Ein Weidener beobachtet und coacht die besten Schiedsrichter im Lande

Weiden. Das ist mal eine Leistung: Karl-Heinz Schleier hat in 25 Jahren 1.600 Einsätze als Schiedsrichterbeobachter hinter sich.

„Runde Zahlen“ beim Spiel des FC Bayern München gegen den 1. FC Köln: Christian Gittelmann hatte seinen 150. Bundesliga-Einsatz an der Linie, Karl-Heinz Schleier machte seine 1600. Beobachtung. Foto: Tobias Stieler
„Runde Zahlen“ beim Spiel des FC Bayern München gegen den 1. FC Köln: Christian Gittelmann hatte seinen 150. Bundesliga-Einsatz an der Linie, Karl-Heinz Schleier machte seine 1600. Beobachtung. Foto: Tobias Stieler
Selfie von Karl-Heinz Schleier beim Bundesligaspiel in Mainz. Foto: Schleier
Selfie von Karl-Heinz Schleier beim Bundesligaspiel in Mainz. Foto: Schleier
Foto: Tobias Stieler
 Foto: Schleier

Große Emotionen vor einigen Wochen in der Münchner Allianz-Arena: Der FC Bayern ist gegen den 1. FC Köln lange in Rückstand, ehe Joshua Kimmich in der 90. Minute mit seinem 1:1-Ausgleich die Fans erlöst und dem Rekordmeister einen Punkt rettet. Trotz des engen Spielstands ist Schiedsrichter Tobias Stieler, der am Sonntag mit zwei Strafstößen gegen die Nagelsmann-Elf in Leverkusen Schlagzeilen machte, kaum mit kniffligen Entscheidungen konfrontiert. Die spärliche Kritik von den Rängen steckt der Hamburger FIFA-Referee problemlos weg.

Trikot vom FC Bayern

Die Meinung eines der 75.000 Zuschauer aber ist ihm wichtig: Karl-Heinz Schleier aus Weiden ist an diesem Tag der Schiedsrichter-Beobachter. Genauso wie Schiedsrichterassistent Christian Gittelmann, der zum 150. Mal in der Bundesliga an der Linie stand, ist dieses Spiel für Schleier ein besonderes – nämlich seine 1.600 Beobachtung insgesamt. Diese beiden Jubiläen würdigte der FC Bayern mit jeweils einem persönlich beflockten Trikot.

64 Spiele pro Saison

Die 1.600 Beobachtungen hat Karl-Heinz Schleier in 25 Jahren abgearbeitet – im Schnitt 64 Spiele pro Saison von der 1. Bundesliga bis zur Kreisliga. Basis dafür war seine eigene Karriere, die ihn an der Pfeife bis in die Regionalliga (in den 1990er Jahren die dritthöchste Klasse) und mit der Fahne bis in den Weltfußballverband FIFA führte. Unter anderem mit Markus Merk und Bernd Heynemann stand er bei internationalen Spielen an der Linie. Nach einem krankheitsbedingt verpatzten Leistungstest wollte er sich im Jahr 1998 eigentlich eine Pause gönnen, doch die dauerte nicht lange.

Einstieg in zweiten Karriereweg

Der damals in Bayern für das Beobachtungswesen zuständige Werner Roß (Ingolstadt) überzeugte Schleier vom Einstieg in diesen zweiten Karriereweg, auf dem er es weit nach oben schaffte: mit fundiertem Fachwissen, prägnanten Analysen und dem stetigen Streben, die Leistungen der ihm zugeteilten Schiedsrichter weiter zu optimieren. Von Anfang an wurde Karl-Heinz Schleier in der Landesliga eingesetzt. „In meinem siebten Einsatz bei FC Linde Schwandorf gegen den SV Hutthurm hieß der Schiedsrichter Deniz Aytekin“, erinnert er sich schmunzelnd. Seit 2014 beobachtet der Weidener bis in die 1. Bundesliga und ist einer von fünf Coaches für die Zweitliga-Schiedsrichter.

