Weidener FOSBOS ermutigt Schüler zur Zivilcourage

Weiden. Demokratie ist kein Selbstläufer. Der Bildungsträger „Arbeit und Leben“ fördert Projekte von Vereinen und Institutionen, die Menschen ermutigen, sich einzumischen. Wie der Graffiti-Workshop der Weidener FOSBOS mit Künstler Nils Oskamp, ein Vorbild für Zivilcourage.

Die zwei jungen Künstlerinnen Carla Wedlich (vorne links) und Lisa Stauß (Mitte) mit Politik-Lehrer Andreas Kostial und Gestaltungslehrkraft Silke Winkler vor den Graffiti-Entwürfen von Anne Frank und Sophie Scholl. Foto: Jürgen Herda

„Seit 2010 führen wir offiziell das Label ,Schule ohne Rassismus’“, sagt Gabriele Dill, Schulleiterin der Weidener FOSBOS – offiziell Staatliche Fachoberschule Gustav-von-Schlör. „Wir haben von Haus aus mehr Schüler mit Brüchen in ihren Lebensläufen und damit auch häufiger Migrationshintergrund als im Gymnasium.“ Dennoch habe es in den Integrationsvorklassen noch nie Probleme gegeben.

„Wir pflegen seit Jahren eine Israel-Partnerschaft“, betont Dill die Offenheit für andere Kulturen, zu dem auch ein Austausch mit Tschechien und Polen gehört. „Wir nutzen das Leonardo- und Erasmus-Programm, und unser engagierter Lehrer für Politik und Gesellschaft, Andreas Kostial, ist seit 2016 in der Gedenkstätte Flossenbürg aktiv.“

Bundesprogramm „Demokratie leben!“ genutzt

Andreas Kostial lobt die „tolle Zusammenarbeit der ,Schulen ohne Rassismus’ in Weiden, zu denen auch die Gymnasien, Realschulen und die Wirtschaftsschule gehören.“ Die regelmäßigen Treffen würden von „Arbeit und Leben“ organisiert: „Die machten uns auch auf das Bundesprogramm ,Demokratie leben!’ aufmerksam“, schildert er die Initialzündung. „Sie haben das vorgestellt, und wir haben gesagt, ,komm, lass uns das nutzen’.“

So entstand die Idee, den Comiczeichner Nils Oskamp für einen Vortrag und einen Graffiti-Workshop an die FOSBOS einzuladen. Der Illustrator, Designer und Autor verarbeitete in seiner autobiografischen Graphic Novel „Drei Steine“ sein Aufbegehren als Schüler gegen die rechte Szene – und die gewalttätigen Anfeindungen, die darauf folgten.

Rechte Morddrohungen im Comic verarbeitet

„Ich habe aufbegehrt und dagegengesprochen“, hatte Oskamp in der Aula der FOSBOS vor rund 100 Schülern erzählt. Die Reaktion der Rechtsextremen: Unzählige Morddrohungen und unvergessliche Schläge. Auch von brutalen Überfällen auf der Toilette der Schule und dem Dortmunder Rummelplatz ließ sich der 8-Klässler nicht mundtot machen. Unterstützung im Kampf gegen die Nazi-Mitschüler? Fehlanzeige. „Der Bleistift war meine Therapie“, schilderte Oskamp, wie er das Geschehene verarbeitete.

Nach der Lesung führte das Multitalent 15 Gestalter in einem vierstündigen Graffiti-Workshop in die Kunst des Sprayens ein. So entstanden die Porträts von Anne Frank und Sophie Scholl an die Wand im ersten Obergeschoss der Schule. Das Prädikat „Schule ohne Rassismus“ verbindet die beiden Frauen, deren Namen für beispiellose Zivilcourage stehen.

Ein Graffiti-Workshop unter Corona-Bedingungen. Grafik-Profi Nils Oskamp hinten rechts. Foto: Maria Zarade

Schülerin Lisa: „Das ist schon heftig“

„Auch wenn 1290 Euro für einen Tag mit Lesung und Graffiti-Workshop nicht nach viel Geld klingen“, erklärt Politik-Lehrer Kostial die Notwendigkeit einer externen Förderung, „als Schule sind wir da schon raus.“ Deshalb sei er „Arbeit und Leben“ dankbar, solche Aktionen möglich zu machen. „Es ist so wichtig, schon bei jungen Menschen Zivilcourage zu fördern, das ist nicht so einfach für 14- und 15-Jährige.“

