Künstler, Bürgermeister, Oberpfälzer: Mit Jürgen Huber im Gespräch

Weiden/Schönsee. In der Ausstellung „Hey Hey I saved the world today" zeigt Jürgen Huber aktuell seine "Rettungsversuche" im Kunstverein. Ein erfolgreicher Künstler und Oberpfälzer.

Jürgen Huber (links) und Wolfgang Herzer (rechts) im Kunstverein. Foto: Stefan Voit
Jürgen Huber (links) und Wolfgang Herzer (rechts) im Kunstverein. Foto: Stefan Voit
Foto: Stefan Voit
Foto: Stefan Voit
Foto: Stefan Voit
Foto: Stefan Voit
Die Ausstellung ist noch bis zum 23. Juli geöffnet. Foto: Stefan Voit
Die Ausstellung ist noch bis zum 23. Juli geöffnet. Foto: Stefan Voit
Rettungsversuche: Eine Ausstellung von Jürgen Huber. Foto: Stefan Voit
Rettungsversuche: Eine Ausstellung von Jürgen Huber. Foto: Stefan Voit
Schön und gefährlich. Gerade für Kinder können die Hülsen tödlich sein. Foto: Josef Pilfusek
Schön und gefährlich. Gerade für Kinder können die Hülsen tödlich sein. Foto: Josef Pilfusek
Stefan Voit
Stefan Voit
Stefan Voit
Stefan Voit
Stefan Voit
Josef Pilfusek

Vom freischaffenden Künstler zum Bürgermeister von Regensburg und wieder zurück. Der gebürtige Altenstädter – und jetzt in Schönsee lebende – Maler und Schriftsteller Jürgen Huber (69) kann auf ein erfolgreiches Künstlerleben zurückblicken. In der aktuellen Ausstellung „Hey Hey I saved the world today“ zeigt er im Kunstverein Weiden seinen Zyklus „Rettungsversuche“ in neuem Gewand.

Interview mit Jürgen Huber:

Sie sind in Weiden auf das Kepler-Gymnasium gegangen. Das haben Sie immer als für Sie besonders wichtig betont. Nun kommen Sie nach Jahrzehnten zurück in den Kunstverein Weiden. Hat die Ausstellung etwas Spezielles, direkt mit Weiden zu tun?

Jürgen Huber: Das ist in der Tat eine wichtige Frage! Ja, meine wirklich wunderbare künstlerische Laufbahn hat im Kunstunterricht am „Kepler“ und in den Schnitzereien der Klosterbibliothek von Waldsassen ihre Anfangsbegeisterung. Am Jugendzentrum die erste Ausstellung zusammen mit Elmar Göppel, im „Waldsassener Kasten“ (heute Keramikmuseum), in der FOS Gestaltung. Ich hatte zwei großartige Kunstlehrer, den einen nur ein halbes Jahr, dann hatten ihn die Kolleginnen und Kollegen im Lehrerzimmer schon nach München weg vergrault. Weiden habe ich meine „Kunst-Taufe“ zu verdanken.

Sollte Malerei nicht überall funktionieren?

Jürgen Huber: Da Malerei auf Leinwand transportabel ist, muss sie überall funktionieren, also auch in New York und Danzig, in Klagenfurt und München. Dort habe ich ausgestellt und gemalt. Es hat funktioniert, denn die „Sprache“ der Kunst ist universell, sie kann überall auf eigene Art und Weise verstanden werden. Sie entsteht nach meinem Dafürhalten und erst vollständig im Auge der Betrachtenden. Die Vernissage ist sozusagen die Geburt der Kunstwerke, der Kunstverein, wenn man so will, ist der Kreissaal. Wenn die Bilder gekauft werden, dann ist das, um im Bild zu bleiben, wie eine Einschulung mit Schultüte, die Aufnahme in die Museumssammlung wäre demnach das Studiendiplom. Aber klar, das geht von einem autonomen Kunstwerksbegriff aus und sieht nicht so sehr den Personenkult der Kunst-Märkte im Vordergrund.

Die ersten Rettungsversuche-Bilder sind vor etlichen Jahren entstanden, immer noch arbeiten Sie an der Groß-Serie. Was hält Sie an dem inzwischen stattlichen Zyklus so lange fest?

