Jahn in der Dritten Liga: Am Sonntag reißt eine Super-Serie bei Dynamo Dresden

Dresden. Dynamo-Fans haben es in sich. Mit ihrem schallenden Dünamööö machen sie selbst Auswärtsspiele zu Heimspielen – ganz zu schweigen vom Hexenkessel Rudolf-Harbig-Stadion, wo am Sonntag, 16.30 (!), 1000 Regensburger Jahn-Fans dagegen halten beim Duell der Seriensieger.

Neuzugang beim SSV Jahn Regensburg: Finanzminister Albert Füracker hofft, dass nicht ausgerechnet jetzt die Siegesserie in Dresden reißt. Foto Jahn

Wohl noch nicht mit dabei beim lautstarken Oberpfälzer Anhang ist Neuzugang Albert Füracker. Der Heimat- und Finanzminister hat im kurzen Echo-Interview nach der Trikotübergabe Schweißperlen auf der hohen Stirn: „Ausgerechnet jetzt kommt Dresden“, unkt der Oberpfälzer CSU-Bezirkschef – und befürchtet, dass man ihn bei Misserfolg nicht mehr als Glücksbringer würdigen könne.

Oberpfälzer Gegengewicht zu Club-Fan Söder

Galgenhumor beiseite: Zeit ist es geworden, dem bayerischen Ministerpräsidenten und fränkischen Club-Fan ein klares sportliches Oberpfälzer Signal entgegenzusetzen: „Der SSV Jahn Regensburg ist die stärkste Fußballmannschaft meiner Heimat“, schwärmt Füracker. „Er ist ein Aushängeschild für unsere Oberpfalz.“ Der Degerndorfer (Lupburg im Landkreis Neumarkt) Landwirt sei schon immer großer Fan: „Aber die Steigerung von Fan ist Mitglied – und das bin ich jetzt endlich auch.“

Der Jahn könne stolz darauf sein, dass er nach der vergangenen schwierigen Saison wieder auf Erfolgskurs ist. „Füreinander einstehen, in schwierigen und erfolgreichen Phasen, das gefällt mir sehr.“ Er hoffe, er könne seinen Heimatverein noch oft anfeuern und noch viele Siege im Stadion feiern. Zur Not darf der Minister auch auf Magenta anfeuern, wenn es der Siegesserie dient.

Von wegen bessere Amateurliga …

Was hatte ein Facebook-Gscheithaferl vor kurzem unter einen Echo-Jahn-Post geschrieben: Die Regensburger sollten sich nichts einbilden, die Dritte Liga sei ja nur eine bessere Amateurliga. Dass das Quatsch ist, hat ein anderer User richtiggestellt.

Dabei reicht ein Blick auf die Namen der Gegner: Jede Woche kann man einen anderen gefallenen Giganten porträtieren. Dynamo Dresden, achtfacher DDR-Meister, siebenfacher DDR-Pokalsieger – zuletzt mit Matthias Sammer. Dreimal im Viertelfinale im Europapokal der Landesmeister, zweimal in der gleichen Runde der Pokalsieger – 1993 Gewinner des UEFA-Intertoto-Cups.

Das Dynamo von Sammer und Kirsten

Nach der Wende der Ausverkauf der besten Spieler – Matthias Sammer und Ulf Kirsten –, dennoch bis 1994/5 Bundesliga. Dann der tiefe Fall des hoch verschuldeten Vereins mit Lizenzentzug in die Regionalliga Nordost. In den 2000ern kämpft sich Dynamo wieder hoch in den Profifußball und ist seitdem ein Wanderer zwischen den Welten der Zweiten und Dritten Liga.

