Zwei-Sterne-Koch Thomas Kellermann: Ein Jahr zum Feiern

Wernberg/Rottach-Egern. Im Frühjahr gab es für Spitzenkoch Thomas Kellermann endlich wieder den zweiten Michelin-Stern. Jetzt hat der 52-Jährige noch einen Grund zu feiern. Er stellt am Tegernsee ein eigenes Buch vor. Die Oberpfalz vergisst er dabei nicht.

Thomas Kellermann
Thomas Kellermann am Dienstag mit seinem Buch, im Hintergrund die Küche des Gourmetrestaurants “Dichter”. Foto: Bruni Thiemeyer

Beim Kochen hört Spitzenkoch Thomas Kellermann am liebsten AC/DC. “It’s a Long Way to the Top (If You Wanna Rock’n Roll).” Es ist ein langer Weg zur Spitze. Der 52-Jährige ist angekommen. Die zwei Sterne sind wieder da, prominente Gäste geben sich die Klinke in die Hand (Helene Fischer, Uli Hoeneß). Und jetzt gibt es endlich ein eigenes Buch, das seiner flüchtigen Kunst ein Denkmal setzt.

Vor fünf Jahren hatte Kellermann die Oberpfalz verlassen. Das war nicht ohne Risiko. Die zwei Michelin-Sterne blieben beim Restaurant, dem “Kastell” auf Burg Wernberg, das sie dann prompt verlor. Der Oberbayer wollte nach langen Wanderjahren endlich wieder heim ins Alpenvorland. Er heuerte am Tegernsee in den “Egerner Höfen” in Rottach-Egern an. 2019 blieb es bei einem Stern für die “Dichterstub’n”. 2020 trat der “Worst Case” ein: Pandemie und Schließung.

Corona als Zäsur

Nichts Schlechtes, was nicht auf Gutes hervorbringen kann. Punkt eins: Es kam zum Besitzerwechsel. Joghurt-Unternehmer Christian Ehrmann und seine Frau Tanja übernahmen die “Egerner Höfe”. Die Allgäuer hatten den Mut, im Lockdown zig Millionen in den kompletten Umbau des Luxushotels plus Gourmetrestaurant zu stecken. Für die Küchengestaltung bekam Kellermann freie Hand. Ein Vertrauen, für das er bis heute dankbar ist.

Punkt zwei: Der Koch hatte endlich Zeit für etwas anderes als Kochen. Zwar blieben die Töpfe und Pfannen nicht leer. “Wir haben für die Bauarbeiter gekocht.” Aber der Druck der Sternegastronomie war weg. Plötzlich war Zeit zum Nachdenken. All die Jahre zuvor war Kellermann immer “under fire”. “In Corona konnte ich erstmals den Reset-Knopf drücken. Das war befreiend. Ich habe mich gefragt: Was willst du eigentlich noch?”

Buch “Genussmomente”, ab 28. August im Handel

Antwort: ein Buch. Gemeinsam mit dem Matthaes-Verlag, spezialisiert auf kulinarische Bücher im Premiumsegment, arbeitete der Küchenchef mit Projektleiterin Bruni Thiemeyer über ein Jahr an dem Projekt. Entstanden ist der hochwertige Bildband “Genussmomente”. Er spiegelt die Küchenphilosophie von Kellermann wider. Im Zentrum steht immer das Produkt, die “Viktualie”, wie er gern sagt. “Aus jeder Viktualie kitzelt er das Besondere heraus”, sagt Verlegerin Monika Schitzer bei der Buchvorstellung diese Woche.

Für die Fotos der Gerichte wurde ein irrer Aufwand betrieben. Das Buch ist nach vier Saisonen aufgeteilt. Sprich: Zu jeder Jahreszeit kamen die Fotografen ins Haus. Wichtiger Teil des Restaurants “Dichter” sind die Bäume, die hinter Glas mitten im Gastraum wachsen. In diesen gläsernen Kuben wurden die Teller fotografiert. Jeden Teller hat Kellermann selbst “gestylt”.

Den Gästen der Buchpräsentation serviert er Kostproben. Darunter Tegernseer Renke mit Holunder und Weißbier. Das besteht aus gebeiztem Renkentatar, Weißbier-Beurre-Blanc und ausgebackenen Holunderblüten. Zum Niederknien. Für den Laien unmöglich nachkochbar, selbst wenn das Rezept im Buch steht. Enthalten sind 40 Rezepte, darunter auch Kellermanns Klassiker “Phönix aus der Asche”, im Salzteig gegarter Fenchel mit karamellisierten Fenchelsamen.

Zweiter Stern: “Wir haben eine Woche gefeiert”

Glück hat auf Dauer nur der Tüchtige. Im Mai 2023 verlieh Michelin den lang verdienten zweiten Stern. “Wir haben eine Woche lang jeden Tag schön gefeiert”, sagt Kellermann. Seinem Team widmet er im Buch ein ganzes Kapitel, das die jungen Leute auch privat zeigt.