Jürgen Huber: Auch das ist natürlich spannend, wie so vieles in meinem Künstlerleben als Autodidakt, der sich alles selber „zurechtlegen“ musste. Ich habe mich früh mit Theorie und Handwerk beschäftigt, mit Kopf-Arbeit nach der Hand-Arbeit. Ich bin oft abends in der Unibibliothek eingeschlafen, weil ich nach einem echt anstrengenden Arbeitstag (als Drucker und Verleger) nicht selten müde zum selbst „gestrickten“ Kunstgeschichts-, Kunsttheoriestudium gekommen war. Überhaupt, wir haben in Regensburg viel diskutiert, die Künstlergruppe WARUM VÖGLEL FLIEGEN, bestehend aus Wolfgang Keuchl, Uli. B Pöppl und Jürgen Huber, organisierte viele, viele Veranstaltungen mit extrem interessanten Dozierenden und Kunstbewegenden.

Aber Gruppe ging ja irgendwann zu Ende…

Jürgen Huber: Als sie nach sieben Jahren keinen Halt mehr bot, hatte ich Sehnsucht, mal ganz besonders spontane Bilder zu malen, „schnell und schmutzig“ sozusagen, Punk, „gnadenlos gedankenlos“. Das hat Spaß gemacht und mich vor Interpretationsaufgaben gestellt. Mit der Zeit sind auch wieder konstruktivere Malstrategien eingeflossen oder auch mal gekonnte Maltechnik. Interessant ist ja viel mehr, was man nicht kann. Es sind gut 130 Rettungsversuche-Bilder, alle 50 mal 50 Zentimeter, insgesamt ist das hoffentlich frech genug geblieben. Die Bilder wollen ja auch nicht als Einzelbild, ja vor allem nicht als Imponierbild daher kommen, sondern eher wie der pfeifende Gassenjunge. Wie eine “Gang.”

Nach 40 Jahren Leben in und um Regensburg und halbjährigen Lebensphasen in London und Mailand sind Sie in einem großen Haus mitten in Schönsee angekommen, auf dem „Hauptkamm“ des Oberpfälzer Waldes, wie Sie immer wieder betonen. Wollten Sie nicht zu Zeiten in noch größere, wichtigere Städte weiterziehen?

Jürgen Huber: Lange war mir selbst Regensburg – als Künstler jedenfalls – zu klein, zu wenige Sammler, zu wenige Kunstinteressierte, nur wenig reife Gesprächspartner, ja leider keine Kunsthochschule. Aber die längeren Aufenthalte in Mailand, London, Berlin, dann auch Nykarleby in Finnland, Räber in Zürich oder die vielen Monate in Polen, bei meinen Künstlerfreunden Jan Pruski (Olsztyn) und Prof. Henrik Czesnik (Gdansk) zum Beispiel, aber dann doch auch die kunstärmere Zeit im Regensburger Rathaus, als Bürgermeister, das alles zusammen hat sich jetzt wie ganz von selbst auf Schönsee kapriziert. Holla die Waldfee! Auf viel Platz, viel Zeit, viel Muse und der dezentralen Möglichkeit noch mal richtig in die Tiefe zu gehen, mit wenig wohlfeiler Ablenkung und viel geschenkter Konzentration. Das macht mir trotz anfänglicher Bedenken jetzt viel Freude und ich meine, man sieht es meiner Kunst an.

Man sieht es meiner Kunst an Jürgen Huber

Die Ausstellung ist noch bis zum 23. Juli geöffnet. Foto: Stefan Voit

Spielt die Kulturlandschaft, spielt Ostbayern, spielt dieser besondere Schlag von Menschen eine Rolle in Ihrer Kunst? Gibt es da eine Erdung oder einen Blitzableiter in die Oberpfalz?

Jürgen Huber: Ganz entschieden, ja. Ich habe mich als großstädtischer Berufspolitiker in Regensburg immer zugleich als Ostbayer gesehen. Nicht so böse schimpfend, wie einer unserer Jugendhelden, Herbert Achternbusch, der sagte, man solle es ihm ruhig anmerken, dass ihn Niederbayern so kaputt gemacht hat. Ich bin zwar 1979 aus der Nordoberpfalz geflüchtet, aber nicht vor der Oberpfalz, sondern vor dem „laiber niat“. Vor dem Pessimismus, vor dem Neid der vielen Ängstlichen, die es ja tatsächlich gab. Vielleicht wie Eugen Oker von Schwandorf nach München. Es gibt heute in der angesprochenen Region aber sensationelle „Dinge“, die von viel größeren Menschenansammlungen nicht übertroffen werden. In der Wirtschaft und zusammen mit dem Schleppschiff Regensburg.

Gab es Vorbilder dafür?

