Der langsame Tod der Skigebiete

Immenreuth/Pressath/Mehlmeisel/Bischofsgrün. Die Skigebiete in den Mittelgebirgen stehen vor einer Zäsur: In einigen Jahren wird es – nicht nur – in Nordbayern kaum noch ausreichend Schnee geben.

Vorbei sind die Skifreuden am Tannenberg bei Immenreuth. Die Gemeinde schließt den Lift. Foto: Gemeinde Immenreuth

Dem späten Kälteeinbruch der vergangenen Tage zum Trotz: Viele Skilifte, vor allem in Nordbayern, stehen vor dem Aus. In Deutschland gibt es – noch – circa 500 Skigebiete, 1200 Schlepplifte und mehr als 200 Seilbahnen, von denen 80 Prozent in Sommer und Winter genutzt werden. Viele, vor allem niedrig gelegene Anlagen sind allerdings bedroht, andere haben bereits dichtgemacht. Nicht nur im Nordosten Bayerns ist das Liftsterben im vollen Gange. Ob im Allgäu, dem Bayerischen Wald oder der Schwäbischen Alb, die Liste der geschlossenen Anlagen wird immer länger.

Eine Forschungsgruppe der Uni Bayreuth hat die mutmaßliche Entwicklung der natürlichen Schneedecke in Hochgebirgsskigebieten auf der ganzen Welt untersucht. 13 Prozent der Gebiete könnten demnach im Jahr 2100 ihre natürliche Schneedecke vollständig verloren haben. Viel gravierender sind die Aussichten für die Mittelgebirge, in denen Skilifte schon in naher Zukunft der Vergangenheit angehören könnten.

Kaum noch schneesichere Gebiete

Ein Blick in die Region zwischen nördlicher Oberpfälzer Wald, Steinwald und Fichtelgebirge: Vor allem in der nördlichen Oberpfalz gibt es jetzt schon kaum noch schneebeständige Pisten und Loipen. In den vergangenen Jahren schlossen die Skilifte Altglashütte (Bärnau), Großbüchlberg (Mitterteich), Pressath und Immenreuth, die Pisten am Fahrenberg und Pfaben (Erbendorf) sind nur noch an wenigen Wintertagen befahrbar.

Vor allem im Fichtelgebirge zeigt sich, wie wichtig der Skisport für die Identität eines Ortes sein kann und welche Folgen es hat, wenn sich Betreiber eingestehen müssen, dass es nicht mehr weitergeht. Längst können Kinder das Skifahren nicht mehr auf dem Haus-Hang lernen, sondern müssen mit den Eltern in höhere Alpenregionen reisen. Damit wird der Wintersport immer mehr zum Luxusgut, oder: Wie es ist, wenn ein Volkssport stirbt.

Aus des Skilifts im November

Wie schnell diese Entwicklung voranschreitet, zeigt sich an den Öffnungszeiten am Tannenberglift in Immenreuth: 2010: 25 Tage, 2011: 23 Tage, 2012: zwei Wochen. Dann war Schluss. Der letzte längere Saisonbetrieb war 2019. Zum letzten Mal öffnete der Tannenberglift im Februar 2022. Thomas Kaufmann ist rat- und machtlos. Der Immenreuther Bürgermeister (CSU) musste zusammen mit seinem Gemeinderat im vergangenen November mit dem Aus für den gemeindeeigenen Tannenberglift eine schwere Entscheidung treffen. Das Kapitel Wintersport am Tannenberg ist nach mehr als 50 Jahren beendet. Der Schnee fehlt und die Investitionen in den Lift aus den Siebzigerjahren sind der Gemeinde zu hoch.

Foto: OberpfalzECHO/David Trott
Foto: OberpfalzECHO/David Trott
Eine Interessengemeinschaft will den Fahrenberg-Lift weiterbetreiben, nachdem der TV Vohenstrauß den Betrieb einstellen wollte. Foto: TV Vohenstrauß
Eine Interessengemeinschaft will den Fahrenberg-Lift weiterbetreiben, nachdem der TV Vohenstrauß den Betrieb einstellen wollte. Foto: TV Vohenstrauß
Der Skilift bei Pressath hat Feierabend. Foto: DJK Pressath
Der Skilift bei Pressath hat Feierabend. Foto: DJK Pressath
Realität und Traum: Der Skihang bei Pressath. Foto: Christian Gareis
Realität und Traum: Der Skihang bei Pressath. Foto: Christian Gareis
Schnee Winter Traumwinter Winterwetter
Gegen das Aus für den Fahrenberg-Lift im Jahr 2025 regt sich Widerstand. Foto: TV Vohenstrauß
Bild: DJK Pressath
Zum „letzten Akt“ fanden sich fleißige Helfer der Skiabteilung in Wollau ein und
beschlossen mit der Entsorgung des Lifts dieses traditionsreiche Kapitel. Foto: Christian Gareis

In Mehlmeisel glaubt man an den Winter

Der Klausenlift in der Gemeinde Mehlmeisel in der Nachbarschaft des Ochsenkopfs wurde 1969 in Betrieb genommen. Noch vor wenigen Wochen sah man schon von Weitem ein weißes Band, das sich wie eine Decke zwischen den Bäumen auf den grünen Hang legt. Bürgermeister Franz Tauber (Freie Wähler) schätzt, dass sie allein in dieser Saison bis zu 70.000 Kubikmeter Schnee auf die Piste geblasen hat. Er will sich mit dem drohenden Ende des Wintersports in der Region nicht abfinden: “Wenn alle Lifte schließen, sind wir keine Wintersportregion mehr.”

