eher hinderlich. Ich denke, es ist eine Frage des Stils. Es gibt auch Kabarettisten, denen es gelungen ist, mit ihrer Art des Humors Brücken in beiden Ländern zu schlagen. Humor ist gewiss eine Möglichkeit, Grenzen zu überwinden. Aber nicht zwingend.

Verraten Sie uns Ihren polnischen und/oder deutschen Lieblingswitz?

Kneip: Polenwitze sind out. Schülerinnen und Schüler in Deutschland kennen sie gar nicht mehr und das ist auch gut so. Aber ich kann einen Witz erzählen, den Polen über Deutsche erzählen. Er ist schon älter und spielt mit dem Vorurteil, dass Deutsche so sparsam mit dem Essen umgehen: Kommt ein Deutscher zu einem anderen Deutschen zu Besuch. Sie begrüßen sich an der Tür und gehen gemeinsam ins Wohnzimmer. Der Gast sieht sich im Raum um. Auf dem Tisch sieht er ein Glas mit drei Salzstangen drin. Etwas überrascht fragt er den Gastgeber: „Sag mal, erwartest du noch jemanden?“

* Diese Felder sind erforderlich.