Landgericht Weiden: Kein Zweifel an Hirntod

Weiden. Die 1. Zivilkammer am Landgericht Weiden fällt am Freitag ein eindeutiges Urteil. Aus Sicht der Richter ist der Hirntod an einer 58-jährigen Patientin im Klinikum Weiden im September völlig korrekt festgestellt worden.

Verhandlung mit Blick zum Klinikum: Die 1. Zivilkammer befasst sich mit dem Fall einer hirntoten Patientin. Links Anwältin Alexandra Glufke-Böhm, rechts Klinik-Justiziarin Dr. Christa Kraemer und Anwalt Dr. Philip Schelling. Foto: Christine Ascherl

Damit wäre der Totenschein mit Datum vom 29. September 2023 gültig. Ab diesem Zeitpunkt zahlt die Krankenkasse nicht mehr. Für die 106 Tage der Behandlung auf der Intensivstation müsste damit die Familie aufkommen. Der Betrag ist sechsstellig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Rechtsmittel sind möglich.

Die Kostenfrage war am Freitag ohnehin nicht das Thema. Es ging vielmehr um die ursprüngliche Klage des Ehemanns. Darin beantragte er die Fortführung lebenserhaltender Maßnahmen und der Tumortherapie bei seiner Frau. Dieser Punkt “hat sich erledigt”, sagt Anwältin Alexandra Glufke-Böhm, Vertreterin des Ehemanns, trocken. Die Klägerin ist letzten Freitag verstorben. Ihr Herz hat aufgehört zu schlagen.

Aktuell bleibt aber nach wie vor der zweite Aspekt der Klage: Darin beantragt der Ehemann, die Hirntodfeststellung und damit die Todesbescheinigung für ungültig zu erklären. Er war am Freitag nicht selbst zur Verhandlung gekommen.

Richter: “Kein Zweifel an Hirntod”

Die 1. Zivilkammer am Landgericht Weiden unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsident Josef Hartwig entscheidet gegen ihn. Um 12.10 Uhr verkündet Hartwig das Urteil. Die Klage wird komplett abgewiesen, der Ehemann müsste auch die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Die Entscheidung basiert auf der Hauptverhandlung vom 20. Dezember 2023. An diesem Termin hatte das Gericht das mündliche Gutachten einer Sachverständigen, Dr. Stefanie Förderreuther, eingeholt, die am Vormittag die Patientin untersucht hatte. “Sie hat aus unserer Sicht klar und deutlich und nachvollziehbar dargelegt, was medizinisch Fakt war”, so Richter Hartwig. Und weiter: “Wir haben keinerlei Zweifel daran, dass der Hirntod gegeben war.”

Warum hat sich Gerichtsverfahren so gezogen?

Hartwig fasst kurz die Chronologie der Ereignisse zusammen: Die seit Jahren krebskranke Frau kommt im Juli 2023 ins Klinikum, sie hat Schluckbeschwerden und Sehstörungen. Das MRT zeigt Tumore im Gehirn. Ende August fällt sie ins Koma: eine Folge der Krankheit (so die Ärzte), die Folge einer Fehlbehandlung (sagt der Ehemann). “Dieser Punkt ist für die Zivilkammer irrelevant”, meint der Vorsitzende Richter. Parallel läuft ein Ermittlungsverfahren der Kripo, in Gang gesetzt vom Ehemann.

Das Gericht geht davon aus, dass die Patientin schon im Sommer 2023 hirntot war. Die Ärzte diagnostizieren im August einen “mit dem Überleben nicht zu vereinbarenden Gehirnschaden”, verursacht durch Sauerstoffmangel. Sie schlagen ein Abschalten der Beatmung vor. Der Ehemann wehrt sich. “Vielleicht auch aufgrund der Vorgeschichte”, sagt Richter Hartwig: Beinahe zwei Jahrzehnte hat die Patientin an Krebs gelitten und Prognosen der Ärzte um viele Jahre überdauert.

Drei ärztliche Gutachter, fünf Gerichtstermine

Es kommt zu drei Terminen auf der Intensivstation, an denen insgesamt fünf Mediziner die Frau untersuchen: Ende September, im Oktober und Dezember. Sie kommen zum Schluss, dass ein irreversibler Ausfall der Hirnfunktion vorliegt. Parallel kommt es zu fünf Gerichtsterminen. Noch vor der Hirntod-Feststellung beantragen die Kliniken (vergeblich) einen vorläufigen Betreuer statt des Ehemanns einzusetzen. Begründung: das hohe Konfliktpotenzial und der psychische Ausnahmezustand des Ehemanns.

Es folgt ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Fortführung der Therapie. Das Amtsgericht entscheidet im Oktober im Sinne des Ehemanns, ebenso das Landgericht Weiden in der Berufung im November: Die Maschinen bleiben zunächst an. Die Entscheidung soll letztlich die 1. Zivilkammer am Landgericht treffen. Das Gericht beruft eine eigene, dritte Gutachterin. In einer Verhandlung im Dezember bestätigt die Neurologin den Hirntod. Ein Urteil wird für den heutigen Freitag, 19. Januar, geplant. Die Entscheidung „Abstellen oder nicht“ muss letztlich niemand mehr stellen: Eine Woche zuvor hört das Herz der Patientin zu schlagen auf.

Letzter Krankenbesuch mit Polizeibegleitung

Weitere Gerichtstermine sind nötig, weil sich der Ehemann gegen ein Hausverbot wehrt, begründet mit aggressivem Verhalten. Der 61-Jährige darf seit Oktober nicht mehr an das Krankenbett seiner Frau. Erst zum Verabschieden an ihrem Todestag gewährt man dem Ehemann nach eigener Auskunft Einlass – in Polizeibegleitung.

Das Gericht geht davon aus, dass der Rechtsstreit mit dem Urteil vom Freitag kein Ende finden wird. “Es ist uns schon klar, dass das Ganze noch einmal beim Oberlandesgericht Thema wird”, vermutet Hartwig. Die Kammer wisse nicht, “warum es zu dieser außergewöhnlichen Situation gekommen ist, warum hier ein vernünftiges Gespräch offensichtlich nicht mehr möglich war”.

Hirntoddiagnostik über Transplantationsgesetz geregelt

Am Ende habe der Ehemann das gesamte Hirntod-Konzept in Abrede gestellt. Der Landgerichtsvizepräsident: “Wir sehen uns hier nicht in der Veranlassung, uns über die Rechtmäßigkeit der Richtlinie zu äußern.” Zur Erklärung: In Deutschland wird die Hirntod-Diagnostik gemäß dem Transplantationsgesetz (TPG) von der Bundesärztekammer geregelt. Zuletzt wurde die in Deutschland dafür maßgebliche Richtlinie im Dezember 2018 überarbeitet.

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