Fluchtdruck steigt: Wieder mehr illegale Einreisen über Waidhaus

Waidhaus/Weiden. Die Lage an der Grenze ist angespannt. Die Bundespolizei Waidhaus meldet verstärkt Aufgriffe illegaler Migranten. Gleichzeitig stoßen Stadt und Landkreis bei der Flüchtlingsunterbringung an ihre Grenzen. Ein Lagebericht.

Symbolbild: OberpfalzECHO

Autobahn A6, kurz nach dem Grenzübergang Waidhaus. Dienstag, 7. Februar 2023: Die Bundespolizei entdeckt auf der Ladefläche eines serbischen Lkw fünf illegal eingereiste Männer: vier aus der Türkei, einen aus Marokko. Mittwoch, 8. Februar: Die Schwerverkehrskontrollgruppe der Verkehrspolizei kontrolliert auf einem Parkplatz einen Lkw. Aus dem verplombten Anhänger sind Klopfgeräusche zu hören sind. Die Polizei findet darin fünf Männer, vermutlich Pakistaner.

Das ist zunehmend wieder Alltag im Grenzgebiet zu Tschechien. Über den Winter war es
ruhiger zugegangen. Das mag an den Temperaturen gelegen haben, die den Weg über die Balkanroute beschwerlicher machen. Zum Zweiten hatte Tschechien seit Oktober 2022 seine Grenze zur Slowakei kontrolliert. Damit ist jetzt Schluss.

Tschechien beendet Kontrollen zur Slowakei

Zum 6. Februar sind die Kontrollen an den 27 tschechisch-slowakischen Übergängen eingestellt worden. Innenminister Vít Rakušan begründete dies mit stark rückläufigen Zahlen: „Der Zustrom illegaler Migranten wurde gebremst.“ Ohnehin hätte Tschechien die Kontrollen nur noch bis März verlängern können. Der Schengen-Vertrag erlaubt dieses Mittel maximal für ein halbes Jahr. Insgesamt hielten die Tschechen laut Innenminister seither über 9000 eingeschleuste Menschen und 140 Schleuser auf.

Die Konsequenz der wieder geöffneten Grenze ist auch bei der Justiz Weiden spürbar. Ermittlungsrichter Dr. Alexander Wedlich (Amtsgericht Weiden) hat seit 6. Februar zwei Schleuser in Untersuchungshaft geschickt. Das erinnert an letzten Sommer. Da waren es am Ende über 20. Die Bundespolizeiinspektion Waidhaus verzeichnete nach Auskunft von Sprecher Johann Miesbeck 2022 dreimal so viele unerlaubte Einreisen wie im Vorjahr (von 403 auf 1322).

Schleuser: Urteile im Wochentakt

Die Schleuser von 2022 werden aktuell abgeurteilt. Im Wochentakt laufen Verhandlungen an Amts- und Landgericht Weiden. Am Dienstag, 14. Februar, ist es ein Syrer (30), der vor dem Kadi steht. Morad A. lebt am Rhein, arbeitete bei Amazon – und nebenbei als Schleuser. Er bot sich Landsleuten per Facebook an. Im April 2022 wurde er erwischt, wie er in seinem Chevrolet Captiva vier Syrer über die A6 nach Deutschland chauffierte. Es war nicht seine erste Schleusung. Zuvor hatte er eine syrische Familie für 400 Euro vom Flughafen Brüssel nach Bitterfeld gebracht. Und noch ein Jahr zuvor war er schon in Tschechien verhaftet worden.

Kurzum: Mit der erwünschten Bewährung wird es nichts. Berufungsrichter Reinhold Ströhle bestätigt die 2,5 Jahre Haft aus erster Instanz: „Diese Strafe ist auf keinen Fall überhöht.“ Man hat den Eindruck, dem Angeklagten ist das gerade egal. Er zieht den Berufungsantrag zurück. Im Gegenzug bittet er um sein sichergestelltes Handy. Oder wenigstens um die darin abgespeicherte Nummer seines Bruders. Morad A. ist Witwer, er hat Frau und Kind bei Bombenangriffen auf seine Heimatstadt Daraa verloren. Jetzt fürchtet er um seinen Bruder im Erdbebengebiet. Staatsanwalt Christian Härtl verspricht, sich zu kümmern.

