Stolpersteine verlegt: Gerade jetzt ein wichtiges Zeichen

Weiden. Der nächste Schritt ist getan. In Weiden sind am Samstag an weiteren fünf Standorten 18 Stolpersteine verlegt worden. Sie erinnern an ermordete Juden der Stadt. Gerade jetzt sei dies wichtig, so Pfarrer Alfons Forster (Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit).

Stolpersteine Jüdische Gemeinde Holocaust
Michal und Hila Kohner (von links) und Schülerinnen der Pestalozzischule beobachten die Verlegung der Stolpersteine durch Gunter Demnig (mit Hut). Sebastian Schott (Stadtarchiv) geht dem Künstler zur Hand. Foto: Christine Ascherl

“Wir sind noch lange nicht am Ende”, sagt Sebastian Schott (Stadtarchiv). Mindestens 56 Weidener Juden starben in Konzentrationslagern. 2024 sind weitere Standorte vorgesehen. Das Konzept hat sich für Weiden bewährt. 2022 wurden auf Initiative von Peter Kupfer erstmals Steine in der Bahnhofstraße verlegt. Mehrere Schulen haben seither Projekte gestartet, die die Erinnerung wach halten.

Am Samstag ist es die Pestalozzischule, die der Verlegung eine besondere Atmosphäre verleiht. Die fünf Schülerinnen Leonie GötzRihanna SommerMiray Solak, Sevim Bakir und Alina Simon präsentieren ihre Erkenntnisse zur Familie Kohner, die gleich um die Ecke – in der Frauenrichter Straße – ihr Zuhause hatte.

Nachfahren zu Gast in Weiden

Das trifft sich gut: Denn Nachfahren der Kohners sind derzeit in der Stadt zu Gast. Michal und Hila Kohner aus Tel Aviv sind mit Werner Friedmann (Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit) verwandt. Sie wohnen der Verlegung bei und kommen schnell ins Gespräch mit der Schülergruppe und ihrem Lehrer Björn Sommer.

Unter den Opfern, derer am Samstag gedacht wird, sind viele Kinder. Drei der fünf vom Holocaust betroffenen Familien hatten schulpflichtige Kinder. In der Luitpoldstraße 8 (früher Sedanstraße 20) werden Steine für Familie Hausmann verlegt, die am 3. April 1942 mit den Söhnen Hermann (Gymnasiast, 17) und Wilhelm (15) in das Ghetto Piaski deportiert wurde. Keiner überlebte.

Töchter nie wieder gesehen

Metzger Julius Kahn hatte zwei Töchter Bella und Hannelore, die er 1939 das letzte Mal sah, als sie 9 und 10 Jahre alt waren. Er wurde 1938 ins KZ Dachau gebracht, nach seiner Entlassung floh er nach England. Frau und Kinder wollte er nachholen – da deportierte ihn Großbritannien fälschlicherweise als “Enemy Alien” nach Australien. Als er 1943 freikam, waren alle tot. Die Stolpersteine für die Familie liegen in der Oberen Bachgasse 8.

Familie Fuld traf das Schicksal auf andere Weise: Hier stand Witwe Julie Fuld mit den Söhnen Ludwig (16) und Hans (9) alleine da, als ihr Mann Hermann Fuld als erster Weidener 1938 im Konzentrationslager Dachau erschossen wurde. Sie versuchte, mit den Söhnen nach Kuba zu fliehen. Seit Samstag erinnert ein Stolperstein vor der Volksbank (Wörthstraße 8) an den ehrenwerten Kaufmann.

Künstler Demnig: Große Nachfrage

Künstler Gunter Deming versenkt die Steine mit Routine im Trottoir. 105.000 Steine in 31 Ländern haben er und seine Mitarbeiter inzwischen verlegt. “Das klingt viel”, sagt er, sei aber in Anbetracht der 6 Millionen Holocaust-Opfer doch nur ein kleiner Teil.

Und noch immer gibt es Schicksale, die auch den Stolperstein-Erfinder aufwühlen. So hat er einen Stein auf einer Insel nördlich von Hammerfest verlegt. Einer Stadt hoch oben in Norwegen, das von Deutschland besetzt war. Ein einziger Jude hatte sich auf der Insel versteckt – und dieser wurde nach Verrat getötet.

