Prozess vor US-Militärgericht um totes Baby: Todesstrafe ist nicht möglich

Vilseck. Ein US-Soldat (29) muss sich wegen Mordes vor dem US-Militärgericht in Vilseck verantworten. Das amerikanische Wehrstrafrecht sieht für Mord lebenslang oder die Todesstrafe vor. Kann diese in Deutschland verhängt werden?

Das Urteil gegen einen US-Sergeant ist gefallen. Symbolfoto: pixabay

Die knappe Antwort: Nein. “Die Todesstrafe kann hier nicht verhängt werden”, sagt Oberstaatsanwalt Carsten Reichel, Sprecher der Staatsanwaltschaft Amberg. Dies sei schon allein aufgrund eines Auslieferungsabkommens mit den USA nicht möglich.

Bis Ende der 80er mindestens fünf Todesurteile

1961 ist Deutschland zudem dem NATO-Truppenstatut beigetreten, das die Stellung von Truppen auf anderem Hoheitsgebiet regelt. Tatsächlich bestand in der Folge rund 30 Jahre lang das Problem, dass US-Militärgerichte auf deutschem Boden die Todesstrafe verhängen konnten (siehe Deutscher Bundestag, kleine Anfrage). 1979 bis 1987 sind fünf Todesurteile ausgesprochen worden, zuletzt durch ein US-Militärgericht in Frankfurt am Main. In keinem Fall ist das Urteil letztlich vollstreckt worden.

Erst 1993 wurde dem mit einem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut ein Riegel vorgeschoben. Darin ist ein neuer Artikel (18 a) enthalten. Inhalt: Die Durchführung eines Strafverfahrens, das zur Verhängung der Todesstrafe führen kann, ist in der Bundesrepublik nicht mehr gestattet. Wenn die deutsche Gerichtsbarkeit auf die Strafverfolgung verzichtet und den Fall an die US-Behörden abgibt, dann nur unter der Zusicherung, dass die Todesstrafe nicht verhängt wird.

Für US-Soldaten gilt ein Generalverzicht der deutschen Justiz

Für US-Soldaten gilt für die deutsche Gerichtsbarkeit ein “Generalverzicht”, erklärt Carsten Reichel. Sprich: Straffällige US-Soldaten sind immer Sache der US-Militärbehörden. Sie ermitteln, klagen an und richten. Nur in absoluten Ausnahmefällen (Reichel: “US-Soldat erschießt Ministerpräsident”) kann sich der Amberger Oberstaatsanwalt vorstellen, dass die deutschen Behörden auf einer eigenen Bearbeitung bestehen.

Bei zivilen Kräften und Angehörigen

Anders ist das bei Angehörigen der US-Soldaten oder zivilen Amerikanern, die in Deutschland stationiert sind. Auch sie fallen unter das NATO-Truppenstatut. Darin ist geregelt, in welchen Fällen die deutsche Gerichtsbarkeit zuständig ist und in welchen die amerikanische.

Ist die Straftat nach deutschem und nach amerikanischen Recht strafbar, liegt eine “konkurrierende Gerichtsbarkeit” vor. Bevorrechtigt sind die deutschen Behörden, die auf Ersuchen der US-Behörden verzichten können. Die US-Militärbehörden haben nur das Vorrecht, wenn sich die strafbaren Handlungen ausschließlich gegen die USA richten oder sich im Dienst ergeben haben (beispielsweise Spionage, Hochverrat, Diebstahl von Army-Eigentum).

Prozess gegen Sergeant kann sich ziehen

Dies erklärt, warum sich nach dem gewaltsamen Tod des fünf Monate alten Babys in Vilseck die Ermittlungen im Frühjahr 2022 in zwei Verfahren trennten. Gegen die Mutter, eine Deutsche, ermittelte die Kriminalpolizei Amberg. Die Staatsanwaltschaft Amberg erhob Anklage zum Landgericht Amberg wegen Totschlags durch Unterlassen.

Die CID (Criminal Investigation Division) ermittelte gegen den US-Sergeant. Brigadegeneral Steven P. Carpenter erhob 2023 Anklage zum Militärgericht (Court martial) in Vilseck wegen Mord und Körperverletzung. Die US-Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 29-Jährige beim nächtlichen Füttern ausrastete. Das Baby starb an einem Schädelbruch und einer Hirnblutung. Richter Lieutenant Col. Thomas Hynes setzte den jetzt laufenden Prozess von 11. bis 22. März 2024 an.

Prozess kann länger dauern

Es sind rund 50 Zeugen geladen, bis zum Wochenende hatte das Gericht etwa ein Dutzend angehört. Darunter waren etliche Zeugen, die auch im Amberger Prozess ausgesagt hatten, etwa ein Rechtsmediziner, eine DNA-Gutachterin, ein Kommissar der Spurensicherung aus Amberg, die Mutter, Sanitäter, Ärzte.

Am Donnerstag wurde Tyrone Francis, der Ermittlungsleiter des CID, gehört. Die Staatsanwaltschaft spielte Ausschnitte aus dem Verhör des US-Soldaten vom Tag der Tat vor. Eine Szene zeigte, wie Francis den Angeklagten über den Tod seines Sohnes informiert. Am Freitag rief die Staatsanwaltschaft zudem Kinderärzte aus den USA in den Zeugenstand, darunter einen Spezialisten für Misshandlungen. Nächste Woche folgen die Zeugen der Verteidigung. Es ist nach Auskunft von Jason Treffry (Büro für Public Affairs) durchaus möglich, dass das Gerichtsverfahren länger dauern wird.

In ähnlichem Verfahren fünf Jahre wegen Körperverletzung

Gesetzliche Basis ist der “Uniform Code of Military Justice”. Das Strafmaß liegt im Ermessen des Militärgerichts. Außer bei Paragraph 118 (Mord): Sollte die Militärjury auf Mord urteilten, steht darauf zwingend lebenslang. In einem ähnlich gelagerten Prozess im Vorjahr gab es für einen 25-jährigen Sergeant fünf Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung.

Acht hochrangige Militärs werden am Ende über Schuld oder Unschuld des jetzt angeklagten 29-jährigen Sergeants entscheiden. Sie müssen sich zu zwei Drittel einig sein.

Prozess vor dem US-Militärgericht

Der erste Prozesstag am 11. März stand ganz im Zeichen der Auswahl der Panel-Members (“Jury”).

Am zweiten Prozesstag stellte die Verteidigung die These auf, dass die Mutter für die Verletzungen verantwortlich ist.

Die Mutter des Kindes, eine 31-jährige Deutsche, berichtete im Zeugenstand von der Todesnacht.

Matthew Burke berichtet für “Stars and Stripes” berichtet über den Fall.

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