Nabburger Dahoam-Star Gerstl: Kleiner Gerd Lohmeyer, ganz großer Volksschauspieler

Nabburg. Gerd Lohmeyer ist weit mehr als der schrullige Gerstl aus „Dahoam is Dahoam“. Der Volksschauspieler war auf Bühnen in Berlin, Hannover oder München sowie in Filmen wie „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“ und „Schuh des Manitu“ zu sehen. Teil 1: Seine Kindheit und Jugend in Nabburg.

Im Gespräch mit dem freundlichen Gerd Lohmeyer am Filmset von Lansing. Foto: David Trott

Gerd Lohmeyers Eltern lernen sich bei einem Urlaub an der italienischen Riviera kennen. Den Brandbombenhagel von Würzburg überlebt er eingewickelt in einem Kohlensack im Keller von Tante Judula. Weder Vater noch Mutter kommen aus der Oberpfalz. 

Ein aus Sicht des NS-Regimes kriegswichtiges Bauprojekt verschlägt den Vater in die Nähe von Nabburg. „Er war relativ neu in einer großen Baufirma in Hannover“, erzählt Lohmeyer, „und dann hieß es, dass er, obwohl er noch gar kein Diplom hatte, die Flussspat-Chemiefabrik der VAW (Vereinigte Aluminium-Werke) in Stulln aufbauen sollte.“

Prügel wegen Franz Josef Strauß

Mit russischen Kriegsgefangenen habe er das gebaut. „Bei denen war er sehr beliebt“, freut sich der Schauspieler. „Als das aufgelöst wurde, haben sie gesagt: ,Kommst mit nach Russland!’.“ Ein wahnsinnig freundlicher Mensch sei er gewesen, dieser Künstler, der sich Architektur draufgesattelt habe, um seine Familie zu ernähren: „Er konnte niemandem was zuleide tun.“ Wobei er selber mal Prügel eingesteckt habe, als er in Nabburg den CSU-Säulenheiligen Franz Josef Strauß infrage gestellt hat. „Das geht nicht“, sagt Lohmeyer verschmitzt, „und da haben sie ihn verprügelt, haha.“

Das Wohnhaus, das der Vater für die kleine Familie gebaut hat, steht heute noch. Lohmeyers Schwester, die er regelmäßig besucht, wohnt dort in der Nähe. Ein architektonisches Vermächtnis sei dies aber nicht. „Es gab ja damals keine Materialien“, beschreibt er das Gebäude „aus Dreck und Steinen – das halbe Haus war nur unterkellert und ansonsten gab es ein, zwei, drei Räume pro Stockwerk. 6 kleine Zimmerchen inklusive Küche.“ Damals habe die Straße noch Roter Bierl geheißen, dann Roter Bühl, noch später Kapellenweg: „Das ist vis-à-vis vom Oberen Tor, der Blick war schön, wir haben immer aufs Obertor geschaut.“

Mähntor im mittelalterlichen Nabburg. Bild: jrh

Kleiner Klaviervirtuose auf dem Hochsitz

20 Jahre hat der Schauspieler in Nabburg verbracht – seine ganze Kindheit und Jugend. „Mit 20 habe ich Abitur gemacht, weil sie mich erst mit 7 in die Schule gelassen haben.“ Womit man zwangsläufig auf die übersichtliche Größe des Energiebündels zu sprechen kommt. „Musik war meine größte Leidenschaft“, erzählt er. „Als ich mit sechseinhalb nicht in die Schule kam, habe ich wie ein Wahnsinniger Klavier gespielt.“ Das habe ihm irrsinnige Freude bereitet. „Mit 7 Jahren habe ich Haydn, Mozart, Beethoven gespielt, leichte Stückchen, aber immerhin.“

Sein frühes Virtuosentum habe ihm auch die ersten Lacher eingebracht. „Bis dahin hatte mir die Klavierschwester Cäcilia immer den Stuhl hinauf geschraubt.“ Als er dann im Nabburger Jugendwerk auftreten sollte und auf die Bühne ging, „da kam ich ans Klavier und in unsagbarer Höhe war bereits der Klavierstuhl. Ich wusste nicht, wie ich da raufkommen sollte – auf jeden Fall bin ich erst mit dem Bauch raufgesprungen und dann so hinaufgeklettert (rudert mit den Armen), die Leute haben sich sehr gefreut.“

Kleiner Virtuose am Klavier. Symbolbild: jrh

Gerds Premiere als Hadschi Halef Omar

Damit’s dann mit der Schulkarriere doch noch klappt, hat ihn sein Vater vor der Einschulung zum Rektor geschleppt: „Ich weiß noch, dass ich einen halben Max und Moritz zum Kennenlernen von dem Rektor Messeri aufgesagt habe“, sagt Lohmeyer grinsend. Die Wahl sei nicht zufällig auf den großen deutschen Humoristen gefallen: „Mein Großvater, den ich nie kennengelernt habe, war über eine Ecke befreundet mit Wilhelm Busch.“

