[Update] WSW-Vorständin: Staatsanwalt hält 6 bis 7 Jahre Haft für angemessen

Weiden. Im WSW-Prozess gibt es am letzten Prozesstag vor Weihnachten eine Ansage über das mögliche Strafmaß. Bei einem Rechtsgespräch hält die Staatsanwaltschaft 6 bis 7 Jahre für die Vorständin für angemessen - bei einem Geständnis.

WSW Prozess
Nicht mehr lange, dann kommen diese Fußfesseln für immer herunter: Dem Aufsichtsratsvorsitzenden ist im Fall eines Geständnisses eine baldige Haftentlassung in Aussicht gestellt. Foto: Christine Ascherl

[Update, 16.15 Uhr] Am Nachmittag kommt es zu einem Gespräch zwischen Gericht und Anwälten über den Verfahrensstand. Vorsitzender Richter Peter Werner berichtet um 16.15 Uhr über den Inhalt. Anwalt Michael Haizmann fordert demnach die Haftentlassung seines Mandanten, des 54-jährigen Aufsichtsratsvorsitzenden. Die lange Untersuchungshaft (seit März 2022) sei nicht mehr angemessen. Tatsächlich schätzt selbst die Staatsanwaltschaft seine Rolle inzwischen geringer ein als vermutet. Staatsanwalt Wolfgang Voit hält bei ihm im Falle eines Geständnisses eine Strafe von 4 Jahren für angemessen.

Anders bei der 50-jährigen Vorständin. Diese sieht Voit als “Kopf und Initiatorin” der Genossenschaft, für die er sich bei einem Geständnis 6 bis 7 Jahre Haft vorstellen könne. Die Rolle des Sohnes sei bei dessen frühzeitiger U-Haftentlassung “wohl nicht realistisch eingeschätzt” worden. Der 30-Jährige habe vielmehr “einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet” und auch frühzeitig von unwirksamen Verträgen gewusst. Die Staatsanwaltschaft hält 5 bis 5,5 Jahre für angemessen.

Keine Haftentlassung vor Weihnachten

Die Strafkammer äußert sich bislang nicht zu möglichen Strafhöhen. Zu einer Haftentlassung, zumindest des Ehemanns, kommt es vor Weihnachten nicht. Das Ehepaar hat einen minderjährigen Sohn, der beim Kindermädchen lebt (Artikel: “Mein Kind kennt mich bald nicht mehr”).

Aus der Warte des Gerichts gibt Vorsitzender Richter Werner folgendes preis: Das Gericht gehe nach bisheriger Beweisaufnahme davon aus, dass die WSW nicht – wie angeklagt – zum alleinigen Zwecke des Betrugs gegründet worden sei. Es sei wohl schon geplant gewesen, eine Genossenschaft ähnlich der in Weiden bestehenden aufzuziehen. Die Strafkammer sehe aber eine mögliche Strafbarkeit durch die formunwirksame Verträge. “Das Beantragen bei den Arbeitgebern unter Bezug auf diese Mitgliedschaften könnte sich als Betrug darstellen.” Das Gericht will über Weihnachten die Beweisaufnahme neu gliedern, um voranzukommen.

“Eine gute Sektenführerin”

Am Vormittag sagte die Assistentin der Vorständin aus. „Sie würde eine gute Sektenführerin abgeben.“ So charakterisierte die 51-Jährige ihre frühere Chefin gegenüber der Kripo. Sie war der Vorständin treu ergeben. Diese hatte ihr trotz langer Krankheit bei der WSW eine Vollzeitstelle als Assistentin angeboten. Die frühere Produktionshelferin mit Quali machte unverhofft Karriere, wenn auch schlecht bezahlt (1100 Euro netto). Die Arbeit habe ihr viel Spaß gemacht: „Wir waren ein cooles Team und alle traurig, als es von einem Tag auf den anderen vorbei war.“

Vorständin ließ Assistentin unterschreiben

14 Mitarbeiter hielten im Büro zur Drehscheibe den drei Angeklagten den Rücken frei. Sie bearbeiteten sämtliche Kundenanfragen. An einem Tag lief das Outlook-Postfach mit 600 E-Mails über. Großteils Beschwerden, räumt die 51-Jährige ein. Die Vorständin habe ihr das als völlig normal erklärt. „Die Zufriedenen riefen ja nicht an.“ In den meisten Fällen sagten die Kunden, sie hätten nie einen VL-Vertrag unterschrieben. Man habe die Kunden dann von den „Vorteilen der staatlichen Förderung“ überzeugt.

Gelang das nicht, habe die Vorständin „Anwaltsschreiben aufgesetzt“, die an die Beschwerdeführer geschickt wurden. Viele tragen die Unterschrift der Assistentin. Den Inhalt habe sie nie hinterfragt. „Ich habe ihr vertraut. Wir hatten ja eigentlich ein freundschaftliches Verhältnis“, sagt die Frau und schiebt hinterher: „Dachte ich zumindest.“

„Naiv und verblendet“

Aber selbst die Assistentin wusste irgendwann, dass die Online-Verträge nicht wirksam sind. Sie erinnert sich sogar noch an den Stichtag: 14. August 2021. Die Vorständin habe erklärt, dass künftig eine qualifizierte Signatur nötig sei. „Bis dahin hieß es, die Online-Verträge sind rechtens, weil sie durch IP-Adresse und Zeitstempel verifiziert seien.“ Sie habe sich da auf die Aussage des ITlers verlassen, den 30-jährige Angeklagten.

Die Assistentin war schockiert, dass nach der Festnahme auch gegen sie selbst ermittelt wurde: “Ich habe nur meine Arbeit gemacht.” Sie sei der Vorständin blind gefolgt, „naiv und verblendet“. Inzwischen habe sie bemerkt, dass sie „ausgenutzt und für Zwecke missbraucht“ worden zu sein. Anwalt Jörg Meyer nimmt die Frau in ein seltsames Kreuzverhör: „Kennen Sie einen Sektenführer?“ „Wie viele Sektenführer kennen Sie persönlich?“

WSW WohnSachWerte Firmensitz Anklage Betrug
Der ehemalige Firmensitz der WohnSachWerte in Weiden. Hier hatte die “Genossenschaft” ihr Büro. Foto: Christine Ascherl

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