Mehr Coach als Beobachter

Vom Beobachter zum Coach – das Bild und die Aufgabenstellung des Mannes am
Spielfeldrand haben sich im vergangenen Vierteljahrhundert grundlegend gewandelt.
Früher oft der große Unbekannte, war der Beobachter lange nur der kritische Bewerter der Schiedsrichterleistung. „Nur auf dem Bogen das Wort Beobachter durchzustreichen und Coach drüberzuschreiben, reicht freilich nicht“, sagt Schleier. Es freut ihn, dass auch im Amateurbereich der Trend immer mehr zum Coaching geht. Denn der Coach soll mehr ins Detail gehen, zusammen mit dem Schiedsrichter die Gründe möglicher Fehlentscheidungen analysieren und Optimierungsbereiche aufzeigen.

Leistung verbessern

Im Profibereich gibt es beide Rollen, teilweise auch in Personalunion: Der Beobachter erstellt einen „Technischen Report“, in dem die Schiedsrichterleistung in einzelnen Rubriken abgearbeitet wird. Auf dieser Basis und in Rücksprache mit dem Beobachter plus der Fernsehbilder sucht der Coach – wie Karl-Heinz Schleier in der 2. Liga – dann das Gespräch mit dem Unparteiischen. Immer mit dem Ziel, die Leistung des Einzelnen zu verbessern. Dies sei gerade im Profibereich viel wichtiger als die Bewertung von Einzelentscheidungen. Karl-Heinz Schleier, der 1975 die Schiedsrichterprüfung abgelegt hat und Ehrenmitglied der Gruppe Weiden ist, erläutert die Arbeit eines Coaches am Beispiel eines Kellerduells in der 2. Liga, in dem eher Kampf und Härte denn spielerische Leckerbissen zu erwarten seien.

Einheitliche Linie

„Letztlich sollen junge Referees auf einen guten Weg und eine einheitliche Linie gebracht werden, sodass sie irgendwann die heutigen Spitzenschiedsrichter der Bundesliga ersetzen können“, erläutert Schleier. Der Weidener bringt sich seit vielen Jahren auch auf Bezirksebene in die Nachwuchsförderung und die Beobachter-Fortbildung ein. Rund zehn Tage vor dem Spiel beginnt für den Coach der Spieleinsatz mit der vorläufigen Einteilung. Die namentliche Zuteilung des Schiedsrichterteams erfolgt zwei Tage vor der Partie. Zum persönlichen Treffen kommt es in der Schiedsrichterkabine des Stadions – maximal zwei Stunden vor dem Anstoß.

VAR hat Schiedsrichterarbeit verändert

Nach dem Spiel erhält der Beobachter das Videomaterial mit der Tonspur, um die Kommunikation im Schiedsrichterteam und mit dem Kölner Keller nachvollziehen zu können. „Wer hierbei in der Kabine hitzige Diskussionen erwartet, liegt falsch. Zu 95 Prozent haben Schiedsrichterteam und Beobachter das gleiche Spiel gesehen“, sagt Schleier. Positiv sieht Karl-Heinz Schleier die Versuche bei der FIFA-Klub-WM, die Eingriffe des Videoassistenten für die Zuschauer im Stadion transparenter zu machen. Grundsätzlich habe der VAR-Einsatz die Arbeit der Kollegen auf dem Platz verändert, insbesondere die der Linienrichter. Der Kölner Keller soll aber nur eingreifen, um klare Fehlentscheidungen zu verhindern – und zwar in den vier Bereichen Torerzielung, Feldverweis auf Dauer, Strafstoß und Spielerverwechslung.

Mehr Selbstkritik

Mit Interesse verfolgt Schleier die von Ex-Bundesliga-Schiedsrichter Manuel Gräfe losgetretene Diskussion um die Altersgrenze in der Bundesliga. Fällt diese Altersgrenze, so der Weidener, müsste man wieder vermehrt auf das Leistungsprinzip setzen, was eine stärkere Motivation für die Schiedsrichter in den Spielklassen unter der Bundesliga wäre und letztlich auch die Rolle der Beobachter und Coaches stärken würde. Auch für den
Amateurbereich hat Schleier einen Wunsch: „Schiedsrichter und Beobachter sitzen doch in einem Boot und rudern auch in die gleiche Richtung.“ Er hofft, dass gerade einige junge Unparteiische ihre Leistungen etwas selbstkritischer betrachten. Denn ohne die Fähigkeit zur Selbstkritik würde sich „auf Dauer keiner durchsetzen“.

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