Jahn-Dusel in der Dritten Liga geht weiter: Siebter Streich bei 1860 München in der Nachspielzeit
München. Wenn es läuft, dann läuft es, selbst wenn fast nichts läuft. In einer zerfahrenen Partie haben stark ersatzgeschwächte Münchener Löwen die besseren Chancen. Aber die Konditionsmonster aus Regensburg geben nicht auf. Und wenn Huth nicht trifft, dann eben Eisenhuth.
Was haben wir von diesem Spiel nicht alles erwartet? Große Emotionen, weil es nach sechs Jahren die Gelegenheit für 1860 München ist, die Relegationsschmach und den tiefen Sturz in die Regionalliga zumindest für einen Tag vergessen zu machen. Hoch motivierte Oberpfälzer, die im Prestigeduell mit dem Kult-Club auf Giesings Höhen ihren Höhenflug fortsetzen wollen.
Jahn-Pressing nach 15 Minuten eingestellt
Was bekommen wir serviert? Eine Viertelstunde gewohntes Jahn-Pressing, mit dem sich die Münchener zu Beginn schwertun. Große Chancen springen dabei allerdings nicht heraus – lediglich eine Hereingabe Christian Viets von rechts, die Dominik Kother stark bedrängt am Fünfer nicht verwerten kann. Warum die Regensburger die Attacken vor dem Löwen-Strafraum dann allerdings unvermittelt einstellen, ist nicht ersichtlich – an der Furcht, das Tempo nicht durchzuhalten, kann es bei den Regensburger Konditionsbolzern eigentlich nicht liegen.
Schon vor der Pause wechselt Jahn-Trainer Joe Enochs den heute fast schläfrig wirkenden Agy Diawusie aus, der mehrere Bälle unbedrängt verstolpert. Nicht, dass seine Kollegen eine wesentlich bessere Performance hinlegen würden, aber am linken Offensivspieler lässt sich das Symptom mangelnder Konzentration festmachen – mit Bryan Hein bringt der Coach eine wesentlich wachere Alternative auf den Rasen, was zumindest der Absicherung nach hinten sichtbar guttut (39.).
Vrenezi ein Fast-„Man of the Match“
Dennoch finden die Löwen jetzt immer besser ins Spiel und der potenzielle Man of the Match, Ex-Jahn-Spieler Albion Vrenezi lässt mit einem Lattenkracher aufhorchen. Die Münchener haben jetzt auch spielerisch gegen die Oberpfälzer die Lederhosen an. Aber auch bei den ersatzgeschwächten Löwen fehlt letztlich die finale Präzision, um sich auch noch zu belohnen. Deshalb geht es mit einem leistungsgerechten Remis in die Pause.
In der Zweiten Hälfte sehen wir Teil 2 eines mehr als überschaubaren Auftritts des – zu diesem Zeitpunkt noch – Tabellenführers. So gut wie kein Pass kommt an. Was man dem SSV immer zugutehalten kann: An der mangelnden Einstellung liegt es natürlich nicht. Wenn schon nicht an spielerischen Leckerbissen, so kann man sich wenigstens am unbeugsamen Willen eines Rasim Bulic oder Konrad Faber hochziehen, an denen nach Löwenkräften gezerrt wird, die sich aber beide durchbeißen.
60 sorgt für Nervenkitzel
Lediglich nach einer von neun – meist in die Handschuhe von 60-Keeper David Richter bugsierten –Ecken, wird es etwas brenzlig, als Jesper Verlaat den Ball unfreiwillig an den Pfosten verlängert (60.). Oscar Schönfelders Pass von links verfehlt der eingewechselte Elias Huth um Zentimeter (71.). Ansonsten? Einen klassischen Flankenlauf Fabers samt Flanke von rechts verpasst Kother hauchzart. Und Bulic schickt abermals Kother genauso hauchzart ins Abseits, aus dem er allerdings die Kugel allein vorm Keeper ohnehin knapp neben den Pfosten setzt (75.).
