Gesamtkunstwerk Lamberts-Sanierung: Waldsassen bekommt eine Glashütten-Kathedrale

Waldsassen. „Aufregung pur“ bei Lamberts-Eigentümer Rainer Schmitt: Nach der UNESCO-Welterbe-Auszeichnung präsentieren der Glashütten-Chef, Geschäftsführer Christian Baierl, Architekt Peter Brückner und Bürgermeister Bernd Sommer ein städtebauliches Gesamtkunstwerk rund um die Glashütte.

Eine Kathedrale des Glashandwerks: Brückners Planung für die Fassade. Grafik: Brückner & Brückner

Tage wie diese hat Unternehmer Rainer Schmitt selten erlebt. Vergangenen Mittwoch fieberte der Eigentümer der Glashütte Lamberts per Video-Stream bei der Entscheidung der Weltkulturorganisation im afrikanischen Botswana mit, ob die handwerkliche Fertigung von Glas in den Stand des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO erhoben wird.

„An der Internetverbindung müssen wir noch arbeiten“, sagt Schmitt augenzwinkernd Richtung Bürgermeister Bernd Sommer. Der Livestream fällt flach. Kurz darauf dann die Entscheidung: „Wir alle sind Weltkulturerbe“, richtet sich Schmitt in einer emotionalen Ansprache an die Belegschaft.

Dabei ist die Adelung der Glasmacherkunst aus Waldsassen und weiterer traditioneller Glasmacher-Standorte in sechs europäischen Ländern nur die eine gute Nachricht. Hinter verschlossenen Türen tüftelten Eigentümer, Stadtspitze und die Architekten Brückner & Brückner bereits seit zweieinhalb Jahren am großen städtebaulichen Wurf. „Dass der Startschuss fast zeitgleich mit der UNESCO-Entscheidung fällt, ist eine glückliche Fügung“, erklärt Geschäftsführer Christian Baierl.

Schmitt: „Die Zukunft der Glashütte beginnt heute“

„Aber es hilft uns bei dem, was wir machen wollen, enorm“, ergänzt Schmitt. „Die Zukunft der Glashütte beginnt heute – wir haben wirklich etwas Großes vor zum Erhalt der Glashütte wie sie ist: zur Erneuerung, Ertüchtigung, Wiederbelebung.“ In einem mehrstufigen Sanierungs- und Städtebauentwicklungskonzept will sich die Glashütte einem großen, internationalen Publikum öffnen und ihre weltweit einzigartige Handwerkskunst sichtbar machen.

„Das finanzielle Volumen der Gesamtbaumaßnahme in fünf Bauabschnitten“ beziffert Architekt Peter Brückner auf etwa 30 Millionen Euro: „Der erste Bauabschnitt mit der Halle als Herzstück mit Ausstrahlung nach außen kann bereits im nächsten Jahr losgehen.“ Normalerweise seien zehn bis 15 Jahre als Zeithorizont für alle Bauabschnitte realistisch, meint Schmitt: „Ich würde es gerne in fünf Jahren schaffen“, zeigt sich der Unternehmer ungeduldig. „Wir müssen gemeinsam schauen, dass wir in die Puschen kommen.“ Freilich gebe es jedoch Bauvorschriften, die den Zeitfaktor beeinflussten.

Planen Sanierung und Umbau: Lamberts-Geschäftsführer Christian Baierl, Eigentümer Rainer Schmitt und Architekt Peter Brückner. Foto: Jürgen Herda

Bürgermeister Sommer: „Ein besonderer Schatz“

Bürgermeister Sommer ist optimistisch: „Verglichen mit anderen Projekten läuft es hier bisher wie in Butter, da habe ich schon anderes erlebt.“ Einzelne Zweifel im Stadtrat habe er ausräumen können: „Einige haben gefragt, können wir ein Unternehmen bei so einem Projekt fördern?“ Sommer habe geantwortet: „Was wäre, wenn wir ein Museum hätten, weil es vor langer Zeit mal eine Glashütte gab?“ Dann gäbe es keine zwei Meinungen, dass das förderfähig wäre.

„Wir aber haben eine noch lebendige Glasmachertradition, das ist ein besonderer Schatz.“ Das leuchtet ein: „Ganz klar, wir sind dabei“, lautete das Votum. Die Zusammenarbeit mit der Städtebauförderung und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege sei zudem reibungslos. „Wir sind der Regierung der Oberpfalz dafür sehr dankbar“, freut sich Sommer, dass die Experten auseinanderklamüsert hätten, was im öffentlichen Interesse förderfähig sei.

Bürgermeister Bernd Sommer ist euphorisch: Waldsassen wird zum Magneten für Glaskunst-Touristen aus aller Welt. Foto: Jürgen Herda

Glaskunst der zeitgenössischen Kunstelite

Prunkstück des ersten Bauabschnitts, die Sanierung der historischen Ofenhalle: „Das Spektakulärste ist unser Fensterprojekt“, lüftet Eigentümer Schmitt ein inzwischen offenes Geheimnis. „Waldsassen bekommt den Originalausschnitt des Südquerhausfensters des Kölner Doms von Gerhard Richter“, sagt er stolz. Und auch ein wenig umständlich. Denn hier muss er jedes Wort auf die Goldwaage legen. „Wir dürfen nicht Richter-Fenster sagen, aber er hat seine Zusage gegeben, dass wir den originalen Ausschnitt wie im Kölner Dom, der bei uns gefertigt wurde, verwenden dürfen.“

Und damit nicht genug: „Wir haben die berühmtesten Glaskünstler überredet, für weitere Fenster Entwürfe anzufertigen.“ Die Größen der zeitgenössischen Kunst hätten bereits zugesagt: „Markus Lüpertz, Imi Knoebel, Bryan Clarke, Guy Kemper oder Ursula Jüngst.“ Man wolle die Glashütte für den Tourismus öffnen, die traditionelle Glasfabrikation den Menschen näherbringen.