Erdbeben verstärkt den Druck

Womit das nächste Problem ins Spiel kommt: Das verheerende Erdbeben traf exakt die Regionen in Nordsyrien und der Türkei, wo das Leiden ohnehin schon riesig war. Betroffen sind Gebiete, in denen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge und unterdrückte Kurden leben. Viele Verwandte würden ihre Angehörigen gern nach Deutschland holen, scheitern aber an fehlenden Pässen. Man muss kein Prophet sein: Der Fluchtdruck steigt.

Folgen für Städte und Landkreise

Die steigenden Flüchtlingszahlen haben direkte Auswirkungen auf Städte und Landkreise. Sind die Gemeinschaftsunterkünfte der Regierung voll, ist es Aufgabe der Kommunen Asylsuchende unterzubringen. Das ist zur Herausforderung geworden. Wie Marcel Weidner, Sprecher des Landkreises Neustadt/WN erklärt, sei die Lage angespannt.

Aktuell können noch alle zugeteilten Flüchtlinge untergebracht werden, aber man suche ständig nach neuen Unterkünften. Die Zuweisungszahlen seien schwer einzuschätzen. Soweit möglich werde versucht, die Sperrung von Schul- und Vereinssport-Hallen zu vermeiden. „Das kann bei einer weiteren Zuspitzung der Lage aber nicht mehr ausgeschlossen werden“, so Weidner.

Landkreis: „Dramatik von 2015 ist überschritten“

Die Zahl der im Landkreis Neustadt/WN untergebrachten Flüchtlinge hat sich in den vergangenen Monaten sehr erhöht. Allein während des letzten halben Jahres war ein Zuwachs von über 250 neuen Asylbewerbern zu verzeichnen. Stand 15. Februar 2023 sind 993 Asylbewerber im Landkreis Neustadt untergebracht (Ende 2015 waren es 877).

Der Vergleich mit dem Jahr 2015 verdeutlicht die Lage. Weidner: „Die Situation hat inzwischen die Ausmaße und die Dramatik der Flüchtlingskrise von 2015 überschritten.“ Das finde medial aber wegen zahlreicher anderer, überlagernder Themen weit weniger Beachtung als damals.

Weiden: Handwerkerhaus statt Turnhalle

Gleiches kommt aus dem Rathaus der Stadt Weiden: „Wir sind tatsächlich am Anschlag“, sagt Michael Maier (Pressestelle). Der Bedarf steige ständig, die dezentralen Unterkünfte der Stadt seien bis auf vereinzelte Betten vollständig belegt. Die Stadt nutze 21 Wohnungen und eine Erstanlaufstelle mit tagesaktuell 202 Bewohnern. Aufgrund der verfügbaren Kapazitäten in der Notunterkunft Handwerkerhaus sei aktuell aber nicht zu befürchten, dass Turnhallen herangezogen werden müssten.

Regierung sucht Unterkünfte

Die Regierung der Oberpfalz sucht in der ganzen Oberpfalz dringend geeignete Gebäude (Mehrfamilienhäuser mit etwa 6 Wohnungen, die eine Unterbringung von etwa 50 Personen ermöglichen könnten, Infos).

Asylsuchende werden in Bayern gemäß einem Schlüssel nach Einwohnerzahl in die Regierungsbezirke verteilt. Dort obliegt es der Regierungsaufnahmestelle (in Regensburg), die Personen auf einen Landkreis oder kreisfreien Gemeinde und eine Unterkunft zuzuweisen. Vorrangig sollen die Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, in Weiden „Camp Pitman“. Stehen dort nicht genügend freie Kapazitäten zur Verfügung, erfolgt die Unterbringung in den von den Landkreisen und kreisfreien Städten betriebenen dezentralen Unterkünften. 

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