Für echten Post-Halloween-Nervenkitzel aber sorgen zumindest in der regulären Spielzeit fast ausschließlich die Blauen. Der wieder tadellose Torwart-Rückhalt Felix Gebhardt lenkt auch Vrenezis zweite Granate aus etwa 17 Metern gerade so über das rechte Lattenkreuz (74.). Auch eine Dreifachchance bringen die 60er nicht über die Torlinie: Vrenezi zieht von rechts nach innen, sein Abschluss wird abgeblockt. Marlon Frey krallt sich die Kugel, Robin Ziegele steht im Weg. Und Tim Rieders unplatziertes Schüsschen ist letztlich eine milde Gabe für Gebhardt ab (86.).
Drei Minuten auf dem Platz: Doppel-Joker-Treffer
Wenn du denkst, es geht nichts mehr … Die reguläre Spielzeit ist bereits passé, als zwei, erst in der 89. Minute eingewechselte Joker ihren großen Auftritt haben. Joel Eichinger mit dem weiten Ball in den Strafraum, Tobias Eisenhuth holt die Kugel mit der Brust herunter und zirkelt sie volley via rechten Innenpfosten ins Löwenherz, 0:1 (90. +2).
Was folgt, ist die pure Emotion, auf die wir heute sehr, sehr lange warten mussten: Jahn-Spieler außer Rand und Band fallen übereinander her, Fans, die aus dem Häuschen das späte Glück feiern – die Spielertraube reißt dabei unfreiwillig die Bande ein, eine moderate Revanche für den Sitzschalen- und Stangenwurf von 2017.
1860 muss am kommenden Samstag, 14 Uhr, beim Bayern-Bezwinger 1. FC Saarbrücken ran. Der SSV Jahn Regensburg liefert sich im Abendspiel am Sonntag, 19.30 Uhr, ein Verfolgerduell gegen den starken Aufsteiger und Namensvetter SSV Ulm.
Stimmen zum Spiel: Drei Erfolgs-Komponenten
Auch für Jahn-Coach Joe Enochs ist der siebte Sieg in Folge auf den letzten Metern ein „absoluter Wahnsinn“: „Es war ein sehr ausgeglichenes Spiel“, bilanziert er die 90 Minuten davor, „wir haben diese eine gefährliche Situation und sind glücklich, dass wir das Spiel noch gewonnen haben.“ Dass die Regensburger immer wieder im Schlussspurt Punkte einsammeln, läge vor allem an drei Komponenten: „Die Jungs sind richtig fit, wenn wir einwechseln, machen die Jungs, egal wer, die reinkommen, einen Unterschied, und drittens, die Jungs glauben an sich.“
Besonders freut er sich für Tobias Eisenhuth, der mit seinem ersten Profi-Tor überhaupt den Dreier festgemacht hat: „Normalerweise ist er ein Freistoßspezialist, heute hat er nachgewiesen, dass er ein cooler Fußballer ist.“ Und was sagt der Matchwinner selbst? „Das ist einfach ein geiles Gefühl, für uns alle, die Fans.“ Der Flow, auf dem man dahingleite, begünstige, „dass man immer weiter macht, ob Rückstand oder schweres, langes Spiel wie heute, in dem man nicht richtig drin ist – wir belohnen uns auch immer sehr spät, arbeiten hart, weil jeder für den anderen kämpft, die Chemie stimmt.“ Dieses geile Gefühl übertrage sich: „Das trägt uns relativ weit.“
Der enttäuschte 60er Albion Vrenezi, der selbst zum Matchwinner avancieren hätte können, trauert seinen zwei Chancen hinterher: „Ich finde es sehr schade, dass wir auch noch zum zweiten Mal in Folge in der Nachspielzeit verloren haben.“ Heute sei auf jeden Fall ein Punkt drin gewesen: „Mit etwa mehr Glück auch ein Dreier“ – immerhin gegen eine Mannschaft, die auf dem ersten Tabellenplatz gestanden sei: „Den zweiten Schuss habe ich eigentlich schon drin gesehen, den hat der Torwart sehr gut rausgeholt.“
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