Zwei Schülerinnen der Fachrichtung Gestaltung, Carla Wedlich und Lisa Stauß, waren an diesem ganz besonderen Tag mit dabei. „Er hat uns gerade mit dem Comic seine Geschichte sehr nahe gebracht“, sagt Lisa. „Die Brutalität, der er ausgesetzt war, konnte man sich so viel besser vorstellen als nur mit Worten.“ Oskamp sei aber auch an ihre Grenzen gegangen, mit dem, was er gezeigt habe. „Er ist zweimal fast gestorben“, erinnert sie sich schaudernd, „das ist schon heftig.“

Künstlerischer Austausch beim Graffiti-Workshop. Foto: Maria Zarade

Schülerin Carla: „Für mich war das Neuland”

„Seine Geschichte hat er im Comic gut verarbeitet“, findet auch Carla. „Für mich war das Neuland, ich war an der Sophie-Scholl-Realschule, da sind wir alle sehr behütet aufgewachsen.“ Mehr Zeit für diese mitreißende Erzählung hätte sie gut gefunden. Das sieht auch Lisa so: „Es wäre wichtig gewesen, da tiefer einzusteigen, gerade beim geschichtlichen Hintergrund.“ Immerhin: „Man geht täglich an diesem Bild vorbei, das wir gemeinsam geschaffen haben.“ Da bleibt was hängen.

Das freut auch die Rektorin: „Da steckt ja mehr dahinter als nur ein Bild an der Wand“, ergänzt Dill. „Vor kurzem war der Jahrestag der ,Weißen Rose’. Ich würde mich das nicht trauen, wenn mein Leben auf dem Spiel steht.“ Gerade deshalb findet Kostial: „Zivilcourage geht im Kleinen los.“

Silke Winkler war als Lehrkraft für Gestaltung am künstlerischen Happening beteiligt. Sie erinnert sich amüsiert, wie sich im Eifer des farbenfrohen Gefechts der Boden Gelb färbte. „Die gelben Fußabdrücke konnte man die Treppe hinab verfolgen.“ Anschließend mussten alle beim Großreinemachen mit anpacken – auch die Rektorin: „Wir waren alle unter Hochdruck“, sagt Dill süffisant, „gemeinsam sind wir unausstehlich.“

Gabriele Dill, Schulleiterin der Weidener FOSBOS, zählt die Toleranzpunkte ihrer Schule auf. Foto: Jürgen Herda

Gelebte Toleranz an der Weidener FOSBOS

„Wir Gestalter sind sehr tolerant“, sagt Lehrerin Silke Winkler, Betreuerin der Praktikanten, die in einigen Unternehmen erstmals ihre Kreativität mehr oder weniger ausleben können. „Wir haben einige Schüler anderer Hautfarbe bei uns“, ergänzt Rektorin Gabriele Dill. „Die sagten uns, sie hätten zuvor schon Diskriminierung erlebt, aber nicht hier bei uns.“

Auch mit der Transgender-Thematik gehe man an der FOSBOS gelassen um: „Ich hatte schon acht Mädchen in den letzten Jahren“, sagt Winkler, „die sich trauten, über ihre Geschlechtsidentität offen zu sprechen.“ Es sei schon ein großer Schritt, wenn ein junger Mensch als Mädchen an die Schule komme und sich dann hier so drastisch verändere. „Das führt zu Unsicherheiten“, sagt Dill. 

„Wir hatten auch schon Schüler mit psychischen Auffälligkeiten“, trägt Politik-Lehrer Andreas Kostial bei. Die hätten ihm anvertraut: „In unseren vorhergehenden Schulen bin ich dafür gemobbt worden, hier nicht – Hut ab vor den Schülern.“

Auch ein bewusster Umgang mit sozialen Medien sei ein Thema: „In Politik und Gesellschaft hatten wir eine anonyme Umfrage“, sagt 12.-Klässlerin Lisa Stauß, „da haben schon einige zugegeben, Fake-News verbreitet zu haben, um einen Rage anzufachen.“ 

Ihre Klassenkameradin Carla Wedlich findet es gut, dass Opfer und Täter darüber reden können. Krass findet die Gestalterin, wie man mit KI Ton und Bild täuschend echt verändern kann. Sie möchte die 13. Klasse dranhängen und sich in Gestaltung und Film weiterentwickeln. Lisa hat sich bereits entschieden: „Ich fange als Mediengestalterin an.“ Ein Praktikum an der Schule habe sie von diesem Berufszweig überzeugt.

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