Die Nachfrage nach den Gedenksteinen sei größer denn je, ist der Künstler überrascht. Aktuell könnten seine Mitarbeiter und er 600 bis 700 Steine pro Monate verlegen. Auch in Weiden wird man sich ein Jahr gedulden müssen, bis weitere der individuell gefertigten Messingplatten bereit sind.

Unterstützung durch Stadt Weiden

Die Verlegung erfolgt in Weiden unter Regie der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die dafür auch um Spenden wirbt. Der Bauhof der Stadt Weiden unterstützt das Projekt. Mitarbeiter des Bauhofs opferten am Samstag ihren freien Tag und bereiteten die Verlegung perfekt vor und nach.

Alfons Forster dankte auch Historiker Dr. Sebastian Schott vom Stadtarchiv für seine Forschung, die Grundlage für die Verlegungen bildete. “Wenn Sie nicht geforscht hätten, wären diese Menschen in Vergessenheit geraten.”

Forster dankte der Pestalozzischule, die auch künftig als Pate nach den Steinen in der Frauenrichter Straße sehen will. Er hoffe, dass dies Schule mache. Antisemitismus tue sich wieder auf. “Wir sehen, wie aktuell das alles wieder ist.”

Für diese Weidener Juden wurden Stolpersteine verlegt:

Familie Hausmann mit (von links) Otto, Wilhelm, Rosa und Hermann (Stolperstein Luitpoldstraße 8, früher Sedanstraße 20). NS-Oberbürgermeister Hans Harbauer ließ die Deporation der letzten Weidener Juden fotografieren.  Auf den Rückseiten der Bilder steht:
Familie Hausmann mit (von links) Otto, Wilhelm, Rosa und Hermann (Stolperstein Luitpoldstraße 8, früher Sedanstraße 20). NS-Oberbürgermeister Hans Harbauer ließ die Deporation der letzten Weidener Juden fotografieren. Auf den Rückseiten der Bilder steht: “Weg­gang der letz­ten Ju­den von Wei­den u. Um­ge­bung am 3. April 1942.” Foto: Stadtarchiv Weiden
Otto Hausmann (Zweiter von links), begleitet von Sicherheitspolizisten, auf seinem letzten Weg in Weiden. Am 3. April 1942 wurde er mit seinen Söhnen und seiner Frau zum Bahnhof gebracht. Ein Deportationszug brachte sie in das Ghetto Piaski. Foto: Stadtarchiv  Weiden
Otto Hausmann (Zweiter von links), begleitet von Sicherheitspolizisten, auf seinem letzten Weg in Weiden. Am 3. April 1942 wurde er mit seinen Söhnen und seiner Frau zum Bahnhof gebracht. Ein Deportationszug brachte sie in das Ghetto Piaski. Foto: Stadtarchiv Weiden
Pauline Steinhart (rechts, Stolperstein am Unteren Markt 17) und Adelheid Kohner (Stolperstein Frauenrichter Straße 52) am 3. April 1942 auf dem Weg zur Deportation.  Foto: Stadtarchiv Weiden
Pauline Steinhart (rechts, Stolperstein am Unteren Markt 17) und Adelheid Kohner (Stolperstein Frauenrichter Straße 52) am 3. April 1942 auf dem Weg zur Deportation. Foto: Stadtarchiv Weiden
Hannelore Kahn (Stolperstein Obere Bachgasse 8). Das Mädchen aus Weiden starb mit seiner Mutter in einem Konzentrationslager. Foto: Stadtarchiv Weiden
Hannelore Kahn (Stolperstein Obere Bachgasse 8). Das Mädchen aus Weiden starb mit seiner Mutter in einem Konzentrationslager. Foto: Stadtarchiv Weiden
Vater Julius Kahn vor seiner Flucht nach England. Auch er war 1938 nach der Reichspogromnacht im KZ Dachau inhaftiert. Foto: Stadtarchiv Weiden
Vater Julius Kahn vor seiner Flucht nach England. Auch er war 1938 nach der Reichspogromnacht im KZ Dachau inhaftiert. Foto: Stadtarchiv Weiden
Hermann Fuld (Stolperstein Wörthstraße 8, vor Volksbank). Der Geschäftsmann, war der erste in einem KZ ermordete Jude aus Weiden.  Seine Familie floh, seine Enkel und Urenkel leben heute in den USA. Foto: Stadtarchiv Weiden
Hermann Fuld (Stolperstein Wörthstraße 8, vor Volksbank). Der Geschäftsmann, war der erste in einem KZ ermordete Jude aus Weiden. Seine Familie floh, seine Enkel und Urenkel leben heute in den USA. Foto: Stadtarchiv Weiden
Hermann Fulds Sohn Hans Fuld (vorne rechts) an Bord der St. Louis. Die Familie versuchte nach dem Tod des Vaters nach Kuba zu fliehen, musste aber mit der St. Louis umkehren. Nachfahren leben heute in den USA. Foto: United States Holocaust Memorial Museum
Hermann Fulds Sohn Hans Fuld (vorne rechts) an Bord der St. Louis. Die Familie versuchte nach dem Tod des Vaters nach Kuba zu fliehen, musste aber mit der St. Louis umkehren. Nachfahren leben heute in den USA. Foto: United States Holocaust Memorial Museum
Foto: Stadtarchiv Weiden
Foto: Stadtarchiv Weiden
Foto: Stadtarchiv Weiden
 Foto: United States Holocaust Memorial Museum
Neben
Neben “Pallas” ist der Standort für die Stolpersteine für Pauline und Walter Steinhart. Die Gedenktafeln werden an den letzten Meldeadressen ermordeter Juden verlegt. Foto: Christine Ascherl
Die Steine für die Steinharts. Foto: Christine Ascherl
Die Steine für die Steinharts. Foto: Christine Ascherl
Hier stand einst das Geschäftshaus von Kaufmann Hermann Fuld. Er starb nach der Verhaftung in der Pogromnacht im KZ Dachau durch einen Kopfschuss. Foto: Christine Ascherl
Hier stand einst das Geschäftshaus von Kaufmann Hermann Fuld. Er starb nach der Verhaftung in der Pogromnacht im KZ Dachau durch einen Kopfschuss. Foto: Christine Ascherl
Der Stein für Hermann Fuld. Foto: Christine Ascherl
Der Stein für Hermann Fuld. Foto: Christine Ascherl
Familie Hausmann. Foto: Christine Ascherl
Familie Hausmann. Foto: Christine Ascherl
Gunter Demnig bei der Arbeit, hier am Standort an der Ecke Luitpold-/Sedanstraße. Foto: Christine Ascherl
Gunter Demnig bei der Arbeit, hier am Standort an der Ecke Luitpold-/Sedanstraße. Foto: Christine Ascherl
Schülerinnen der Pestalozzischule machten Bekanntschaft mit Nachfahren von Familie Fuld (Zweite von links Michal Fuld, Dritte von links Hila Fuld), Mitte Lehrer Björn Sommer. Foto: Christine Ascherl
Schülerinnen der Pestalozzischule machten Bekanntschaft mit Nachfahren von Familie Fuld (Zweite von links Michal Fuld, Dritte von links Hila Fuld), Mitte Lehrer Björn Sommer. Foto: Christine Ascherl
Stolpersteine für Familie Kohner in der Frauenrichter Straße. Die 20-jährige Luise war die Tochter von Eduard und Adelheid Kohner. Foto: Christine Ascherl
Stolpersteine für Familie Kohner in der Frauenrichter Straße. Die 20-jährige Luise war die Tochter von Eduard und Adelheid Kohner. Foto: Christine Ascherl
Schülerinnen mit Nachfahren der Familie Kohner. Foto: Christine Ascherl
Schülerinnen mit Nachfahren der Familie Kohner. Foto: Christine Ascherl

Spendenkonto

Spendenkonto zur Finanzierung weiterer Stolpersteine: Empfänger GCJZ Weiden e.V. (Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit), Sparkasse Oberpfalz Nord, IBAN: DE52 7535 0000 0000 192930

* Diese Felder sind erforderlich.