Kellermann, ein riesiger Fußballfan (FC Bayern), sieht sich als Spielertrainer. “Für Topleistung braucht es ein Top-Team.” Als er jung war, flogen nach den Lehrlingen noch Bratpfannen “und die waren heiß und fettig”. Das könne man sich nicht mehr leisten. Den Kulturwandel in der Spitzengastronomie begrüßt er. “Da hat sich viel getan und das ist gut so.” Seine Mitarbeiter sollen Freizeit haben und “nicht ausbrennen”.

In der Küche läuft ABBA und Mötley Crüe

Seine jungen Köchinnen und Köche dürfen nachmittags ihre Spotify-Playlisten abspielen. Während sie die Gänge vorbereiten, läuft ABBA, manchmal – zum Leidwesen von Kellermann – auch Gabalier. “Jeder hat hier das gleiche Recht.” Bei Sous-Chef Michael Leipold darf es Mötley Crüe sein. Wenn Kellermann auflegt, gibt es Hubert von Goisern, STS, die Foo Fighters und AC/DC auf die Ohren.

Kellermann, geboren in Weilheim, stammt aus einer Gastronomenfamilie. Die Oma betrieb ein Wirtshaus. Der leider früh verstorbene Vater arbeitete im “Erbprinz” in Ettlingen, der damals den ersten Michelin außerhalb Frankreichs bekam. “Von der Mutter habe ich die Disziplin.”

Immer gern beim Zoigl

Seinen Kochstil prägte vor allem Hans Haas, Küchenchef im legendären “Tantris” in München. Acht Jahre hat Kellermann für ihn gearbeitet, zu einer Zeit, “in der das Tantris in vollem Glanz war”. Paula Bosch war damals erste weibliche Sommelière. “Hans Haas ist immer mein absolutes Vorbild. Das Tantris ist mein kulinarisches Zuhause.” Bis heute ist er mit dem Österreicher freundschaftlich verbunden. Dieser schrieb ihm einen Brief als Vorwort für das Buch: “Zweimal zwei Sterne in zwei Häusern zu erkochen, ist eine großartige Leistung, die nur durch Fleiß und Können erbracht werden kann.”

Es folgten Stationen auf Sylt, in Berlin im Ritz-Carlton und schließlich im “Kastell” auf Burg Wernberg. Die Oberpfalz hat der zweifache Familienvater nicht vergessen. Zehn Jahre lebte er mit seiner Frau Susanne und den zwei Kindern (inzwischen 11 und 15) in Weiden. Bei der Buchpräsentation erzählt er eine Anekdote von seinem Saibling-Händler Andi Rösch aus Bärnau, schwärmt vom Zoigl bei Reinhard und Gabi Fütterer am Schafferhof. Was er besonders vermisst? “Die Freunde”, sagt Kellermann.

Thomas Kellermann bei der Buchpräsentation mit Verlegerin Monika Schitzer. Foto: Christine Ascherl
Thomas Kellermann bei der Buchpräsentation mit Verlegerin Monika Schitzer. Foto: Christine Ascherl
Thomas Kellermann mit Robin Kuch und Jasmine Gruber (Chef de Partie). Foto: Christine Ascherl
Thomas Kellermann mit Robin Kuch und Jasmine Gruber (Chef de Partie). Foto: Christine Ascherl
Thomas Kellermann in seiner Küche im Gourmetrestaurant
Thomas Kellermann in seiner Küche im Gourmetrestaurant “Dichter” in Rottach-Egern. Foto: Christine Ascherl
Das Buch, im Hintergrund die Küche. Die grünen Kacheln zieren das Cover. Foto: Matthaes/Kirchgasser Photography
Das Buch, im Hintergrund die Küche. Die grünen Kacheln zieren das Cover. Foto: Matthaes/Kirchgasser Photography
Das Gourmetrestaurant Dichter: Um die Natur in den Gastraum zu bringen, sind die Tische mit gläsernen Kuben voneinander getrennt. Darin wachsen Bäume unter freiem Himmel. Wenn es schneit, schneit es quasi herein. Foto: Christine Ascherl
Das Gourmetrestaurant Dichter: Um die Natur in den Gastraum zu bringen, sind die Tische mit gläsernen Kuben voneinander getrennt. Darin wachsen Bäume unter freiem Himmel. Wenn es schneit, schneit es quasi herein. Foto: Christine Ascherl
Tegernseer Renkentatar mit Holunder und Weißbier. Foto: Matthaes/Kirchgasser Photography
Tegernseer Renkentatar mit Holunder und Weißbier. Foto: Matthaes/Kirchgasser Photography
“Genussmomente”: Das Cover zeigt die grünen Kacheln der neuen Küche des Restaurants “Dichter”. Foto: Matthaes-Verlag
Foto: Christine Ascherl
Foto: Christine Ascherl

“Genussmomente”

Thomas Kellermann
Genussmomente
Gourmetrestaurant Dichter. Erlesene Menüs aus der Sterneküche der Egerner Höfe am Tegernsee von Spitzenkoch
Thomas Kellermann.
ISBN 978-3-98541-062-0
240 Seiten, 246 x 295 mm
Mit farbigen Fotos
€ 58,00 (D) / € 59,70 (A)
Erscheint am 28.08.2023

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