Glashütte Lamberts jubelt: Manuelle Glasfertigung ist Immaterielles Kulturerbe der Menschheit

Waldsassen. Eilmeldung der Glashütte Lamberts: „Wir haben es geschafft!!!!!!!!!!!!“ Die UNESCO hat heute die manuelle Glasfertigung zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Eigentümer Rainer Schmitt, Geschäftsführer Christian Baierl und Prokurist Robert Christ sind begeistert.

Robert Christ, Marketing-Leiter der Glashütte Lamberts in Waldsassen. Bild: Jürgen Herda

Es ist vollbracht: Ein Traditionshandwerk der nördlichen Oberpfalz ist Immaterielles Kulturerbe der Menschheit. Dazu gehört auch die manuelle Glasfertigung der Lamberts-Gläser – bei Fachleuten auf der ganzen Welt für ihre Vielfalt, Qualität, Brillanz und Körperhaftigkeit hochgeschätzt.

„Das ist natürlich auch eine Verpflichtung, dieses Handwerk auf höchstem Niveau fortzuführen“, verspricht Prokurist und Marketing-Leiter Robert Christ.

Glas für Kirchen und Schlösser

Die Einsatzmöglichkeiten des Waldsassener Edelglases sind vielfältig: „Ob im Denkmalschutz, auf Schloss Neuschwanstein, der Dresdener Frauenkirche, im Kölner Dom, Moscheen im islamischen Kulturraum, Synagogen, Kirchen-Neubauten in Korea. …“ Die Nachfrage nach Lamberts lebendigem Craft-Glas ist groß. „In den vergangenen 20 Jahren haben wir unser Glas aber auch in modernen Verwaltungsgebäuden wie dem Pfizer Building in New York oder dem Hotel Adlon in Berlin verbaut.“

Für die Mitarbeiter sei es schon ein erhebendes Gefühl zu wissen, dass der Tower in London, in dem Big Ben seine Melodie schlägt, von Lamberts verglast ist. „Wir bedienen mit unserem Glas die oberste Liga der Architekten“, sagt Christ. Aber auch beim Interieur-Design wird das edle Material immer wichtiger: „Wir gestalten Gläser für ein Mode-Label in Frankreich“, erzählt der Lamberts-Sprecher.

Bevorzugtes Glas der Künstler-Avantgarde

Das schillernde Material fasziniert auch Künstler weltweit. Herausragende Vertreter der Glaskunst wie Johannes Schreiter, Guy Kemper, Neo Rauch oder Imi Knospen, der drei Glasfenster in der Kathedrale von Reims gestaltete, haben schon in Waldsassen produzieren lassen. „Wir stellen unser Glas in 5000 verschiedenen Farben und Strukturen her“, sagt Christ stolz, „jeder neue Auftrag von Künstlern ist eine neue Herausforderung.“

Für die Mitarbeiter eine alltägliche Herausforderung: „Sie müssen Hitze aushalten, handwerklich eine top Leistung bringen“, lobt der Industriekaufmann, der vor 33 Jahren selbst hier gelernt hat, das junge Team. Integraler Bestandteil der Mannschaft sind einige tschechische Kollegen. „Böhmen hat ja auch eine große Glastradition.“

Glasfenster im Kölner Dom mit mundgeblasenem Lamberts-Glas. Bild: Glashütte Lamberts

UNESCO-Ausschuss tagt in Botswana

Das Traditionshandwerk wurde von Finnland, Frankreich, Spanien, Tschechien und Ungarn gemeinsam mit Deutschland zur Aufnahme in die UNESCO-Liste nominiert. Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe tagt noch bis zum 9. Dezember in Kasane, Botswana. „Geduld, Kreativität und Teamwork zeichnen die Manuelle Glasfertigung aus“, sagt der Vizepräsident der Deutschen UNESCO-Kommission Christoph Wulf.

