[Update] Pflegedienst-Prozess: Das verdienen osteuropäische Pflegerinnen

Regensburg. Eine Lohnbuchhalterin hat als erste Zeugin im Prozess gegen einen Pflegedienst-Geschäftsführer ausgesagt. Demnach beschäftigte das Unternehmen bis zu 300 Osteuropäerinnen, die im Haushalt von Pflegebedürftigen in der Region wohnten. Sie verdienten zwischen 1.100 und 1.360 Euro netto im Monat.

Johann R., Geschäftsführer eines Pflegedienstes aus dem Landkreis Neustadt/WN, muss sich seit Mittwoch vor dem Landgericht Regensburg verantworten. Foto: Christine Ascherl

Am Landgericht Regensburg hat am Mittwoch der Prozess gegen den Geschäftsführer (63) eines Pflegedienstes aus dem Landkreis Neustadt/WN begonnen. Als erste Zeugin wurde eine Bürokauffrau vernommen, welche die Löhne für die osteuropäischen Pflegekräfte berechnet hatte.

Demnach verdienten die Slowakinnen monatlich zwischen 1.100 Euro (Pflegestufe I) bis 1.360 Euro netto (Stufe III). Kost und Logis im Haushalt des Pflegebedürftigen waren frei. Die Frauen arbeiteten vier Wochen am Stück, dann hatten sie (ohne Bezahlung) einen Monat frei.

Täglich abgerechnete Arbeitszeit: 90 bis 300 Minuten

Die Bezahlung war je nach Pflegestufe des Patienten gestaffelt: In Pflegestufe 1 wurden 90 Minuten tägliche Arbeit abgerechnet (Grundlage: Sozialgesetzbuch XI), für Stufe 2 waren es drei Stunden, für die höchste Pflegestufe waren es fünf Stunden. (Hinweis: Seit 2017 sind die früheren drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade ersetzt worden)

Genau diese Stunden wurden mit den osteuropäischen 24-Stunden-Pflegerinnen mit Mindestlohn abgerechnet. Und keine Minute mehr. „Der Rest war Rufbereitschaft, in der sie anwesend waren“, sagte die Mitarbeiterin vor Gericht. Aufzeichnungen über die tatsächlich geleistete Arbeit in den Haushalten seien nicht geführt worden.

Die Frauen seien von einem slowakischen Taxiunternehmen in den Landkreis Neustadt/WN gebracht worden und wechselten sich im Vier-Wochen-Rhythmus ab. Die Vorstellungsgespräche liefen vorher per Telefon. Eine Mitarbeiterin spreche slowakisch. Sie erläuterte den Bewerberinnen den Arbeitsvertrag. Neben mehreren Bürokräften beschäftigte die GmbH zudem vier Bereichsleiterinnen, die wöchentlich einmal in den Familien nach dem Rechten sahen.

Verteidigung: Modell hatte Vorteile für alle Seiten

Der Angeklagte verteidigte zum Prozessauftakt über seinen Anwalt das Konzept. Verteidiger Dr. Georg Karl: „Mein Mandant hat sich darauf verlassen, dass sein Pflegekonzept sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.“

Verteidiger Dr. Georg Karl verlas im Namen seines Mandanten eine Erklärung. Darin verteidigte dieser sein Pflegekonzept, das von Behörden nie beanstandet worden sei. Es sei vielmehr im Sinne aller Beteiligten gewesen: Den Pflegekräften aus Osteuropa seien die Wohnungsanmietung und Fahrten zum Einsatzort erspart geblieben. Auch für die Pflegebedürftigen sei das Konzept vorteilhaft. Sie könnten sich auf gewohnte Pflegekräfte zur passenden Zeit verlassen, anders als beim ambulanten Pflegedienst, wo die Leistungen in einen Tourenplan eingepasst werden müssten.

Zu keiner Zeit sei von den Osteuropäerinnen verlangt worden, 24 Stunden am Tag zur Verfügung zu stehen. Im Gegenteil: Der Angeklagte habe seine Mitarbeiter immer wieder darauf hingewiesen, dass nur vereinbarten Zeiten und Tätigkeiten zu erbringen sind.

Das Thema „Mindestlohn für Bereitschaftszeiten“ sei erstmals 2011/2012 bei einer Prüfung durch das Hauptzollamt Weiden erörtert worden. Der Prüfer habe ihn damals darauf hingewiesen, dass es Gerichte gäbe, die bei Live-in-Pflegekräften Bereitschaftszeiten sähen. Der Geschäftsführer habe ihm daraufhin das Arbeitszeitgesetz ausgedruckt und gemeint, die Problematik stelle sich bei dieser Form der häuslichen Pflege nicht. So sei man verblieben. In der Folge habe es nie eine weitere Beanstandung gegeben.

Staatsanwaltschaft: Pflegekräfte mussten 24 Stunden bereitstehen

Die Staatsanwaltschaft Regensburg wirft dem 63-Jährigen 112 Fälle des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt vor. Konkret geht es um etwa eine Million Euro, hauptsächlich von Krankenkassenbeiträgen, die der Angeklagte 2015 und 2016 nach Ansicht der Ermittlungsbehörde zahlen hätte müssen.

Hintergrund: Die Agentur vermittelte Pflegekräfte aus Osteuropa, die im Haushalt des Pflegebedürftigen lebten. Nach Ansicht des Hauptzollamtes Weiden, Finanzkontrolle Schwarzarbeit, hätten Bereitschaftszeiten bezahlt werden müssen. Vergütet worden seien aber nur die je nach Pflegestufe festgelegten Stunden. „Obwohl die Pflegekräfte, wie der Angeklagte wusste, den Patienten den ganzen Tag über und auch in der Nacht nach Bedarf zur Verfügung stehen mussten“, so Staatsanwältin Sabine Dümmel.

Am Mittwoch startete die Beweisaufnahme mit den ersten fünf Zeugen. Es sind Verhandlungstermine bis Mai angesetzt.

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