Jürgen Huber: Ein Vorbild für „Erdung“, für den schützenden Hafen und nicht nur für mich, waren immer schon Gretel und Erwin Eisch, bei denen ich richtig oft glückliche Kunstmomente hatte. In der Sommerakademie, in der Wohnküche der beiden auch oder im Gistl, mit Stan Dengler, nahe dem Glasmuseum. Auch mit Prof. Katharina Eisch (Graz), Mark Angus und vielen internationalen Größen der Künste. Und alles in der Peripherie! Bernhard Setzwein in Waldmünchen, das Cordonhaus in Cham, die Galerie im Woferlhof hoch über Bad Kötzting, Susanne Neumanns Badehaus in Maiersreuth, das grandiose Lothar Fischer Museum in Neumarkt, Willi Kochs Luftmuseum in Amberg, man könnte vieles aufzählen. Ein echtes „Helgoland“ in der rauen Brandung Ostbayerns war aber die letzten 30 Jahre der Kunstverein Weiden, hervorgegangen aus der Galerie Hammer-Herzer. Da bin ich (im Geiste und im Gemüt) wenn man so will mit Blixa Bargeld, Sepp Frank, den Eischs, den SPUR-Leuten und einigen aus dem Umfeld gerne “an Land” gegangen, wenn auch die Gischt hoch über uns zusammenschlug, wenn auch der Landesteg nicht immer richtig rutschfrei war.

Wie wichtig war/ist Wolfgang Herzer, langjähriger Motor und Leiter des Kunstvereins?

Jürgen Huber: Als Karl Aichinger, Wolfgang Keuchl, Wolfgang Grimm und Max Bresele schon so früh tot waren, schickte Wolfgang Herzer sein Leuchtfeuer hinaus ins stürmische Leben. Ich konnte mich aber sowieso an vielen Künstlerinnen und Künstler auf der ganzen Welt wie Asger Jorn, Cy Twombly oder Nancy Spero erfreuen, an Nick Cave, Philipp Guston und an den Residents, ich fühlte mich von „Gelungenem“ gerne selbst entzündet, nicht nur als Produzent, auch als konsumierender Rezipient. Als Zündfunken des Filmprojektors im eigenen Hirnkastl.

Was ist das Wichtigste in so einem Künstlerleben in Ostbayern? Was ist notwendig, vielleicht auch an Infrastruktur, dass man so gelungen mit und von Kunst leben kann?

Jürgen Huber: Ich hatte das große Glück, aus dem Hinterhof der Glasfabriken heraus, durch demokratisierte Schulen, in einem durchlässigen Schulsystem als Arbeiterkind doch irgendwie weltoffene Bildung zu bekommen – obwohl noch viele Nazis herumliefen, als ich im Weltmeisterjahr 1954 geboren wurde. Wenn man so will, war für den schon politisierten Jung-Oberpfälzer Wackersdorf, der Widerstand gegen die WAA, die Bürgerinitiativen eine gute „Schule“ für Herz und Verstand. Die Auswirkungen der Uni auf das Leben in der Stadt Regensburg, die Diskurspersönlichkeiten, die Möglichkeiten, teils selbst geschaffen und die Selbstermächtigungspower der Pop-Kultur, BR, vor allem Zündfunk und Derivate. Dr. Veit Loers in der Städtischen Galerie Regensburg, der Welt-Kunst-Ansprüche vorlebte. Kunstfreunde wie die Knyrims oder Rudi Pospieszcyk, ja, aber am meisten die Liebe meiner Mutter und der Wettbewerbsgeist meines Vaters.

Und was ist dafür nötig?

Jürgen Huber: Das “empowerment” auf jeden Fall, um es mal auf neudeutsch zu sagen. Gerade das von wohlhabenden Personen, die nicht nur auf der freeze-art in London ihre Kunst erstehen, um den Stempel der Community hinten drauf zu haben. Wenn Menschen nicht die „Propheten“ im eigenen Land erkennen, dann kann sich auch keine „Ungewöhnlichkeit“ entwickeln. Das geborene Genie, das gibt es, glaub ich, nicht. „Alles Entwicklung“ hätte Franz Zappa vielleicht gesagt und „Rapp it Up, Po-Jama People“. Charly Aichinger hätte ihm sicher milde zugestimmt.

Infos zur aktuellen Ausstellung:

Ausstellung „Rettungsversuche“ im Kunstverein Weiden

Vernissage: Freitag, 16. Juni, 20 Uhr

Ausstellungsdauer: bis 23. Juli

Weitere Infos zum Kunstverein gibt es hier. Mehr über Jürgen Huber ist hier zu finden.

* Diese Felder sind erforderlich.