Gerds schauspielerisches Talent weckt dessen Schwester Sylvie: „Sie war eine leidenschaftliche Karl-May-Leserin“, sagt Lohmeyer, „alles, dessen sie damals habhaft werden konnte, hat sie gelesen.“ Seine erste große Rolle nach dem Drehbuch der Schwester: „Hadschi Halef Omar, sie selbst hat den Kara ben Nemsi gespielt. Das war meine Lieblingsszene, wo sie auf der Lauer sind.“ Schwester Silvie ist jedenfalls begeistert von der Interpretation des Bruders: „Er hat seine Rolle vollkommen ausgefüllt, die Rolle wörtlich genommen und durch einen verräterischen Nieser beide in Lebensgefahr gebracht.“

Halef ist der treue, wenn auch nicht allzu clevere Diener, Begleiter und Freund des Alter Ego des Autors, der deutschen Abenteurerin Kara Ben Nemsi. Foto: Alchetron

Hauptrolle in Kästners „Emil und die Detektive”

Den nächsten großen Schritt auf den Brettern, die für ihn später die Welt bedeuten, macht er im Schultheater mit der Hauptrolle in Emil und die Detektive: „Es gibt einen Menschen, dem ich sehr viel zu verdanken habe, das war der Deutschlehrer Hönig.“ Der sei damals total abgemagert und Zaun dürr aus dem Krieg zurückgekehrt, in den er als blutjunger Soldat mit 16 geschickt worden war. „Der hatte einen Bezug zur Literatur, das war umwerfend gut.“ 

Dieser Lehrer habe das Laienspiel betreut in der 2. Klasse der Oberstufe – heute wäre das die 6. Klasse Gymnasium. „Er hat die Detektive inszeniert und mir den Emil gegeben“, sagt Lohmeyer, „das war total erfüllend für mich.“ Und obendrein ein Riesenerfolg. „Es waren zwei Vorstellungen angesetzt, fünf sind es geworden.“ Halb Schwandorf sei da rein gegangen. „Später habe ich mitbekommen, dass mein Vater das auch dem Erich Kästner geschrieben hat, und es gibt scheinbar auch einen Brief von Erich Kästner.“

Erich Kästner wäre stolz auf Nabburg: Das Ovigo-Theater führt Gerd Lohmeyers „Emil und die Detektive“-Tradition fort. Foto: Ovigo-Theater

Zierliche 158 Zentimeter

Der junge Lohmeyer, der davon träumt, Musiker zu werden, ist so was wie eine kleine Berühmtheit in Nabburg. Während aber andere Jungs in die Höhe schießen, bleibt der Gerd auch in der Pubertät bei zierlichen 158 Zentimetern stehen. „Mit 15, 16 war es am schlimmsten, man sieht es auf den Klassenfotos – da meint man, dass jemand seinen kleinen Bruder mitgebracht hat“, sagt er schmunzelnd. „Aber mein Gott, man passt sich an. Ich habe das gar nicht so als Problem empfunden.“ 

Die Mutter aber macht sich Sorgen, veranlasst eine Überweisung an die Würzburger Uniklinik inklusive Hormonbehandlung. Niemand kann sich so recht erklären, warum er – wie Oskar mit der Blechtrommel – einfach nicht wachsen will. „Schließlich war mein Vater 1,85 Meter und auch meine Mutter war nicht klein – die Cousins meines Vaters waren sogar über 2 Meter.“

Gerd Lohmeyers Paraderolle als Joseph von Eichendorffs Taugenichts in einer Inszenierung des Münchener Metropoltheaters mit Berta Rieder. Foto: Metropol

Max-Reinhardt-Schule in Berlin

Nach dem Abitur geht Lohmeyer nach Berlin, studiert erst ein Semester Germanistik, dann drei Semester Physik und Mathematik. Bis er schließlich im Studententheater seine Bestimmung findet und sich auf Drängen eines Freundes bei der Max-Reinhardt-Schule bewirbt. Eine bemerkenswerte Schauspiel- und Filmkarriere beginnt. Nabburg, das pittoreske mittelalterliche Städtchen am Hang, hat er aber nie ganz aus den Augen verloren. Sein Paradestück, Joseph von Eichendorffs Taugenichts, habe er dort fünfmal gespielt.

