Tränen im WSW-Prozess: „Mein Kind kennt mich bald nicht mehr“

Weiden. Mit Tränen der Angeklagten startet der 13. Prozesstag gegen die Verantwortlichen der WohnSachWerte eG. Die Vorständin leidet unter der Trennung von ihrem minderjährigen Sohn. "Ich kann das nicht mehr ertragen."

WSW Wohnungsbaugenossenschaft Betrug Landgericht Weiden
Die Vorständin mit ihren Anwälten Jörg Meyer und Rouven Colbatz. Foto: Christine Ascherl

Eigentlich sollte die Vorständin Fragen zu Provisionsbuchungen beantworten. Daraus wird am Mittwochmorgen nichts. Anwalt Jörg Meyer erklärt die Hintergründe des emotionalen Ausbruchs seiner Mandantin. „Die Situation ist langsam nicht mehr tragbar.“ Der Kontakt mit dem Kind werde durch Dritte gesteuert. Aktuell befindet es sich mit Zustimmung des Jugendamtes in Obhut des früheren Kindermädchens, einer Bezugsperson, die es seit Jahren kennt. Nachteil: „Unser Kindermädchen hat extreme Muttergefühle entwickelt. Sie hat fast wörtlich kommuniziert, dass es ihm bei ihr besser geht als bei uns“, berichtet die Angeklagte.

Besuche mit Polizeibegleitung

Die ohnehin sporadischen Besuche („Ich habe mein Kind im letzten Jahr insgesamt nicht einmal zwölf Stunden gesehen“) gestalten sich immer belasteter. Der Sohn sei zunehmend distanziert. „Mein Kind kennt mich doch bald nicht mehr.“ Der Junge war sieben Jahre alt, als das Ehepaar bei einer morgendlichen Durchsuchungsaktion verhaftet wurde. Seit 20 Monaten werde jeder Körperkontakt unterbunden. Teilweise lagen 70 Tage zwischen den Besuchen in der Justizvollzugsanstalt Regensburg. Bei jedem Treffen sitze ein Polizeibeamter dabei. „Je mehr Zeit vergeht, umso katastrophaler wird es.“

Die Vorständin bietet dann trotzdem die Beantwortung von Fragen an: „Ich will ja, dass es weiter geht. Tut mir leid, wenn ich Sie jetzt vollheule.“ Die 1. Strafkammer unter Vorsitz Peter Werner reagiert durchaus mit Verständnis. Die Strafkammer habe zusammengezählt auch sechs Kinder. „Dass das für Sie kein Spaß ist, ist uns klar.“ Er könne keine schnelle Patentlösung anbieten, der Prozess müsse geführt werden. Und zwar noch länger: Am Mittwoch werden Termine bis zu den Pfingstferien abgesprochen.

Völlig andere Wahrnehmung

Das Gericht befragt am Mittwoch dann den Ehemann. Der 54-Jährige war Aufsichtsratsvorsitzender der WSW und betrieb zugleich als Einzelunternehmer eine Firma, über die der Vertrieb lief. 10 der 13,5 Millionen Euro an eingenommenen VL gingen auf sein Konto. Einen Großteil des Geldes (etwa 7,4 Millionen Euro) leitete er an deutschlandweite Vertriebsagenturen weiter, die für die WSW Kunden generierten. Der Rest wurde laut Staatsanwaltschaft mehr oder weniger verlebt oder auf Privatkonten überwiesen.

Und wieder zeigt sich, dass die Wahrnehmung der Angeklagten eine völlig andere ist. Ralf K. beteuert, nur immer das beste für die Anleger gewollt zu haben. Unter den zigtausenden „Genossen“ sind Arbeitnehmer aller Branchen. Sie arbeiteten bei Aldi, in Krankenhäusern, bei Hermes, im Straßenbau und beim Roten Kreuz. Ralf K. findet es nach wie vor gut, dass deren Arbeitgeber die vermögenswirksamen Leistungen an die WSW überwiesen haben. „Ich weiß gar nicht, wie viele Prozent der Deutschen ihre vermögenswirksamen Leistungen gar nicht abrufen.“

Er steht auch nach wie vor hinter den „Benefits“, die die WSW angeboten habe. Dass diese kaum genutzt wurden, sei nicht seine Schuld. „Das ist unwesentlich für mich. Da kann ich nichts dafür.“

„Ich habe für die WSW genug getan“

Mehrfach startet Richter Florian Bauer den Versuch, nach einer Interessenskollision zu fragen: Einerseits war er Aufsichtsratsvorsitzender, andererseits Profiteur mit einem exklusiven Vertriebsvertrag. „Das kollidiert nicht“, sagt Ralf K. Ziel seiner Firma sei immer gewesen, dass es der WSW gut gehe. Sein Stiefsohn (30) pflichtet bei: „Das war ja die Hand, die uns füttert. Deshalb war es uns immer ein Anliegen, dass es der WSW gut geht.“

Dass keine nennenswerte Summe in Wohnraum floss, findet Ralf K. nicht bedenklich. Es sei völlig normal, zunächst im Vertrieb „richtig Gas zu geben“. „Du brauchst ungefähr fünf Jahre, bis das so richtig ins Laufen kommt.“ Auch seine Millionenprovision hält er für angemessen: „Letztlich mache ich meine Tätigkeit, um Geld zu verdienen.“ Er wolle sich gar nicht als „Heilsarmee“ darstellen. „Ich habe für die WSW genug getan, da bringt mich keiner ab“, sagt Ralf K.

Ohnehin wären er und seine Firma jetzt schon „raus“ gewesen. Er habe Ende 2023 den Rückzug geplant. „Die Verträge wären ausgelaufen.“ Dann hätte er „nur“ noch „Bestandspflege“ bekommen.

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