Baierl: „Substanz erhalten, statt Löcher flicken“

„Wir können uns gegenseitig befruchten“, sagt Schmitt, „Kloster Waldsassen mit der Dientzenhofer-Basilika und unser Vorzeigeprojekt, das uns weltweit zu einem einzigartigen Ort macht, wo man die Werke so vieler einzigartiger Künstler sehen kann.“ Und auch der Nachwuchs bekommt eine Chance: „Meine Tochter ist Glasmalerin, sie darf auch ein Fenster gestalten“, sagt er angefasst. „Mir ist besonders wichtig“, sagt Geschäftsführer Baierl, „dass die Menschen im Mittelpunkt stehen, die Mitarbeiter und die Leute, die unser Glas verwenden.“

Das Projekt als Plattform, die Welt darüber zu informieren, „was wir hier tun, was unsere Kunden in der ganzen Welt machen – die Restaurierung des Big Ben, großartige Architektur mit unserem mundgeblasenen Fensterglas“. Den Reichtum der verschiedenen handwerklichen Facetten wolle Lamberts in die Zukunft tragen: „Wir kämpfen seit Jahrzehnten mit Löchern in den Dächern“, macht Baierl deutlich, wo der Schuh drückt. „Wir sind so froh, dass wir künftig nicht nur die Löcher im Dach flicken dürfen, sondern die Substanz erhalten können.“

Eine Kathedrale des Glashandwerks: Die historische Ofenhalle. Foto: Robert Christ

Sommer: „Historisch, lebendig und authentisch“

Der Bürgermeister ist fasziniert: „Menschen pilgern schon wegen eines einzigen Künstlers an einen Ort“, weiß Sommer aus eigener Erfahrung. „Dass auf den Fenstern der Glashütte in Waldsassen künftig die wichtigsten zeitgenössischen Künstler vereinigt sind, ist irre“, schwärmt der Rathauschef, „ein absolutes Alleinstellungsmerkmal – sowohl historisch als auch lebendig und authentisch, kein Disney-Land.“ Und das sei nur ein Teil des Projekts: „Was hier an Tourismus einkehren kann, ist gigantisch.“ Genauso wie die Gesamtsumme, die hier investiert werde: „Jetzt fangen wir erst mal mit der Halle an, besonders auf das Fenster von Richter freue ich mich.“

Sommer sieht es schon vor sich an einem strahlenden Tag: „Oder auch mal an einem dunklen Tag, wenn die Farben von innen leuchten.“ Und rund um diese Kathedrale der Glasmacherkunst sieht der Bürgermeister einen neuen Treffpunkt für die Waldsassener: „Das Tor fällt, es entsteht ein offener Marktplatz, wo man sich treffen kann, vielleicht mit einem kleinen Café, einer Galerie, dem Shop und einem Museum.“ Während Schmiede und Schlosserei bleiben, umfasse der Umbau auch die Nebengebäude, wo sich neues Gewerbe ansiedeln könne.

UNESCO-Weltkulturerbe: Die Kunst der manuellen Glasherstellung. Foto: Robert Christ

Der Plan der Architekten

Die Euphorie über das städtebauliche Gesamtkunstwerk hat auch die Tirschenreuther Architekten Brückner & Brückner erfasst. „Es ist ein Herzensprojekt“, sagt Peter Brückner, „dabei sein zu dürfen, freut uns extrem, da wir der Region immer verbunden sind.“ Vor allem auch in Waldsassen haben die Brückner Brüder sichtbare Spuren an Kloster und Rathaus hinterlassen: „Die Glashütte ist für uns ein Highlight, ein Kontext-Dialog, zwischen beiden Elementen, dem Kloster, als Ursprung von Waldsassen, und der Glashütte, eine Kathedrale des 19. Jahrhunderts, in der höchste Qualität im handwerklichen Bereich entsteht.“

Eine erste Machbarkeitsstudie sollte zeigen: „Wo steckt die Substanz, wie können wir den Bestand in die Zukunft tragen?“ Kein museales Projekt: „Im Herzen ist die Produktion, ausgezeichnet mit dem Weltkulturerbe.“ Das fasziniere die Architekten. „Wir wollen den Charakter des Gebäudes für Menschen öffnen.“ Behutsam, nicht mit radikalen Brüchen, die Struktur neu ordnen: „Die Idee ist, einen Bereich, der öffentlich zugänglich ist, eine kleine Marktplatzsituation zu schaffen.“ Das erfordere ein Sicherheitskonzept, da Produktion und Anlieferung abgegrenzt werden müssten.

Eine neue Sichtachse entsteht, damit das Riesenareal wieder eine Mitte bekommt. „In die Fenster der Fassade zieht Leben ein, mit der Strahlkraft des großen Fensters von Gerhard Richter und den historischen Schweifgiebeln, die wir wieder mit aufnehmen.“ Eine Neuordnung sei für Verwaltung und Mitarbeiter vorgesehen: „Es wird einen großen Showroom geben, Sitzgelegenheiten auch im Außenbereich, Werkstätten für Künstler – im Obergeschoss des ehemaligen Verwaltungsgebäudes, wo früher in fast mönchischen Zellen die Glasbläser lebten, ein Boarding-Haus und zwei Wohnungen.“ Im jetzigen Ausstellungsraum können Tagungen stattfinden: „Wir öffnen die Fenster mit Blick auf die Brücke und über die Halle.“

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