Prozessauftakt gegen US-Soldat: Mutter wird als Täterin ins Spiel gebracht

Vilseck/Klinikum. Ein Baby aus Vilseck starb im März 2022 im Klinikum Weiden im Alter von fünf Monaten. Wer ist verantwortlich? Seit Montag steht der Vater, ein US-Soldat, in den Rose Barracks vor dem Militärgericht.

Das Gerichtsgebäude auf dem Gelände der US-Army in Vilseck. Hier findet der Prozess gegen den 29-jährigen Vater eines fünf Monate alten Babys statt, das an den Folgen von Misshandlunge starb. Foto: Christine Ascherl

Montag, 8 Uhr, am Tor zu den Rose Barracks. Jason Treffry vom Office für Public Affairs nimmt die Reporter in Empfang. Zwei lokale Medien plus ein Journalist der “Stares and Stripes”. In Eskorte wird zum Gericht gefahren. Kameras, Laptops, Smartphones – alles bleibt im Auto. Erlaubt sind nur “pen and paper”.

Die Anklage gegen den 29-Jährigen aus South Carolina lautet auf Mord und Körperverletzung. Die Mutter des Säuglings, eine Deutsche, ist am Mittwochnachmittag als Zeugin geladen. Sie ist bereits von einem deutschen Gericht, dem Landgericht Amberg, verurteilt worden. Für sie gab es 18 Monate Haft wegen Tötung durch Unterlassen.

Auswahl der Jury dauert einen Tag

Jetzt, zwei Jahre nach dem Tod des Kindes, ist der Vater an der Reihe. Das “Rose Barracks Legal Center” am Stützpunkt in Vilseck ist ein schlichter einstöckiger Bau, gelb gestrichen. Von der Wand blickt Präsident Lincoln. Richter Lt. Col. Thomas Hynes – ein hochgewachsener Mann um die 60, schwarze Robe, glattrasierter Schädel – sitzt erhöht auf einer Holzkanzel. Hinter ihm hängt das Sternenbanner, die Nationalflagge der USA.

Der “Judge” hat alles im Blick: rechts die drei Ankläger, links drei Verteidiger. Zwischen den Verteidigern und der Wand duckt sich der Angeklagte weg. Er ist kaum zu sehen. Ein bärtiger Schwarzer in blauer Uniform mit den goldenen Abzeichen seiner Einheit, der Kavallerie. Abgetrennt durch eine Holzbalustrade sitzen dahinter rund 40 Zuschauer. Zum Großteil sind das Army-Angehörige, die entweder den Anklägern (rechte Seite) oder der Verteidigung (linke Seite) zuarbeiten.

Es folgt der Eintritt der möglichen Geschworenen: 15 Männer, eine Frau, alles hochrangige Colonels oder Majors. Sie nehmen auf Bänken in drei Reihen Platz. Am Ende des Tages werden noch 8 übrig sein. Sie bilden das “Panel” (gemeinhin als “Jury” bekannt). Die Auswahl ist eine Prozedur, die es im deutschen Recht nicht gibt. Sie dauert den ganzen Montag, gibt aber einen möglicherweise kleinen Einblick, wohin die Reise geht.

Mutter als Täterin wird in Betracht gezogen

Die möglichen Juroren werden mit Dutzenden Fragen konfrontiert. Sie sollen die Hand heben, wenn sie mit “Ja” antworten. Erste Frage: Wer hat Kinder? Die Hälfte der Hände hebt sich. Wer war schon einmal frustriert, weil das Baby nicht zu schreien aufhörte? Können Sie sich vorstellen, dass eine Mutter ihr Kind tötet? Halten Sie es für möglich, dass Ärzte Fehler machen? Wer glaubt, dass ein Unschuldiger, der des Mordes bezichtigt wird, sich nicht verteidigt? Wer hat schon ein Kind verloren? Vier Hände.

In stundenlangen Einzelbefragungen klopfen die Verteidiger und die Ankläger die Geschworenen ab. Ihre Mitarbeiter färben ihre Listen in Grün, Gelb, Rot ein: Jede Partei darf Kandidaten ablehnen, am Ende muss ein Kompromiss gefunden werden. Eine der Verteidigerinnen – Kostüm, strenger Dutt, Perlohrringe – warnt vor Emotionen. “This case involved a dead baby.” “In diesem Fall ging es um ein totes Baby.”

Immer wieder deutet die Verteidigung an, die Mutter käme als Täterin in Betracht. Die deutsche Arzthelferin hatte im eigenen Gerichtsprozess in Amberg ausgesagt, nichts mitbekommen zu haben und sich zwar in der Wohnung, aber nicht im Zimmer befunden zu haben. Man hört, dass die 31-Jährige am Mittwoch Rede und Antwort stehen will, obwohl sie das nicht müsste. Ihr eigenes Revisionsverfahren am Bundesgerichtshof steht unmittelbar bevor (3. April).

Ärzte des Klinikums Weiden als Zeugen geladen

Zweifel soll es auch an der Verwertbarkeit des Obduktionsgutachtens geben. Ein Hauptbelastungszeuge beim Prozess in Amberg war ein renommierter Rechtsmediziner aus Erlangen. Nach seinem Gutachten hatte das Baby kaum einen heilen Knochen im Leib. Er hielt es für wahrscheinlich, dass das Baby an den Füßen gepackt und an die Wand geschleudert worden war.

Mit Blaulicht war das Kind ins Klinikum Weiden eingeliefert worden, die Ärzte riefen die Polizei. Die Mutter wurde von der Amberger Justiz in Untersuchungshaft genommen, welche die Ermittlungen gegen die Deutsche leitete und einen Prozess führte. Die CID (Criminal Investigation Division) ermittelte gegen den US-Sergeant.

Der Prozess in Vilseck ist bis 22. März angesetzt. Rund 50 Zeugen sind geladen, die ins Kreuzverhör genommen werden dürfen. Darunter die Ermittler des CID, Ärzte des Klinikums Weiden, Nachbarn und Angehörige, die deutschen Rechtsmediziner, aber auch amerikanische Ärzte und Sachverständige. Sobald die Jury gebildet ist, folgen “Opening Statements”.

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