Dass die Gemeinde die drei Schlepplifte weiter betreiben kann, verdankt sie einer Beschneiungsanlage aus dem Jahr 2004. Dass an den meisten Tagen aufgrund der Plusgrade und des Regens an Skifahren nicht zu denken ist, stört Tauber nicht. Er will sogar in noch effizientere Schneekanonen investieren. Vor zehn Jahren waren die Lifte noch etwa 100 Tage pro Saison geöffnet, jetzt sind sie es nur noch die Hälfte. Und der künstliche Schnee kostet etwa 1300 Euro pro Tag. Der Bürgermeister ist überzeugt, dass es in den nächsten Jahren weiterhin genügend Frosttage gebe, auch wenn das Skigebiet am höchsten Punkt nur auf 815 Metern liegt.

Die Gemeinde brauche die Einnahmen aus dem Liftbetrieb. Tauber: “Wir haben kaum Gewerbe.” Und ohne Gewerbe keine Steuereinnahmen. Das Geld, das durch den Lift verdient wird, sei fest im Haushalt verplant. Im Dezember 2023 lief es. Man zählte 27.000 Liftfahrten an einem Wochenende. Es gibt auch Überlegungen für eine Sommernutzung, zum Beispiel mit Mountaincarts.

Alternativen sind gefragt

Alternativen sind in Zeiten des Klimawandels gefragt – zum Beispiel Wanderungen. Im Januar gab es den 5. Deutschen Winterwandertag im Fichtelgebirge. „Das Interesse am Winterwandern wird zunehmen, es ist die perfekte Alternative zum Skisport“, sagt Jens Kuhr vom Deutschen Wanderverband (DWV). Auch Andreas Munder, Chef der Tourismus & Marketing GmbH Ochsenkopf, sagt, Winterwandern rund um den Ochsenkopf habe mittlerweile einen hohen Stellenwert erreicht.

Die alternativen Wintersport- und Gesundheitsangebote in heilklimatischer Umgebung hätten sich bewährt. 2018 fand der Deutsche Winterwandertag schon einmal in der Ochsenkopf-Region statt, 2500 Menschen nahmen teil. In diesem Jahr gehören 64 Wandertouren zum Programm.

Wandern Wanderwege Wanderer Symbol Symbolbild
Wandern als Alternative zum Skifahren? Bild: Pixabay

Voraussetzungen werden schlechter

Maximilian Witting, Wissenschaftler an der LMU-Universität München mit Schwerpunkt Klimawandel und Wintersport, sagt: „Gerade die Orte und Regionen der Mittelgebirge müssen sich darauf einstellen, dass die Voraussetzungen für Wintersport sich weiter verschlechtern werden. Die Schneefallgrenze steigt bereits jetzt, das wird fortschreiten. Schneereiche Winter wird es zwar weiterhin geben, aber sie werden deutlich seltener auftreten als in der Vergangenheit.“

Doch nicht alle Urlauber und Tagesausflügler, die bisher die Mittelgebirge angesteuert haben, dürften sich vom Wandern überzeugen lassen, wenn die Pisten und Loipen grün sind. „Gäste, die unbedingt weiterhin Wintersport betreiben wollen, werden ihren Urlaub in eine andere, schneesicherere Destination verlagern. Aber es gibt auch Gäste, die dem Ort oder der Region sehr treu sind.“ Diese seien eher bereit, sich auf andere Aktivitäten wie Wandern oder Mountainbiken einzulassen oder zu einem späteren Zeitpunkt, bei besseren Wintersportbedingungen, zu kommen.

Wirtschaftsfaktor Tourismus

Außerdem gebe es laut Witting eine Gruppe, denen Nachhaltigkeit und Klimaschutz wichtig seien, und die keinen Wintersport mehr ausüben werden. Diese Gruppe werde in Zukunft womöglich wachsen. „Es hängt also vom Gästetyp ab und von der jeweiligen Region, was man anbietet, um den Naturraum touristisch zu nutzen. Das hängt auch davon ab, welche Rolle der Wirtschaftsfaktor Tourismus für die Region insgesamt spielt und wie viel die Region bereit beziehungsweise in der Lage ist, in Alternativen zu investieren“, betont der Experte.

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