Liederabend in Pressath: “Die Winterreise” in bewegter Zeit

Tenor Adnan Barami aus Erbendorf im Pressather Pfarrsaal

Pressath/Erbendorf. "Nun ist die Welt so trübe": Ein Liederabend mit der „Winterreise“ von Franz Schubert beim Kulturkreis Pressath und Umgebung erinnerte musikalisch an die brandaktuelle Lage in Europa.

Der Tenor Adnan Barami aus Erbendorf interpretierte den Liederzyklus “Die Winterreise” von Franz Schubert im Pressather Pfarrsaal mit elanvoller Stimme. Er wurde am Piano von Jakob Schröder aus Tirschenreuth zuverlässig begleitet. Foto: Heiner Brückner

Der sängerisch beeindruckende Abend im gut gefüllten Pfarrsaal war aber noch viel mehr. So schlicht es beim Kunstlied nur um den Text und die Musik geht, so komplex sind die Inhalte. Sie erzählen von Tod, Schmerz oder Liebe, aber auch Terror, Krieg, Rassismus und Hass.

Getrübte Grundstimmung

In Anbetracht der brandaktuellen Lage in Europa gewinnt die schwermütige Abschiedsstimmung der “Winterreise” vielmehr zusätzlich eine verstärkte Traurigkeit über das Leid, das ein russischer Machthaber seinem Brudervolk und Nachbarland durch den brutalen Angriffskrieg derzeit zufügt und auch uns in Angst und Schrecken versetzt. Unwillkürlich wurde das Programm des Kulturkreises Pressath und Umgebung dieser getrübten Grundstimmung gerecht.

Parabel für das Leben des Komponisten

Bereits das erste Lied “Gute Nacht” bringt die Lage in einem Vers auf den Punkt: “Nun ist die Welt so trübe”. “Die Winterreise” geht praktisch mitten im Unglück los. Angst ergreift den Wanderer, nicht mehr heraus zu finden. Sie steht ferner als Parabel für das Leben des Komponisten Franz Schubert, der mit 31 Jahren früh gestorben ist. Zutiefst betroffen war er auch vom Tod des Dichters und des großen Beethoven im gleichen Jahr. Das versetzte ihn in eine körperlich und seelisch schlechte Verfassung. Die beiden Wanderer (der Dichter und der Komponist) hinterließen der Nachwelt mit der Erzählung ihrer Winterreise eine tiefsinnige Botschaft.

Interpret mit viel Elan

Der junge Interpret des Liederabends, Adnan Barami aus Erbendorf, gestaltete die Doppelbödigkeit der Texte zunächst mit kraftvollem Elan aufmunternd. Im “Frühlingstraum” erreichte er seinen Gipfel: “Ich träumte von bunten Blumen … im Mai”. Da funkelten beim ton- und lautverliebten Tenor die Gefühle aus den romantischen Phrasen, die er in lyrischer Färbung sang. Hingegen tönte er bei der kurzen Aufmunterung “Mut” kraftvoll “lustig in die Welt hinein”.

Hohe Konzentration

Die Folge der 24 Lieder sang er ohne Pause textsicher und stimmungsmalerisch angepasst. Dazu unterstrich er mit wenigen intensiven Gesten und – wohl schauspielerisch geschulter – Mimik seine hohe Konzentrationsfähigkeit. Der stets zuverlässige Begleiter Jakob Schröder garantierte in sängerfreundlichem Tempo sensibles Musizieren und passende Atmosphäre. Die zweite Hälfte des Liederzyklus gestaltete Barami ruhiger in erzählerischem Duktus. Das kam dem projizierten literarischen Bild des Wanderers in eine verdunkelte Zukunft entgegen, die möglicherweise unsere Zukunft geworden ist. Und es führte zur Schubert’schen Grundstimmung der Einsamkeit und zur zeitgerechten Weltlage zurück.

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