Am kommenden Sonntag kann der Tabellenführer mit dem um zwei Treffern besseren Torverhältnis einen Drittliga-Rekord aufstellen: 12 Heimsiege in Folge, ligaübergreifend. Für Dynamo-Coach Markus Anfang, der nach dem Aus bei Werder Bremen aufgrund eines Verfahrens wegen Fälschung eines COVID-19-Impfzertifikats im impfliberalen Sachsen die Chance zum erfolgreichen Neuanfang nutzt, lediglich eine Spielerei: „Wenn wir am Ende aufsteigen, ist das wichtiger als eine Serie.“

Hexenkessel Rudolf-Harbig-Stadion: Dynamos Fans im K-Block zünden Bengalos und zeigen Banner „Ein Funken Hoffnung für alle inhaftierten Dynamokrieger“. Foto: jrh

Jahn-Statistik: Wenig Ballbesitz, viele Schüsse

Apropos Serie: Auch der SSV Jahn kann nach acht Siegen in Folge in Dresden, mit einem – zugegeben alles andere als leichten – neunten Sieg in Folge, den Zehn-Siege-Rekord des KSC bei den folgenden beiden Heimspielen gegen den SC Freiburg II und Viktoria Köln ins Visier nehmen. Vor so einer Ballbubenrechnung wiederum warnt SSV-Chefcoach Joe Enochs: „Ich habe Freiburg gesehen, das ist eine richtig gute Truppe, wenn wir glauben, weil die 19. sind, können wir da entspannt rangehen, haben wir uns gründlich getäuscht.“

So weit sind wir aber noch nicht, bekanntlich schauen wir nur aufs nächste Spiel – und da stehen sich zwei Mannschaften gegenüber, die verschiedener nicht sein können:

  • Dresden liegt in puncto Ballbesitz mit 56,5 Prozent an zweiter Stelle in Liga 3. Der SSV Jahn ist mit 44,3 Prozent Schlusslicht – aber schließlich wollen die Regensburger auch nicht wie die Nationalmannschaft in Schönheit sterben.
  • Denn: Regensburg generiert mit deutlich weniger Ballbesitz sogar mehr Flanken (252 zu 247) und fast so viele Torabschlüsse (208 zu 209).
  • Den Grund nennt Enochs: „Wir pressen sehr hoch, setzen den Gegner vorn unter Druck und spielen bei Ballgewinn direkt in die Spitze, haben also einen kurzen Weg zum Tor.“
Als Dynamo Dresden und der SSV Jahn noch in der zweiten Liga und Agyemang Diawusie (rechts) im falschen Trikot gegen Regensburgs Ex Nicklas Shipnoski kickte. Archivfoto: jrh

Enochs: „Haben uns so ein Highlight erarbeitet“

Dass Dynamo zu Hause eine Macht ist, weiß der Jahn-Trainer natürlich: „Die stehen zu Recht da oben“, zeigt er in die Luft, auch wenn der Abstand zur Spitze gerade mal zwei Törchen sind. „Auch wenn sie das Nachholspiel in Saarbrücken verloren haben.“ Man merke: „Die Anspannung steigt bei den Spielern, wir freuen und unheimlich.“ Er freue sich vor allem für seine Jungs: „Dass wir uns so ein Spiel in den vorangehenden Spielen erarbeitet haben, dass das Medieninteresse riesengroß ist.“

Das Rezept für das richtungsweisende Spitzenspiel: „Wir versuchen bei uns zu bleiben, unsere Stärken einzubringen.“ Auch für ihn sei der Auftritt im Hexenkessel an der Elbe ein Highlight: „Die Spieler gehen unterschiedlich damit um“, beschreibt er coole und weniger abgeklärte Charaktere. „Wir versuchen die Spieler, die noch nicht vor so einer Kulisse gespielt haben, ein bisschen zu beruhigen.“ Was dem Jahn immer gut zu Gesicht steht: „Wir haben Respekt vor jedem Gegner.“ Dresden schwebe nicht über allen Dingen: „Wenn wir an unsere Leistungsgrenze gehen, haben wir eine Chance gegen jeden Gegner.“

Freut sich sichtlich auf den Showdown gegen Dynamo Dresden: Jahn-Coach Joe Enochs. Foto: jrh

Test in Augsburg: Zu viele Gegentore

Immerhin konnte der SSV unter der Woche schon mal üben, wie verlieren geht: Beim 2:5 beim Bundesligisten FC Augsburg habe der SSV ein ordentliches Spiel gemacht, aber „fünf Tore sind für uns zu viel“. Die Erkenntnis aus dem Freundschaftskick: „Manche Spieler wie Tobias Eisenhuth und Bryan Hein haben sich in den Vordergrund gespielt, Christian Schmidt und Jonas Bauer haben einen Schritt nach vorne gemacht.“ Das seien coole Erkenntnisse aus einer Begegnung mit einem richtig guten Gegner.