„Wissen Sie, dass es in Nabburg einen wunderbaren Autor gibt, den Franz Grundler?“ Mit dem Kulturpreisträger der Stadt Nabburg ist Lohmeyer befreundet. „Den Großinquisitor haben wir zusammen gemacht in der wunderbaren romanischen Kirche im Stadtteil Venedig.“ Der Grundler habe starke Stücke für Nabburg geschrieben. „Er hatte zwei Bühnen, eine mit einem wunderbaren Blick auf die St.-Johannes-Kirche und auf seinem Grundstück die Remise, einen ausgebauten Stall.“ Dort habe er auch eine seiner Karl-Valentin-Inszenierungen zeigen können. „Jetzt hat er sich ein wenig vom Theater verabschiedet.“ Was schade sei: „Er war die Seele, die in Nabburg ordentlich umgerührt hat.“ 

Dann gebe es da noch den Reinhard Westiner, der im Schmidt-Haus Kabarett und Kleinkunst veranstaltete: „Wie man hört, ist das aber nach Corona nicht mehr so gut angelaufen.“ Lohmeyer spielt gerne in Nabburg und kann sich auch neue Projekte in der Stadt seiner Jugend vorstellen: „Aber ich bin bereits ausgebucht bis in den Oktober hinein mit Theater – ich versuch‘ ja mehr Zeit zu haben.“ Gut, wir warten auch bis nächstes Jahr auf Gerd Lohmeyers Comeback.

Heimat des Kabaretts und der Kleinkunst in Nabburg: das Schmidt-Haus. Foto: jrh

Gerd Lohmeyers Vita

Gerd Lohmeyer wuchs in Nabburg auf. Von 1967 bis 1970 absolvierte er das Studium der darstellenden Künste an der HdK Berlin, der heutigen Universität der Künste Berlin. Noch während seiner Ausbildung spielte er 1968 eine Nebenrolle in der Literaturverfilmung von Eric Malpass gleichnamigen Roman „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“. Im Jahr 1970 folgte die Neuverfilmung des Klassikers „Die Feuerzangenbowle“ des Regisseurs Helmut Käutner, in der Lohmeyer ebenfalls in einer Nebenrolle zu sehen war.

Nach dem Studium konzentrierte er sich auf seine Karriere am Theater und war erst ab Ende der achtziger Jahre wieder häufiger im Fernsehen und im Kino zu sehen. Er hat bis heute in über 70 Filmen und Serien mitgewirkt, darunter in Tatort, Polizeiruf, Rosenheim Cops, Der Bulle von Tölz oder im Eberhofer-Krimi „Dampfnudelblues“. Zu den bekanntesten Fernsehserien zählen Ein Haus in der Toscana, Café Meineid, Das Amt und Lindenstraße. Er wirkte auch in den Kinofilmen „Der Schuh des Manitu“ von Michael „Bully“ Herbig und in „Kirschblüten – Hanami“ von Doris Dörrie mit.

Als Theater-Schauspieler war Lohmeyer seit 1970 in Dortmund, Freiburg, Garmisch (Unendliche Geschichte), Hannover, Kaiserslautern (Die Nervensäge), München (am Bayerischen Staatsschauspiel, an den Münchner Kammerspielen, dem Münchner Volkstheater und am Staatstheater am Gärtnerplatz u.v.a. in Der Mann von La Mancha), Passau (Der Großinquisitor), Stuttgart (Die Fledermaus), beim Nockherberg-Singspiel 2019 als Bayern-Dusel und natürlich in Nabburg (Aus dem Leben eines Taugenichts) sowie auf der Luisenburg (Jagdszenen aus Niederbayern) zu sehen.

Jochen Schölchs Inszenierung von „Die drei Leben der Lucie Cabrol“ am Metropoltheater München, bei der Lohmeyer mitwirkte, erhielt 2002 den Bayerischen Theaterpreis. Seit Ende der 90er-Jahre ist er auch als Theaterregisseur tätig, unter anderem am TamS Theater in München, an den Münchner Kammerspielen und bei den Freilichtspielen in Wunsiedel.

Unvergessen ist sein Auftritt als Bayern-Dusel im Singspiel „Auf dem Nockherberg 2019“ (Starkbieranstich). Seit 1992 gibt er selbst Schauspielunterricht und ist seit 1995 Dozent an der Bayerischen Theaterakademie. Seit Folge 358 im August 2009 ist er in „Dahoam is Dahoam“ als Michael Gerstl zu sehen.

Gerd Lohmeyer lebt mit seiner Frau, der Schauspielerin Monika Manz, in München.

* Diese Felder sind erforderlich.

1 Kommentare

Beate von Stern - 11.06.2023

Jürgen Herda verdient mein Lob … die Berichte über “Dahoam is dahoam” sind immer wieder lesenswert … nur weiter so