„Ich freue mich, dass die UNESCO die beeindruckende schöpferische Kraft dieses Handwerks ausgezeichnet hat.“ Die Gemeinschaft der Glasmacherinnen und Glasmacher bewahre diese besondere Handwerkstradition mit einem beeindruckenden Engagement. „Ich bin überzeugt, dass ihr Wissen und Können der Menschheit noch lange erhalten bleiben wird.“

Glasherstellung seit vorchristlicher Zeit

Die Manuelle Glasfertigung widmet sich der Formgebung und Gestaltung von heißem wie kaltem Glas. Die ersten Glashütten in Deutschland, Frankreich und Spanien entstanden in vorchristlicher Zeit. Im frühen Mittelalter verlagerte sich die Herstellung in Regionen, die über große Holz- und Sandvorkommen verfügten, den damals wichtigsten Rohstoffen der Glasfertigung. So entstanden Hütten in Tschechien und Ungarn. Die erste finnische Glashütte wurde 1681 gegründet.

Glas wird bei Temperaturen von weit über 1000 Grad Celsius geschmolzen und ist nur für kurze Zeit formbar. Zur Herstellung von Hohlglas blasen die Handwerkerinnen und Handwerker eine kleine Kugel heißes, zähflüssiges Glas mithilfe einer Pfeife auf und bringen sie durch Drehen, Schwenken und die Bearbeitung mit traditionellen Werkzeugen in die gewünschte Form. Für die Produktion von Flachglas wird das heiße Ausgangsmaterial zu einer Walze gestreckt und weiterverarbeitet.

Rainer Schmitt, Eigentümer der Glashütte Lamberts und Motor der UNESCO-Welterbe-Auszeichnung. Foto: Glashütte Lamberts

Rainer Schmitt: „Unendlich dankbar“

„Für die Anerkennung der Manuellen Glasfertigung als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit sind wir unendlich dankbar“, erklären Georg Goes vom Museum Glashütte Baruth, Katrin Holthaus vom LWL-Museum Glashütte Gernheim und Rainer Schmitt von der Glashütte Lamberts. „Sie ist eine wegweisende Auszeichnung und ist uns Ansporn, diese Tradition weiter zu erhalten und bekannter zu machen.“ In den kommenden Jahren plane man gemeinsam mit den Partnern der anderen Bewerber-Nationen internationale Projekte zur Erhaltung der Manuellen Glasfertigung.

Handgearbeitetes Hohlglas ist für hochwertige Serienproduktionen, Design, die Fertigung von Prototypen und technische Spezialanwendungen bis heute unverzichtbar. Das komplexe Wissen über die Manuelle Glasfertigung wird in Deutschland nur noch von wenigen Menschen bewahrt und weitergegeben. Die Glasmacherinnen und Glasmacher sind heute international eng vernetzt. An der Nominierung für die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes haben sich Glashütten aus ganz Europa beteiligt.

Die Glaskuppel des Berliner Hotels Adlon mit mundgeblasenem Lamberts-Glas. Bild: Glashütte Lamberts

Hintergrund: Immaterielles Kulturerbe

Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Die UNESCO unterstützt den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt gelebter Kultur seit 20 Jahren. Das Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes wurde 2003 von der Generalkonferenz der UNESCO in Paris verabschiedet. Bis heute haben 181 Staaten den Vertrag ratifiziert. Deutschland gehört der UNESCO-Konvention seit 2013 an.

Einzelne Elemente aus den nationalen Verzeichnissen des Immateriellen Kulturerbes der Vertragsstaaten können für eine von drei internationalen UNESCO-Listen vorgeschlagen werden. Rund 700 Bräuche, darstellende Künste, Handwerkstechniken und Formen des Naturwissens aus aller Welt werden derzeit auf diesen Listen geführt, darunter der Tango aus Argentinien und Uruguay, die traditionelle chinesische Medizin, Reggae aus Jamaika und die Praxis des Modernen Tanzes in Deutschland.

Der Zwischenstaatliche Ausschuss zum Immateriellen Kulturerbe entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen in die UNESCO-Listen. Das Gremium setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten der Konvention zusammen, darunter Deutschland.

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