Er habe Spieler beobachten können, die nicht so viel gespielt hätten: „Wir freuen uns, dass wir Niklas Anspach und Flo Ballas 20 Minuten einsetzen konnten.“ Die beiden sind wieder im Training, Ballas plagten derzeit keine muskulären Probleme mehr. „Wichtig ist, dass wir mit Ballas eine weitere Säule für die Defensive dabeihaben.“ Bei Niklas werde es noch dauern: „Wir bauen ihn langsam ein.“ Einen herben Rückschlag muss dagegen Eric Hottmann nach seiner schweren Verletzung hinnehmen. Nach seiner OP werde er für Monate ausfallen: „Er ist trotzdem optimistisch, das hilft ihm in diesem Prozess.“ Der Verein stehe zu ihm: „Wir wissen, was wir an ihm haben.“

Dynamo-Trainer Markus Anfang will vor dem Spitzenspiel nicht zu sehr auf die Stärken von Jahn Regensburg schauen, sondern lieber sein Spielkonzept durchbringen. Foto: jrh

Anfang: Serien zeigen Konstanz und Reife

Dynamo-Coach Markus Anfang deutscht die Bedeutung beider Serien so aus: „Am Ende zeigt es nur eine gewisse Konstanz, eine gewisse Reife vielleicht, immer wieder Ergebnisse zu erzielen.“ Dresden habe das zu Hause geschafft, der Jahn darüber hinaus auch auswärts. „Für uns natürlich ein schweres Heimspiel gegen einen Absteiger aus der Zweiten Liga, der zig Jahre in der Zweiten Liga verbracht hat (Anm. d. Red.: leider nicht).“ Vor und mit dem eigenen Publikum wolle man wieder ein gutes Spiel zeigen und „natürlich die drei Punkte hierbehalten“.

Der Jahn sei eine Mannschaft, die viel Tempo im Umschaltspiel habe: „Das musst du sicherlich berücksichtigen, auch dass sie, wenn sie flanken, #viele Spieler im gegnerischen 16er stehen haben, musst du verteidigen.“ Regensburgs Mittelfeldspieler gingen häufig vorne mit rein: „Die müssen verfolgt und dementsprechend verteidigt werden.“ Und Regensburg habe Spieler, „die auch mal aus der Distanz Tore machen“ können: „Das heißt, du musst die möglichst weit weghalten.“

Gelungene Generalprobe im Sachsen-Pokal

Schließlich müsse man nach Ballverlusten entsprechend ins Gegenpressing gehen. Vor allem aber: „Wir sollten uns auf uns konzentrieren, Chancen kreieren. Tore zu machen, hinten gut verteidigen“, rät der Trainer. Wie beim 4:0 im Sachsen-Pokal beim Landesligisten Empor Glauchau: „Ich finde, die Jungs, die ihre Chance beim Auftritt im Pokal bekamen – auch wenn man sagt, man spielt gegen unterklassige Mannschaften – machten ihre Sache richtig gut.“

Personell muss Anfang weiter auf die Langzeitverletzten Kyrylo Melichenko (Knie) und Paul Lehmann (Knie) verzichten. Zudem ist der Einsatz von Paul Will nach einem Magen-Darm-Infekt fraglich. Auch Lucas Cueto, der am Donnerstag einen Schlag in die Kniekehle bekommen hat und das Training abbrechen musste, ist ein Wackelkandidat.

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