Missbrauch von Notruf: Vohenstraußer zieht Show ab

Weiden. Der Missbrauch von Notrufen und falsche Verdächtigung bringen einen Vohenstraußer (28) beinahe hinter Gitter. Der Mann stand unter laufender Bewährung, als er im Juni 2022 eine oscarreife Show hinlegte.

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Foto: OberpfalzECHO (Archiv)

Der amtsbekannte Vohenstraußer hatte im Juni 2022 schon den ganzen Tag über die Polizei gerufen, weil er mit einem Bekannten im Dauerstreit stand. Kurz vor Mitternacht klingelte der 28-Jährige wieder bei der Wache an. Er werde von dem Bekannten angegriffen. Die Streife trennte die Streitenden vor dem Mehrfamilienhaus. Dabei setzte ein Polizist dem 28-Jährigen eine Hand auf die Brust und schob ihn weg.

“Ohne Anlass lief er zu einer Straßenlaterne, umrundete diese mehrfach und ließ sich schreiend zu Boden fallen”, beschreibt Staatsanwalt Wolfgang Voit in der Anklage. “Er schrie, als ob er von tausend Messern gestochen würde”, schildert ein Nachbar. Unter anderem brüllte der 28-Jährige, von dem Polizisten geschlagen worden zu sein. Der Augenzeuge widerspricht: “Der Polizeibeamte hat überhaupt nichts gemacht und sicher nicht geschlagen.”

Rieseneinsatz ausgelöst

Der 28-Jährige wälzte sich minutenlang auf dem Boden. Er behauptet heute noch steif und fest, seine Beine nicht mehr gespürt zu haben. Ihr Mandant habe sich in einer Panikattacke befunden, verteidigt ihn Anwältin Ilka Lang-Seifert, zudem leide er an einem Halswirbelsyndrom. “Ich habe ein paar Mal um einen Notruf gebeten und ihn dann selber angerufen”, erinnert sich der Angeklagte, noch immer sauer, dass man ihm nicht glaubte.

Vor dem Mehrfamilienhaus gab es in dieser Nacht ordentlich was zu sehen. Eine zweite Streife der Grenzpolizei traf ein. Dazu das Rote Kreuz. Im Sanka ging es für den 28-Jährigen in die Notaufnahme des Klinikums Weiden. Dort wurde ihm schnell langweilig. Sein Handyakku war auch leer. Er habe vergeblich nach einem Ladekabel gefragt. Nach 30 Minuten Warten auf den Arzt stand er auf und ging einfach.

Unter laufender Bewährung

Berufungsrichter Florian Bauer tut sich schwer mit der angeblichen Verletzung: “Erst liegen Sie dramatisch auf dem Boden und dann gehen Sie ohne Behandlung wieder heim? Entweder es ist ernst oder nicht.”

Die Showeinlage kostet dem 28-Jährigen beinahe die Freiheit. Der Berufslose ist achtfach vorbestraft. Zuletzt 2022 zu einem 1 Jahr 8 Monaten Haft, weil er an einem Badeweiher bei Moosbach zwei Teenager belästigte und dann einen zu Hilfe eilenden Mann niederdrückte. Sein Vorstrafenregister liest sich nicht gut: Sachbeschädigung, Drogendelikte, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung.

Die Bewährungshelferin bestätigt eine “Impulskontrollstörung”. Der ehemalige Crystal-Konsument stamme aus einem problematischen Elternhaus, kam früh in Kontakt mit Drogen. “Er trägt sein Packerl aus der Kindheit immer noch mit.” Die psychischen Probleme und die Suchterkrankung müssten aus ihrer Sicht unbedingt einmal ordentlich therapiert werden – und zwar stationär und mindestens ein Jahr. Ansonsten seien weitere Gewaltdelikte zu befürchten.

Statt Gefängnis noch “eine allerletzte Chance”

Genau diese Chance bekommt er nun. “Ihre allerletzte Chance”, wie Richter Bauer betont. “Sie sind fast 30. Wenn Sie Ihr Leben jetzt nicht in den Griff bekommen, dann sehe ich schwarz.” Die 2. kleine Strafkammer verurteilt den Vohenstraußer zu 6 Monaten Haft, die auf Bewährung ausgesetzt werden. Auflage: Er muss innerhalb des nächsten Jahres eine stationäre Soziotherapie antreten. Die muss mindestens ein Jahr dauern, er darf nicht abbrechen.

“Sonst geht es in den Bau”, warnt Staatsanwalt Voit, der sich von dieser Lösung auch überzeugen lässt: “Wenn wir ihn jetzt zwei Jahre ins Gefängnis stecken, werden wir den Angeklagten vermutlich endgültig verlieren.” Der Missbrauch von Notrufen sei kein Kavaliersdelikt. Es gäbe im Raum Vohenstrauß einen einzigen Krankenwagen in Lohma. “Wenn der weg ist, ist der weg. Wäre wirklich etwas passiert, wäre kein Krankenwagen verfügbar gewesen.”

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